Lichtwolf Nr. 54 („Ekstase“)
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Rausch, Orgasmen, Enthusiasmus und Transzendenz mit Nietzsche, al-Arabi, Christen, Heidegger, Alkohol sowie Ekel, Fröschen und Wittgenstein im Krieg.
Beschreibung
Räusche und Orgasmen, Außersichsein, Enthusiasmus und Transzendenz sind die großen Themen der aktuellen Ausgabe. Ekstase kann man kriegen durch Deprivationen wie Isolation, Fasten, Meditation und Nahtoderlebnisse oder – andere Stoßrichtung durch die Realitätsmembran – durch Überstimulation mit Musik, Tanz, Gesang, Hyperventilation, Sex, Rauschmittel und alles andere, was Körper und Geist in Wallung versetzt. In Ekstase kann man auch unfreiwillig geraten, etwa im orgiastischen Rahmen einer Massenhysterie – wie es schon von den Auftritten des Dionysos berichtet wird. Panik und Ekstase sind verwandt.
Ekstase heißt außer sich geraten: Aus dem normalen Bewusstseins- und Wahrnehmungstrott heraus geht es in erhöhte, erweiterte oder entrückte Bewusstseinszustände hinein – und wer in der transzendentalen Eisenbahn seine Station verpennt hat, bleibt ent- und gilt als verrückt. Entsprechend sehen Psychologen den Kontroll- und Realitätsverlust kritisch, selbst wenn er zur Zivilisation dazugehört und diese zu ertragen hilft, wie Marc Hieronimus und Schneidegger erwägen.
Bei den Griechen war Ekstase alles, was vom Gewohnten abwich, und doch sind Trance, Rausch und Berserkertum historisch allgegenwärtig, vom Paläolithikum bis zum letzten Wochenende im Berghain. Begleitet wird sie von Hellseherei und Ohnmacht, Konvulsionen und Euphorie, Schmerzunempfindlichkeit und Übermut. Ihrer transzendenten Richtung wegen ist sie wichtiger Bestandtteil der Religionen: Schneidegger befasst sich mit Ekstase und Besessenheit im Christentum und Osman Hajjar mit den dunklen Schriften des Mystikers Ibn al-‘Árabi. Doch auch ganz weltimmanent können Schönheit und Freude etwa an der Natur verzücken bzw. in zivilisatorischen Selbsthass entrücken, gegen den Wolfgang Schröder argumentiert, während Marc Hieronimus der Moderne eine effiziente Transzendenzunfähigkeit bescheinigt.
Zu Zeiten von Romantik und Empfindsamkeit schätzte und suchte man den Überschwang in Kunst und Dichtung, Freundschaft und Liebe (oder Sex und sei es auch mit sich selbst, wofür Hieronimus wirbt). Nietzsches Dionysos-Dithyramben, die Stefan Rode untersucht, hätten zu keinem anderen Zeitpunkt als kurz vorm Wahnsinn entstehen können. In der Musik stehen Jacques Offenbach und Richard Wagner fürs ekstatische Wummern bzw. entzückte Schwelgen und Tobias Stenzel rechnet auch den Noise-Stoiker Lou Reed dazu. Die Hinterlassenschaften romantischen Überschwangs hat Michael Helming besichtigt: An den römischen Gräbern von Keats und Shelley spürt er dem Schönheitsrausch der Poesie nach und kommt in Regensburg runter, wo er in der Walhalla den manifesten teutschen Nationalwahn durchwandelt.
In der Philosophie ist es auch wichtig, aus dem Bewusstsein von Subjektivität, Zeit und Raum mal herauszutreten. Wie schräg sich das zu dem Ekstasebegriff aus Heideggers „Sein und Zeit“ verhält, erklärt Schneidegger. Zwischen den Langtexten finden Sie Bdolfs Propädeutikum und schöne Kleinigkeiten von Tommy Tinte, Rüdiger Spiegel, Martin Köhler und Jonis Hartmann.
