Links der Woche, rechts der Welt 26/18

Von der Quantenphysik zu Trump

Was haben Quantenphysik und Populismus miteinander zu tun? Lars Jaeger bemerkt bei Telepolis, dass sich Trump durchaus wie ein Quantensystem verhält – was gar nicht so abwegig ist: Die Erschütterung absoluter Gewissheiten durch Quantenphysik und Relativitätstheorie hinterließ eine Verunsicherung, die großmäulige Vereinfacher erfolgreich für sich nutzen können. (24.06.18)

 

Zu Fuß denken

Aus dem Philosophie Magazin zum Thema Wandern hat die ZEIT den Essay von Florian Werner übernommen. Darin denkt er über die Pilgerschaft als edelste Gebrauchsform des Gehens nach, die Spiritualität mit Körperlichkeit verbindet und viel mit der philosophischen Wanderung zu tun hat, aber auch im Protestmarsch noch Widerhall findet, nicht jedoch in der Latsch-Performance. (24.06.18)

 

Die Autorität im Internet

Alle Internetdomains werden von einer einzigen Organisation, der ICANN mit Sitz in den USA verwaltet. Das gibt ihr enorme Autorität und Daniel Jacob fragt sich im theorieblog, wie viel davon unter dem politikwissenschaftlichen Gesichtspunkt der „Internet Governance“ notwendig und legitim ist. (25.06.18)

 

Die Wurzeln der BRD in Oxford

Auch vor 70 Jahren gab es einen Aufbruch der europäischen Jugend: Jürgen Overhoff erinnert in der FAZ an das Jahr 1948, als man in Oxford „den Westen“ begründete. Mit dabei war die heute 94-jährige Eva-Maria Dahlkötter, die auf ihre lebenslange Prägung für ein europäisches Deutschland zurückblickt. (27.06.18)

 

Soziologie der Warteschlange

Maren Lehmann spießt in der FAZ einige Äußerungen unseres politischen Fachpersonals aus Bäckerei und Straßencafé auf, in denen sie die Intoleranz (im Wortsinn) für den Einzelfall wittert und sodann aufzeigt, welch soziologisches und politisches Faszinosum Warteschlangen sind. (27.06.18)

 

Was ist ein Plagiat gegen eine Fassbombe?

Schon vor dem Bürgerkrieg war die Lage der syrischen Hochschulen keine ganz einfache, wie Joseph Croitoru in der FAZ beschreibt. Seither hat sich das Bild noch mehr verdüstert, was ein Fälschungsunwesen begünstigt hat, das die Zeugnisse der nach Deutschland geflohenen Akademiker in Frage stellt. (27.06.18)

 

Franziskus braucht keine Stütze

Hans Ulrich Gumbrecht irrlichtert in der NZZ darüber, wie würdevoll es sich seiner US-amerikanischen Wahlheimat auf der Straße leben lässt. Ist der Paternalismus des Wohlfahrtsstaats am Ende für die Bedürftigen nicht genauso eine Zumutung wie für den sesshaften Steuerzahler? (29.06.18)

(Photo: Christine Sponchia, pixabay.com, CC0)

