Links der Woche, rechts der Welt 10/21

Dem ewigen Menschentum

Arno Kleinebeckel erinnert bei Telepolis an die anthropologische Kapitalismuskritik Max Schelers und fragt, was der entmenschende Quantifizierungswahn und zuletzt die Corona-Pandemie aus dem Individuum gemacht haben.

Die Evolution des Menschen geht weiter und Spektrum sichtet einschlägige Studien, die die faszinierenden Extras beleuchten, über die einige Mitmenschen bereits verfügen, und klarstellen, dass die Entwicklung – anders als deren menschliche Steuerung – kein bestimmtes Ziel hat. Somit besteht noch Hoffnung für die deutsche Kartoffel, der Marion Detjen in der ZEIT rät, sich endlich in der Einwanderungsgesellschaft zu entspannen, in der auch Nichtkartoffeln mal was sagen.

Eine Studie über die psychosozialen Triebkräfte von Impfgegnerschaft und Verschwörungsglaube stellt Spektrum vor und im Philosophischen Radio des WDR 5 unterhalten sich Bettina Schöne-Seifert und Jürgen Wiebicke über das Recht auf assistierten Suizid.

 

Liebe, Linke, Frauen

Arno Widmann erinnert in der FR an Rosa Luxemburg, die in diesen Tagen 150 Jahre alt würde und stets die Aufklärung der Massen dem Paternalismus der Kader vorzog. Die taz berichtet über einen Vortrag Naghmeh Sohrabis über Liebe im linken Widerstand des Irans der 1970er.

(Photo: justinkilian1, pixabay.com, CC0)

Rebecca Buxton und Lisa Whiting haben einen Band herausgegeben, der die Philosophiegeschichte anhand ihrer weiblichen Protagonisten erzählt, und dem Standard entgeht die Ironie, dieses Buch zum Weltfrauentag zu empfehlen.

Vor einer Weile versuchte Ralph Altmann bei Telepolis, das Marxsche Wert-Konzept mit physikalischen Metaphern zu veranschaulichen. Wie üblich in der Linken wird nun über die Methode gestritten: Heinrich Harbach und Werner Richter erklären ebenfalls bei Telepolis, warum man es sich nicht so leicht machen kann.

 

Was kann man damit machen?

Den Hang der MINT-Fächer, alles mögliche zu simulieren, betrachten Geisteswissenschaftlerinnen mit Spott, Argwohn und Neid. Leif Scheuermann schreibt im Standard zunächst eine kleine Ideengeschichte der Simulation und denkt dann über Chancen und Grenzen von simulierter Geschichte nach. Statt „Assassin’s Creed: Odyssey“ zu zocken, lesen viele halt lieber Bücher wie Holger Sonnabends Große Errungenschaften der Antike“, das Spektrum rezensiert.

Murray Shanahan war u.a. KI-Berater des KI-Films „Ex Machina“ und nun liegt auch auf Deutsch sein Buch über die „technologische Singularität“ vor, in dem er laut SZ mit Wittgenstein das fremdartige Denken einer uns überlegenen KI skizziert.

Dass man mit Geisteswissenschaften allgemein und Philo im Besonderen nicht reich wird, wissen Sie schon, dürften aber dennoch von der FR überrascht werden, die ein Ranking der Studienabschlüsse mit den schlechtesten Verdienstmöglichkeiten bringt; wenn Sie wissen, wo man mit Philosophie-Magister im Schnitt 4.333 brutto verdient, melden Sie sich mal. Vielleicht in der Pandemie-Bekämpfung? Die FAZ kommentiert u.a. einen einschlägigen Aufsatz aus der DZPhil, der zeigt, welche Hilfe Philosophie bei der Güterabwägung in einer Krise sein kann.

Oder im Radsport? Über dessen Verbindung zur Philosophie macht sich die taz Gedanken. Oder halt gleich ins (nach wie vor geschlossene) Kaffeehaus – im DLF mit der heutigen Langen Nacht über den Dichter Peter Altenberg.

 

Schwierige Fragen?

Kann man heute noch Heidegger lesen? Hans Ulrich Gumbrecht sagt in der NZZ ja, denn dank des Todtnaubergers exaltierten Jargons hat er für jeden etwas zu bieten und bringt durch den gedanklichen Gleichschritt mit dem Nationalsozialismus noch den Reiz des Verbotenen mit. Der schwierigen Frage, wann berechtigte Kritik in Moralismus kippt oder als solcher abgetan wird, haben Christian Neuhäuser und Christian Seidel einen Sammelband gewidmet, der in der FAZ vorgestellt wird.

Wenn man Widerstand leistet gegen einen Verwaltungsakt, der geltendes Recht durchsetzen soll, begeht man dann Unrecht oder bekämpft man es? Über diese Frage, die der Staat in Belarus auch, aber anders als im Hambacher Forst stellt, denkt Alexander Amethystow in der dissensorientierten Zeitschrift Tseyvl nach. Die nächste Ausgabe einer anderen obskuren Zeitschrift (zum Thema „unterirdisch“) ist im Druck und in zwei Wochen in den Briefkästen ihrer Abonnentinnen.

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