Links der Woche, rechts der Welt 37/19

Der Populist in uns

Sind Populisten etwa die wahren Demokraten? Rebekka Reinhard und Thomas Vašek glauben den Rechtspopulisten in der ZEIT mal ihre unbedingte Rechthaberei und den Affekt gegen Fremdbestimmung – und verstehen sie sodann als Frage, die sich die Demokratie selber stellt. (08.09.19)

 

Was treibt die Menschen dahin?

In der Arbeitswelt lassen wir uns Dinge gefallen, die uns in jedem anderen Lebensbereich sofort auf die Barrikaden brächten, wie Christian Baron im Freitag anschaulich macht: Die abhängige Erwerbstätigkeit ist eine erstaunlich normale Tyrannei. (09.09.19)

 

#MeToo für Altphilologen

Wer in der Schule Latein hatte, weiß, dass es in den antiken Texten nicht zimperlich zugeht. Katharina Wesselmann fragt in der ZEIT, was man den Kindern im Lateinunterricht eigentlich an sexueller Gewalt und Frauenverachtung zumutet und wie schwierig es für Lehrende ist, einen vernünftigen Umgang damit zu finden. (10.09.19)

 

Misstrauen als neue German Angst

Konstrukteure von Panic Rooms müssten volle Auftragsbücher haben, dem ist aber nicht so. Nils Markwardt erklärt sich das in der ZEIT mit dem Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Erregung. Allerdings ist das Schwinden von Ängsten alles andere als ein Grund zur Entwarnung, wenn sie bloß dem Misstrauen weichen. (12.09.19)

 

Besser Fuck als ach und weh

Es ist schön, zu nörgeln und zu jammern, gibt Manuel Müller in der NZZ gerne zu, denn man findet damit schnell Gesellschaft. Viel besser aber ist es zu fluchen, bestätigen auch Shakespeare sowie eine Studie: Schimpfwörter helfen bei der Stress- und Schmerzbewältigung. (14.09.19)

(Photo: geralt, Gerd Altmann, pixabay.com, CC0)

Bücher

Der Freitag rezensiert Antje Schrupps Buch über die exklusive Fähigkeit „Schwangerwerdenkönnen“ und deren gesellschaftliche sowie philosophische Komplikationen. +++ Der Kampf gegen den Tod ist ein wichtiger Topos im russischen Denken: Die FAZ bespricht Anya Bernsteins Buch über Phantasien der Todesbewältigung in der Kultur Russlands. +++ Der Standard staunt, wie es Armin Nassehi in seinem Buch gelingt, seine These, digitale Techniken seien Erben der Mustererkennung und darum so erfolgreich, gegen Kritik und Einwand zu immunisieren. +++ Was hielte Marx vom Gerede von der Industrie 4.0? Der von Sabine Nuss und Florian Butollo herausgegebene Sammelband „Marx und die Roboter“ wird im Freitag vorgestellt. +++ Die NZZ unterhält sich mit dem Zukunftsforscher Matthias Horx anlässlich seines neuen Buchs, in dem er mit seiner Zunft und ihrem „Future-Bullshit“ abrechnet und fast esoterisch wird. +++ In der Debatte um die Mobilitätswende ist das E-Auto auch nur ein Placebo. Timm Koch erklärt in seinem Buch, „wie wir mit Wasserstoff die Zukunft erobern“, und der Freitag stellt es vor. +++ Hans Magnus Enzensberger wird bald 90 und schreibt weiterhin ein Buch nach dem anderen. Der Standard stellt einige der jüngsten vor, die sich mit heimlichen Experten (vgl. LW41) und dem frei anekdotischen Umgang mit dem eigenen Leben (vgl. LW38) befassen.

 

Radio

Über das Verhältnis zwischen Literatur und Philosophie diskutieren Michael Wittschier und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5. Im DLF kommt heute die Lange Nacht über Robert Schumann. Morgen geht es bei Essay und Diskurs mit Jaime Labastida um Alexander von Humboldt aus lateinamerikanischer Sicht. Sensibilität und Walter Benjamin in Marseille sind einige der Themen morgen bei Sein und Streit.

