Nächstenliebe allein reicht nicht
Professor em. Dr. Dr. h. c. mult. (!) Otfried Höffe überlegt in der FAZ, ob sich aus dem Christentum trotz oder wegen seines Universalanspruchs eine allgemeine „sozialethische Grammatik“ ableiten lässt. Dazu schaut er zunächst, wie christlich sich christlich nennende Politiker handeln und was die christliche Soziallehre zu aktuellen Herausforderungen zu sagen hat. (28.05.19)
Einigermaßen besorgt fragt Lars Jaeger bei Telepolis, ob die Gentechnik auf dem Weg ist, Künstliches Leben hervorzubringen, was eine neue Qualität jenseits bloßer Eingriffe in bestehendes Erbgut wäre (die ja schon genug ethische Fragen aufwerfen) und sagenhafte Möglichkeiten eröffnet. (02.06.19)
Der Kapitalismus ist und bleibt das Beste
Der Historiker Rainer Zitelmann hat im Finanzbuch-Verlag ein Buch über „Vorurteile über [sic!] eine beneidete Minderheit“, also die Reichen, geschrieben und darf in der NZZ erklären, Philosophinnen kritisierten die Vermögenden nur aus Neid und ohne jede Ahnung oder Einsicht in den segensreichen Kapitalismus. (03.06.19)
Die Antiquiertheit des Menschen
Die Fortschrittsideologie ist so schwer aus den Köpfen zu kriegen, weil die Hoffnung auf technische Lösungen uns das Ringen um politische erspart, auch wenn wir damit unsere Menschlichkeit aufs Spiel setzen, wie Wolfgang M. Schmitt im Freitag schreibt. (04.06.19)
Für die ZEIT hat Silke Weber mal einige Beispiele aufgeschrieben, wie Philosophische Praxen arbeiten, mit Lebensberatung gutes Geld verdienen und immer beliebter und zahlreicher werden, weil die Sinn-Nachfrage global steigt, ob nun auf dem Bock oder im Chefsessel. (05.06.19)
Das Alt-Right-Versteher-Blatt NZZ lässt seinen Washington-Korrespondenten Marc Neumann die intellektuellen Trump-Anhänger portraitieren, die im fantafarbenen Riesenbaby den Retter der Verfassung vor dem hegelschen Staatsbegriff sehen, der sich in den USA seit den 1960ern breitgemacht habe. (08.06.19)
Bücher
Ralph Waldo Emersons Essay „Natur“ hat Nietzsche und Thoreau, Emily Dickinson und Walt Whitman geprägt und liegt laut SZ nun in einer Neuübersetzung vor. +++ Mit Armen Avanessians „Metaphysik zur Zeit“ und Daniel Falbs „Geospekulationen“ bespricht der Freitag zwei neue Bücher zur Philosophie im Anthropozän. +++ Ger Groot hat ein Buch darüber geschrieben, wie sich das alte Ringen der Philosophie mit der Religion in Kunst und Popkultur widerspiegelt, und die taz lässt sich nicht von kleinen Schönheitsfehlern stören. +++ Olaf L. Müller wiederum hat ein Buch über Ästhetik in der Naturwissenschaft und den erkenntnistheoretischen Wert der Schönheit geschrieben, das der ZEIT am Ende aber doch zu weit geht.
Bild und Ton
„Liu Xiaobo, der 2017 in chinesischer Haft gestorbene Friedensnobelpreisträger, war auch eine der Schlüsselfiguren der Demonstrationen auf dem Tiananmen-Platz, die vor dreißig Jahren blutig niedergeschlagen wurden“, wie die FAZ schreibt und eine arte-Doku empfiehlt, die zum 30. Jahrestag des Massakers gezeigt wird und noch bis Anfang Juli in der Mediathek steht.
