Links der Woche, rechts der Welt 08/20

Ihr Name ist Sally Hemings

Der US-Botschafter und spätere Präsident Thomas Jefferson galt nicht nur seinen französischen Zeitgenossen als Freiheitsheld – und war doch Sklavenhalter. Ronald D. Gerste erinnert an den Staatsmann und sein im wahrsten Sinne schwieriges (=geschlechtliches) Verhältnis zu Menschen als Eigentum. (19.02.20)

 

Jenseits des Fleisches

Lebensmittel aus Insekten sind keine Science Fiction mehr, schreibt Stella Marie Hombach bei Spektrum. Hat man den Ekel erstmal überwunden, locken gute Klimabilanz und Reichtum an Nährstoffen. Die Forschung am sechsbeinigen Fleischersatz (und eventuellen Gesundheitsrisiken) läuft auf Hochtouren. (21.02.20)

 

Aus der Ohnmacht geborene Gewalt.“

Vor 100 Jahren hat sich die neu gegründete NSDAP in München vorgestellt. Arno Widmann rekapituliert in der FR zur Warnung an die Heutigen die damaligen Forderungen aus dem Parteiprogramm rund um völkische Souveränität und eine Masse auf der Suche nach Führung. (21.02.20)

 

Lautsprecher für den Ausnahmezustand

Sprache ist die wichtigste Waffe, um einen völkischen Umsturz herbeizuführen: Natascha Strobl untersucht in der FR am Beispiel „Asylkrise“ die rhetorischen Strategien, die sich Rechtspopulisten von Gramsci abgekupfert haben und mit denen sie ihre Narrative in den Diskurs einspeisen. (21.02.20)

 

Rechtsterrorismus, psychoanalytisch gesehen

Georg Seeßlen fragt mit Sigmund Freud in der ZEIT nach den gesellschaftlichen Bedingungen eines Anschlags wie in Hanau. Eine von rechtsextremer Gewalt und neoliberaler Härte eingeschüchterte Gesellschaft hat eine Macke, die sich mit einer individuellen Disposition zur Abhängigkeit von „rechtem Rauschgift“ gefährlich verbinden kann. (21.02.20)

 

Hanau als Konsequenz

Der rechtsextreme Anschlag im hessischen Hanau war der jüngste Fall von Rechtsterrorismus. Die ZEIT dokumentiert die als rechtsextremistisch motiviert geltenden Gewalt- und Tötungsdelikte seit 2010. Sonja Zekri rät in der SZ der deutschen Gesellschaft, sich nicht zu sehr vom herrschenden Gewalttabu blenden zu lassen und die Aggression als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ernstzunehmen. Netzpolitik.org beschäftigt sich mit dem Kampf um die Deutungshoheit: War der Täter psychisch krank „oder“ Rechtsextremist? Die taz berichtet von der Lesung des Althistorikers Egon Flaig, die vom neurechten Magazin Tumult am Tag nach dem Anschlag veranstaltet wurde.

(Photo: qimono, Arek Socha, pixabay.com, CC0)

Bücher

In aller Kürze stellt die ZEIT das Buch „Die nackte Wahrheit“ aus dem Nachlass von Hans Blumenberg vor. +++ George Orwells Essay „Über Nationalismus“ ist mit einem Nachwort von Armin Nassehi übersetzt worden. Der Freitag weist auf Orwells eigentümliche Definition von „Nationalismus“ und „Patriotismus“ hin, die auch der NZZ zufolge in den heutigen segmentierten Gesellschaften tauglich sein mag. +++ Glanz & Elend freut sich über Philippe Murays Essay „Das Reich des Guten“, der den „intellektuellen Blockwarte dieser Tage“ Saures gibt, und empfiehlt „Die Kunst des Miteinander-Redens“ von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun, um „Schutzbunker des Geistes“ „aufzubrechen“ und „auf Augenhöhe über die relevanten Themen mit dem Anderen zu streiten“. +++ „Das Geheimnis der Gewalt“ heißt das neue Buch von Daniel-Pascal Zorn, das dem Freitag nicht weiterhilft, weil demnach praktisch alles (auch eine Rezension) irgendwie Gewalt ist. +++ Mit Wölfen leben: Spektrum stellt ein Fachbuch für alle vor, mit dem Henryk Okarma und Sven Herzog eine wissenschaftliche Basis für effektives „Wolfsmanagement“ darlegen.

 

Berichte aus der Akademie

Die FAZ berichtet über eine historisch-vergleichende Untersuchung des Denunziantentums von der Inquisition bis zur Gestapo. +++ Gesichtserkennung schön und gut, aber Künstliche Intelligenz wird wohl niemals aus unserer Mimik unsere Gefühlslage ablesen können, wie Spektrum erleichtert meldet. +++ Mit Supercomputern lassen sich kosmische Strukturen simulieren und erforschen – nebenbei entstehen faszinierende Bilder und Videos. Einige davon hat die FAZ zusammengetragen. +++ Ein drolliges Bild aus dem Londoner Untergrund hat im „Wildlife Photographer of the Year“-Wettbewerb das Rennen gemacht – die SZ bringt eine Photostrecke aller Kandidaten. +++ Die Kehrseite der zeitgenössischen Besessenheit von quantifizierbarer Leistung ist die Angst vor Misserfolgen – und die lässt eine Gesellschaft erstarren, die FAZ hat auch Belege dafür.

 

Trotz Philosophie

Die Ereignisse in Thüringen lassen Matthias Warkus in seiner Spektrum-Kolumne fragen, ob wir mit einer Kaste von gezielt herangezüchteten Verwaltungswächtern wie in Platons Idealstaat besser dran wären. +++ Ror Wolf war Fußballfreund und philosophischer Lyriker, die ZEIT ruft ihm nach; ein weiterer Toter dieser Woche ist der neoplatonische Quantenphilosoph Jens Halfwassen, den Markus Gabriel in der FAZ würdigt. +++ Eine Studie, über die Spektrum berichtet, legt nahe, dass es vor allem intensive und nicht unbedingt positive Erfahrungen sind, die ein als sinnhaft empfundenes Leben ausmachen. +++ Überaus sinnvoll ist auch ein Lichtwolf-Abonnement, das uns die Aufrechterhaltung dieses Dienstes ermöglicht und Ihnen alle drei Monate ein schickes Heft trotz Philosophie in den Briefkasten bringt.

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