 

Die Unordnung der Dinge

Welchen Beitrag leistet das Internet zum Aufstieg des Rechtspopulismus? Eine Studie, die in der SZ vorgestellt wird, hat die Mechanismen und Taktiken in Sozialen Medien untersucht. +++ Für den Freitag hat sich Jakob Augstein mit Isa Sonnenfeld, Jan Fleischhauer und Stefan Aust über Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen der Meinungsfreiheit unterhalten. +++ Arno Widmann wiederum spricht mit Philip Kovce in der FR über das bedingunglose Grundeinkommen zwischen spätrömischer Dekadenz und Milton Friedman. +++ Lustfeindlicher Islam? Telepolis unterhält sich mit dem Islamwissenschaftler Ali Ghandour über das unterdrückte erotische Erbe der Muslime. +++ Die taz portraitiert die Medienkritikerin Samira El Ouassil, die in einer Seifenoper mitspielte, Kanzlerkandidatin war und das ubiquitäre Gerede mit reiner Vernunft angeht.

 

Berichte aus der Akademie

Lustige Tierphotos: Spektrum zeigt einige Finalisten des Comedy Wildlife Photography Award 2019. +++ Vor 100 Jahren wurde die verbindliche Grundschule für alle eingeführt und die FAZ blickt auf die Feierreden zu diesm Anlass. +++ Welche Hochschulen am meisten Drittmittel reinholen ist ebenfalls in der FAZ nachzulesen. +++ In der Forschung längst Standard, kommt die Digitalisierung in der Lehre mit KI, VR usw. kaum über Nöte, Planungen und Absichten hinaus, wie der Tagesspiegel an einigen Beispielen zeigt. +++ Kann eine Maschine, Urheber oder Autorität, verantwortlich oder gar schuldig sein? Roland Fischer breitet bei Telepolis interessante Fragen der Maschinenethik aus, die auch für Menschen relevant sind. +++ Die SZ blickt auf die überraschend komfortable Situation der (Groß-)Verlage im Boom von Hörbüchern und digitalen Medien und der Text ist schon wegen dieses Satzes verlinkenswert:

„Wer sich einmal bei der Frage erwischt hat, inwiefern Friedrich Schillers hochtrabende Selbstermächtigungsrhetorik möglicherweise den deutschen Gaskrieg schon in der DNA trug, ist für das Streaming-Geschäft im Grunde schon verloren.“

 

Trotz Philosophie

„Warum hat der Raum drei Dimensionen und nicht mehr oder weniger?“ Dieser Frage geht Matthias Warkus in seiner Spektrum-Kolumne nach. +++ Die ZEIT hat alle Reden des deutschen Bundestags durchsuchbar gemacht und in den Datensätzen erstaunlich wenig Philosophie gefunden. +++ Georg Seeßlen rekapituliert im Freitag mit gewohnter Klugheit unser mehrfach ambivalentes Verhältnis zum Wald als Mythos und System. +++ Da hat man was verpasst: Die SZ berichtet von einem Abend mit Alexander Kluge und Helge Schneider im Literaturhaus München. +++ Der Tagesspiegel ruft dem Philo-Prof, Künstler und Adligen Rudolf zur Lippe nach, der mit 82 Jahren gestorben ist. +++ Florian Freistetter stellt bei Spektrum klar, was es mit dem angeblich gelungenen mathematisch-logischen Gottesbeweis auf sich hat, der auf einer Fingerübung Kurt Gödels basiert. +++ Der Berliner Erzbischof Heiner Koch würdigt im Tagesspiegel den segensreichen Einfluss Alexander vom Humboldts auf die katholische Kirche. +++ Der Tagesspiegel freut sich über das neue Design des Philosophie Magazins, das außerdem gerade recht erfolgreich Geld sammelt. Das ist natürlich nüscht gegen den neuen Lichtwolf zum Thema Todesarten, der in einer Woche in den Briefkästen unserer schönen und klugen Abonnentinnen landet.

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