Letzten Samstag gab es keine Links der Woche, weil die Lichtwolf-Redaktion auf der 25. Mainzer Minipressenmesse weilte. Wie es dort zuging, können Sie in der in knapp zwei Wochen erscheinenden Sommerausgabe lesen (Abo?) oder in der SWR-Sendung „Landesart“ ankieken. (Und drei Mal dürfen Sie raten, wer mit der „fast anarchistischen Philosophie-Zeitschrift“ gemeint ist, von der bei 6:50 die Rede ist…)
Letzte Woche ging es im Philosophischen Radio des WDR 5 um Jean-Jacques Rousseau, diese Woche um den Patriotismus mit Thea Dorn. Nicht nur James-Bond-Fans können sich auf die Lange Nacht des Ian Fleming heute im DLF freuen, wo es morgen und übermorgen früh in Essay und Diskurs einen zweiteiligen Radioessay von Ursula Krechel über Traumarbeit und Initiationsträume gibt. Sein und Streit sendet morgen live von der phil.cologne u.a. ein Gespräch mit Bernhard Schlink über das Böse.
Berichte aus der Akademie
Nicht nur Hörsäle sind überfüllt, wie die FAZ aus der Uni Frankfurt meldet, wo Studis es schwer haben, einen Ort zum Lernen zu finden. +++ Kurzerhand dichtgemacht wird das Institut für deutsche Sprache und Literatur der TU Dortmund und die FAZ vermutet dahinter ein Machtspielchen der Hochschulleitung. +++ Der Standard unterhält sich mit dem Informatiker Bernhard Schölkopf, der Künstliche Intelligenz recht entspannt sieht – außer in militärischen Anwendungen. +++ Bei Spektrum geht es um aktuelle neurowissenschaftliche Untersuchungen dessen, was bei besonders kreativen Menschen im Gehirn vor sich geht.
Michel Serres †
Ende Mai ist der französische Philosoph Michel Serres mit 88 Jahren gestorben. In der FR würdigt ihn Arno Widmann als großen Erzähler, der dem Menschen seinen Platz im Universum zuwies. Serres war ein gut gelaunter und agiler Denker, der, wie Joseph Hanimann in der SZ schreibt, dem Wissen als Bewegung über Zeit-, Ort- und Fächergrenzen hinweg nachspürte. Cord Riechelmann nennt Serres in der taz den letzten Strukturalisten.
Die Unordnung der Dinge
Isolde Charim erklärt im Videoformat „NZZ-Standpunkte“, wieso die Pluralisierung der Gesellschaften einige überfordert und Populismen hervorbringt. +++ Die SZ beschäftigt sich anlässlich eines Merkur-Essays mit dem pseudophilosophischen Gerede von Thymos und entmännlichter Gesellschaft, das in der rechten Ecke gepflegt wird. +++ Grün-Rot-Rot könnte die politische Kraft werden, der die notwendige Große Transformation im und durch den Kapitalismus gelingt, wie im Freitag zu lesen ist. +++ Der Hamburger Vorstoß, das sogenannte Containern zu legalisieren, wurde im Bundesrat abgeschmettert, was Hatice Akyün im Tagesspiegel zum Anlass einer Polemik gegen die deutsche Verbraucherschutzpolitik nimmt. +++ Der neoliberale Komiker Vince Ebert darf bei Spektrum mit allerhand Studien begründen, warum an alle gedacht ist, wenn jeder an sich selbst denkt.
Trotz Philosophie
Eratosthenes war Philosoph, Astronom, Mathematiker und Geograph, der – obwohl keine Zeile von ihm überliefert ist – bleibenden Einfluss auf die Welt nahm, wie im Portrait bei Spektrum zu lesen ist. +++ Janina Loh habilitiert sich gerade über posthumanistische Elemente in Hannah Arendts Werk und gibt im Freitag-Interview Auskunft über den Stand der Roboterethik. +++ „Wo wären wir ohne Kant!“, rief man auf einer Berliner Tagung über den prägenden Einfluss des Königsbergers, von der die SZ berichtet. +++ Auch in Russland hat Kant treue Leser, was die FAZ mit einigen Episoden aus der russischen Besatzung Königsbergs zu Kants Zeiten erklärt. +++ Die 1945 gegründete Zeitschrift Les Temps Modernes ist verbunden mit intellektuellen Größen wie Sartre, Beauvoir und Merleau-Ponty und wird nun, wie die taz meldet, eingestellt.