Links der Woche, rechts der Welt 07/20

Miteinander statt Gegeneinander

Alles liefe besser, wenn man es nur dem Wettbewerb unterwürfe, heißt es gern. Andreas von Westphalen wendet sich bei Telepolis gegen das moderne Bild vom leistungs- und konkurrenzorientierten Individuum. Denn Verhaltens- und Evolutionsbiologie erweisen den Menschen als soziales Tier, das Kooperation bevorzugt. (08.02.20)

 

Was fort ist, ist fort

Thüringen war schon immer Avantgarde: Peter Neumann erinnert in der ZEIT an die bürgerlich-völkische Allianz, die dort 1924 geschlossen wurde und bald mit dem Bauhaus auch die bis zu Fichte zurückreichende liberale Tradition zwischen Weimar und Jena abwickelte. (08.02.20)

 

Stardenker im Flow des Zeitgeists

Schopenhauer meinte, die Professur schade der Profession des Philosophen, auch Kant sah sein Fach zwischen weltfremder Pedanterie und flacher Sophisterei umherschlingern. Uwe Justus Wenzel blickt in der FAZ auf aktuelle Beispiele für und Kritiken an marktgängiger Populärphilosophie und Pop-Philosophie. (11.02.20)

 

Hegel-Lektürekurs mit Butler

Judith Butler erklärt in der ZEIT, dass wir jetzt Hegel lesen sollten, weil wir wie er gerade eine Epoche hinter uns lassen, ohne zu wissen, wo es lang gehen soll. Die Dialektik von Herr und Knecht zeigt, dass wir alle miteinander verbunden sind – eine Erkenntnis, auf der sich eine neue Zeit und neue Gesellschaft gründen lässt. (12.02.20) [Der Hegel-Biograph Klaus Vieweg kritisiert Butler ebd. dafür, Hegels Aktualität nur daran festzumachen.]

 

Das Unbürgerliche liegt offen zutage

Der Bürger Thomas Mann hat 1930 vor den Gefahren einer Allianz der Konservativen mit den Völkischen gewarnt. Thomas Assheuer nimmt sich das zum Vorbild und rekapituliert in der ZEIT bildreich einige Ansagen aus der AfD, die CDU/CSU magnetisch abstoßen müssten – wenn der Kompass denn noch taugte. (12.02.20)

 

Die Tiere unter unserem Dach

Daniele Muscionico spricht in der NZZ allen aus der Seele, die ihr Haus mit Tieren teilen: Als Mensch ist man lediglich geduldetes Personal der Katze, Aquaristen bevorzugen fremdartige Wesen und Hunde bleiben des Menschen beste Freunde – anders als Wanzen und Milben. (14.02.20)

 

Früher war auch der Konservatismus besser

Das Spektrum des Konservativen ist breit und schillernd, doch durch den Traum von einer Vergangenheit, die es nie gegeben hat, vereint – wie Petra Bahr in der ZEIT darlegt. Dazu zieht sie Edmund Burke als Vordenker eines Konservatismus heran, der nachgerade interessant und sympathisch wäre.(14.02.20)

(Photo: pixabay.com, CC0)

Radio

Kind of magic: Im DLF kommt heute Abend die Lange Nacht über die Zauberei. Morgen früh und kommenden Sonntag bringt Essay und Diskurs 55 Stimmen für die Demokratie, also kurze Ansprachen in der Tradition Thomas Manns. Um Privilegien und Leihmutterschaft geht es in Sein und Streit und Jürgen Wiebicke unterhält sich im Philosophischen Radio des WDR 5 mit der Architektin Heike Delitz über die politische Dimension ihres Fachs.

 

Die Unordnung der Dinge

Besonders bedrohlich ist der konservative Flirt mit den Völkischen für diejenigen, die im Visier der AfD stehen, woran Mely Kiyak in ihrer ZEIT-Kolumne erinnert. +++ Antikapitalismus droht stets, antisemitische Denkfiguren zu übernehmen, die sich auch bei evangelikalen Fundamentalisten finden, und dennoch fällt Slavoj Žižek im Freitag nichts Besseres ein als Israel und die Juden davor zu warnen, es zu übertreiben. +++ Ein Fünftel aller im akademischen Betrieb Tätigen lehnt den Staat Israel ab? Telepolis berichtet, wie aus einer Umfrage zur Meinungsfreiheit an der Universität ein Skandalon (gemacht) wurde. +++ Der Aufstand gegen die Globalisierung wird von Rechtspopulisten angeführt. Nadav Eyal hat darüber ein Buch geschrieben und gibt im FR-Interview Auskunft über Lüge und Verantwortungslosigkeit als neue Machttechniken. +++ Auch Wolfgang Engler und Sahra Wagenknecht wundern sich auf einer Tagung, warum es der Linken nicht mehr gelingt, die Unzufriedenen um sich zu scharen, und die taz dokumentiert das Rätselraten.

 

Trotz Philosophie

Was bleibt vom Selbstbewusstsein, wenn es mit einer KI verbunden wird? Die Frage wird mit den entsprechenden technischen Fortschritten drängender, wie Telepolis schreibt, und ist die beste Reklame für Philosophie, die nicht bloß Hilfswissenschaft sein will. +++ „Sinn und Form“ bringt vier Briefe, in denen sich Wolfgang Harich für die nachhaltige Verdammung des Protofaschisten Nietzsche in der DDR einsetzt, worüber sich die FR wundert, mehr aber noch über den Begleittext. +++ Roland Barthes nannte Claire Bretécher 1976 die „wichtigste Soziologin des Jahres“ und der Tagesspiegel erklärt im Nachruf auf die nun verstorbene Comiczeichnerin, warum. +++ Die FR wiederum erinnert an Hans-Jürgen Krahl, den eigentlichen Vordenker der Studentenbewegung, der für 50 Jahren mit 27 starb.

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