Links der Woche, rechts der Welt 11/21

Die Unordnung der Dinge

Nicht zufrieden ist die taz mit Gerd Schwerhoffs Geschichte der Blasphemie, die dem Thema unangemessen langweilig und eurozentristisch daherkommt. Auch Stefan Weidners ideenarchäologische Erkundung der politischen Weltlage von Spätkapitalismus über 9/11 bis zur Corona-Pandemie enttäuscht die SZ.

Gedenken ist kein Nullsummenspiel, wie Michael Rothberg meint: Sein Buch über „multidirektionales Erinnern“ wird in der FR vorgestellt. Ralph Altmann derweil argumentiert bei Telepolis dafür, das Wort „Nationalsozialismus“ endlich als den bis heute beliebten Etikettenschwindel zu entsorgen, der es ist.

Anne Applebaum hat im eigenen Bekanntenkreis miterlebt, wie tief die politischen Gräben in Polen geworden sind, und geht in ihrem in der FAZ vorgestellten Buch dem Aufstieg der rechtsnationalen PiS-Partei nach – mit düsteren Lektionen für den Rest der Welt.

Antonia Baum schreibt in der ZEIT einen offenen Brief gegen offene Briefe.

 

So sind wir halt

Die Organisationssoziologie hat Georg Simmels Überlegungen zu verschieden situierten Konkurrenzverhältnissen weitergedacht und wirft laut FAZ Fragen auf, die man sich im Exzellenzrummel besser nicht stellt.

Wie andere ökonomischen Theorien den Menschen korrumpiert haben, hat Jonathan Aldred in einem Buch beschrieben, das Spektrum rezensiert. Mundus vult decipi: Theodor Schaarschmidt erklärt bei Spektrum, warum wir uns betrügen lassen, selbst wenn wir es besser wissen und vielleicht sogar, wie Studien suggerieren, über einen Riecher für Nepp verfügen – den aber besonders gewiefte Betrüger auszutricksen verstehen. Auch die Erde ist selten so, wie sie auf Weltkarten erscheint, denn eine zweidimensionale Darstellung der Erdoberfläche ist erstaunlich knifflig, wie die SZ beschreibt.

(Photo: geralt, Gerd Altmann, pixabay.com, CC0)

Science-Fiction aktuell

2017 rauschte mit ‚Oumuamua ein interstellares Objekt an der Erde vorbei, das von den meisten für einen Asteroiden gehalten wird, von Avi Loeb jedoch für ein außerirdisches Sonnensegel. In seinem in der SZ vorgestellten Buch beschreibt er seine These, aber vor allem den unwissenschaftlichen Widerstand dagegen.

Die meisten KI-Forscherinnen konzentrieren sich nur auf das Machbare, dagegen versucht sich Stefan Bauberger an einem holistischen Blick auf lernende Maschinen in unserer Gesellschaft und Spektrum empfiehlt sein Buch allen, die darin etwas zu sagen haben. Jubel dagegen in Garching, wo man auf dem Weg zum Quantencomputer made in Germany laut FAZ einen Schritt weitergekommen ist.

 

Ein Jahr Stubenarrest

Seit einem Jahr hocken wir nun zu Hause und gehen nur zum Einkaufen vor die Tür. Seit einem Jahr wurde und wird massenhaft über die Pandemie geschrieben, nun zieht Georg Diez in der ZEIT die ernüchterte Bilanz: Hoffnungen auf eine bessere Gesellschaft danach sind verpufft, es regiert die Angst und der Linken fällt nichts dazu ein.

Mark Siemons nimmt sich in der FAZ noch einmal Agambens Argumentation vor, in der Corona-(wie auch in der Sterbehilfe-)Debatte würde das von Theaterbesuchen erfüllte Dasein aufs nackte Überleben reduziert. Dass der Onlineunterricht im Lockdown doch keine Vollkatastrophe war, legt eine Befragung nahe, die ebenfalls in der FAZ zusammengefasst wird. Hätte, hätte, Panzerkette: Um zu klären, ob und inwiefern man beim Pandemie-Management von Staatsversagen sprechen kann, blickt Matthias Warkus in seiner Spektrum-Kolumne auf die Grundlagen der Handlungstheorie. Thomas Walli geht im Standard mit Habermas der Frage nach, wie Wissenschaft und Politik in der Pandemie besser kooperieren können, ohne dass es zur platonischen Philosophenherrschaft kommt, und die ZEIT unterhält sich mit Martin Hartmann über nötiges und verlorenes Vertrauen im Alltag und der Pandemie.

Harald Welzer bekennt in der taz aller Belesenheit zum Trotz seine Ratlosigkeit darüber, wie schnell und umfassend sich völlig normale Menschen in Corona-Verschwörungstheorien hineinradikalisieren. Schopenhauer dagegen hätte kein Problem mit dem Lockdown, wie die WELT meint und seine „Aphorismen zur Lebensweisheit“ empfiehlt.

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