Der hintere Heftteil beginnt mit Rezensionen in unter 800 Zeichen und den tragbaren Gedanken dieser Ausgabe. Martin Gohlke überlegt, welche Enttäuschungen den linken Gutmenschen zum Zyniker machen, anschließend stellt Michael Helming den Frosch als Viehlosovieh vor. Georg Frost eröffnet die neue (selbsterklärende) Reihe „Philosophen in Uniform“ mit einem Portrait des jungen Wittgenstein im Ersten Weltkrieg. Daran schließen sich die Aphorismen und Autoren-Portraits nebst Impressum an.
Inhalt
Inhalt Nr. 54
Rausch, Orgasmen, Enthusiasmus und Transzendenz mit Nietzsche, al-Arabi, Christen, Heidegger, Alkohol sowie Ekel, Fröschen und Wittgenstein im Krieg.
000 Intime Interna
Illustrationen
Lichtwolf Nr. 54 wurde illustriert von den famosen Herren Frost, McGrath Muñiz, Singer und Tristam.
von Andy Singer, Georg Frost, Patrick McGrath Muñiz, Tristam
005 Sozialphänomenologie
Propädeutikum und Prolegomena zum Thema Ekstase
Neun einleitenden Thesen der Jugend zum Geleit.
von Bdolf
006 Lebenswelt
Rauschender Alltag
Nicht wenige Menschen trinken nicht zum Spaßhaben, sondern um überhaupt mit dieser Welt zurechtzukommen. Das sagt viel über sie aus und noch mehr über diese Welt.
von Marc Hieronimus und Timotheus Schneidegger
013 Philosophistik & Misosophie
Drei Gläser Wasser
Annäherung an einen ekstatischen Zustand unter einer kritisch-vergleichenden Analyse des Weines und des Wassers.
von Tommy Tinte
014 Kultur(terrorismus)
Im Schönheitsrausch der Poesie
Beim Spaziergang über den Cimitero acattolico in Rom durchströmt auch heute noch der alte, unvollendete Geist der Romantik intuitiv die Glieder.
von Michael Helming
023 Lebenswelt
Stufen zum Nichts: Ekstase
Beim Zahnarzt läuft „Cocaine“, jedenfalls im betäubten Kopf des Kolumnisten.
von Martin Köhler
024 Der Lichtwelpe
Der Lichtwelpe: Ekstase
Jennifer-Ann-Kathrin (9) fragt via Postkärtle: „Was ist eigentlich diese Exstase, oder wa -?“ und erhält sachgemäße Replik von Onkel Bdolf.
von Bdolf
026 Kultur(terrorismus)
„Es wurde ein Fehler gemacht …“
Das Erhabene der Naturschönheit reizt zu ekstatischen Hymnen auf die lebendige Kraft, neuerdings auch zu larmoyantem Selbsthass gegen eine Zivilisation, die von der Natur scheinbar entfremdet.
von Wolfgang Schröder
034 Lebenswelt
Ozu
Installation, Leerstelle, Ernte beim Blick auf und in den Kinoschirm. Mit einem Gastauftritt von unserem guten Freund Dr. Uwe Boll.
von Jonis Hartmann
035 Lebenswelt
Wir haben es in der Hand
Sollte Wichser nicht ein Ehrentitel sein? Eine Ehrenrettung der Freiheit zur Ipsephilie wider ihre Verächter
von Marc Hieronimus
038 Kultur(terrorismus)
Das Medium hat die frohe Botschaft
Mystik und Ekstase haben es schwer in Bibel und Christentum, Besessenheit überraschenderweise gar nicht. Über den Ursprung von MDMA und Abzappeln gen Göttlichkeit
von Timotheus Schneidegger
046 Philosophistik & Misosophie
Sing for me Zarathustra
Nietzsche scheint in seiner letzten Schrift, den „Dionysos-Dithyramben“ an seinem Werk zu scheitern, doch genau daraus eine ungeheure und konsequente Euphorie zu beziehen.
von Stefan Rode
050 Philosophistik & Misosophie
Höhenflüge durchs All-Wissen
Die Himmelfahrt blieb Mohammed vorbehalten, alle anderen Gläubigen bemühen sich um geistige Ekstasen hin zum Höchsten. Aufschluss darüber geben die Schriften des Mystikers Ibn al-‘Árabi.
von Osman Hajjar
058 Philosophistik & Misosophie
Außer sich in der Zeit
Was haben Ekstasen im Abschnitt über die Zeitlichkeit in Heideggers „Sein und Zeit“ verloren bzw. zu bedeuten?
von Timotheus Schneidegger
060 Kultur(terrorismus)
Lou Reeds „Ecstasy“
Das Album dreht sich nicht um Drogen, Spiritualismus oder Lärm, sondern um Sex und Sehnsucht. Über die Ekstasen eines Stoikers
von Tobias Stenzel
062 Lebenswelt
3 A für den Neuen Menschen
Würden Lebensentwürfe nach ihrer zweckrational-wirtschaftlichen Verwertbarkeit beurteilt, bekämen wir für unser Bemühen zweifellos die Bestnote.
von Marc Hieronimus
071 Phosphoriszierende Prosa & Lyrik
Mein magischer Stein
Meditation über Ekstase en bloc.
von Bdolf
072 Philosophistik & Misosophie
Ekstasen der Selbstsabotage
Klaus-Jakob Wahrig reagierte auf die Bewusstseinskrise seiner Zeit durch eine Philosophie der radikalen Selbstkritik des denkenden Ichs, die Motive der Konzeptkunst vorwegnahm.
von Rüdiger Spiegel
074 Politik
Another Brick in the Walhalla
Über ekstatischen Stolz, deutsche Identität und den altehrwürdigen Föderalismus. Eine Schlechtwetterreise zur „Gedenkstätte für bedeutende Persönlichkeiten teutscher Zunge“
von Michael Helming
083 Phosphoriszierende Prosa & Lyrik
Erlöst vom Strafplaneten
Franz-Xaver Schloch, der Held aus Schland – heute in: „Ekstase – die Erlösung vom Strafplaneten™“
von Bdolf
084 Kurz und Klein
Kurz und Klein 54
Rezensionen aktueller Buchtitel in unter 800 Zeichen.
von Bdolf, Jonis Hartmann, Timotheus Schneidegger, Wolfgang Schröder
086 Philosophistik & Misosophie
Der tragbare Gedanke 54
Kleine Texte zum langen Nachdenken nach kurzem Lesen.
von Filbinger, Marc Hieronimus, Michael Helming, Wolfgang Schröder
088 Philosophistik & Misosophie
Ekel und Emanzipation
„Weitermachen! “, steht auf Herbert Marcuses Grabstein geschrieben. Womit gesagt ist, dass das nicht selbstverständlich ist.
von Martin Gohlke
096 Lebenswelt
Viehlosovieh: Frosch
Wenn Froschsein zur Plage wird, dann schaffen naturwissenschaftliche Untersuchungen oder aber die gute Küche Abhilfe, so ist es seit alters her Brauch.
von Michael Helming
098 Philosophistik & Misosophie
„Nur sich selbst nicht verlieren!!!“
Zum Start der neuen Reihe „Philosophen in Uniform“: Wie Ludwig Wittgenstein an die k.u.k. Uniform kam, was er im Ersten Weltkrieg erlebte und wie das den Tractatus formte.
von Georg Frost
107 Philosophistik & Misosophie
Pro Domo et Mundo 54
Sentenzen für Latrinentür und Rasierspiegel
von Wolfgang Schröder
Zusätzliche Information
Gewicht | 300 g |
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Größe | 21 × 30 cm |