Bücher

Rotlicht: Dirk Baecker weist in seinem Hypotheses-Blog auf Andreas Ziemanns historisch-soziologische Studie über das Bordell hin. +++ Der Freitag stellt Marco d‘Eramos Kulturgeschichte des Tourismus vor, wonach das ersehnte Reise- und Erlebnisziel „Authentizität“ wie der Horizont ist, den man nie erreicht. +++ Eher gelangweilt ist man beim Freitag von Slavoj Žižeks buchgewordenem Vorwurf an die Linke, mit identitätspolitischen Fragen davon abzulenken, sich im System ganz gut eingerichtet zu haben. +++ Die FAZ ist fasziniert von der Edition der Briefwechsel Hannah Arendts, gerade weil sie darin nicht mit Personen des öffentlichen Lebens, sondern ihren Freundinnen korrespondiert. +++ Der Troll ist im Internet etwas anderes als im Mythos, so, wie Spam im Postfach nichts mehr mit dem Monty-Python-Sketch über Dosenfleisch zu tun hat. Die WELT bespricht die Spurensuche des Altgermanisten Rudolf Simek über den Troll „von der nordischen Mythologie bis zum Internet“. +++ Die NZZ rezensiert die von David Gugerli verfasste Technikgeschichte des Computers, in der das Verhältnis von Denken, Macht und Welt eine wichtige Rolle spielt. +++ Außerdem bespricht die NZZ Axel Honneths neues Buch zu seinem alten Thema, dem Begriff der Anerkennung, dessen recht unterschiedliche Auffassung in Frankreich, England und Deutschland er nachzeichnet. +++ Im Land der Dichter und Denker hat es Lyrik schwer, im Nahen Osten nicht so sehr: Die NZZ stellt übersetzte, aktuelle Gedichtbände aus Syrien vor. +++ Gerhard Henschel freut sich auf der Wahrheitsseite der taz auf die faksimilierte Ausgabe von Franz Beckenbauers Handexemplar der „Kritik der reinen Vernunft“…

 

Radio

Ludwig Siep und Jürgen Wiebicke unterhalten sich im Philosophischen Radio des WDR 5 über Fragen des Glücks. Heute Abend ab 23:05 Uhr gibt es im DLF die Lange Nacht über die etwas andere spanische Musik (Nix Flamenco!) und morgen früh kommt um 9:30 Uhr bei Essay und Diskurs ein Feature über historische Reden von Frauen. Mittags ist bei Sein und Streit u.a. der Transhumanismus Thema.

 

Title IX unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Gegen die Germanistin Avital Ronell wurde – wie letzte Woche kurz bemerkt – ein Verfahren wegen „sexueller Verfehlungen“ angestrengt. Die NZZ kann sich ein süffisantes Grinsen darüber nicht verkneifen, wie schnell sich Judith Butler, Slavoj Žižek und andere für die Beschuldigte in die Bresche warfen und die „politisch-korrekte Revolution an den Unis ihre progressiven Kinder“ frisst. Anna-Lena Scholz fasst für die ZEIT gelassener zusammen, was man über die Angelegenheit weiß, was nicht und was es zu bedenken gilt.

 

Ob und wie man über andere redet

Der Tagesspiegel fasst die Diskussionen der phil.cologne zusammen, wie eine diskursive Demokratie im Zeitalter von Spektakel und Hassrede zu retten sei. +++ Die FR unterhält sich mit Peter Singer über Redefreiheit, mit deren Einschränkung er seine Erfahrungen gemacht hat (siehe LW50). +++ Außerdem erinnert die FR an Fritz Bauer, den vor 50 Jahren verstorbenen und zeitweise völlig vergessenenen Chefankläger im Frankfurter Auschwitzprozess. +++ Der Standard portraitiert die engagierten Intellektuellen, die noch am emanzipatorischen Projekt der Aufklärung festhalten, obwohl das Pendel des Zeitgeists in Richtung völkischen Aberglaubens umzuschlagen scheint. +++ Die Neue Rechte ist an den Fleischtöpfen des Bundestags angekommen, wie Andreas Speit in der taz aufzeigt und eine knackige Übersicht der AfD-Netzwerke, ihrer „Vordenker“ und Feindbilder gibt. Eine ausführliche Dokumentation gibt es unter: www.taz.de/netzwerkafd +++ Lisa Frieda Cossham denkt in der ZEIT über Hass, Ohnmacht, Identität und Empathie nach. +++ Im Freitag nimmt Jürgen Roth die Vorwürfe, einige SZ-Karikaturen befleißigten sich des Stürmer-Stils, zum Anlass, mit dem kneipen- und humorfeindlichen „inquisitorischen Wahn“ abzurechnen. Sophie Passmann antwortet ihm, er könne an seinem Altherrenstammtisch sitzen bleiben oder einfach mal in eine heutige Witzschmiede mit Bierausschank mitkommen. +++ Vera Kohlmeyer-Kaiser ist als Juristin in der „Anti-Abschiebe-Industrie“ (Alexander Dobrindt) tätig und gibt bei den Blättern einen Blick hinter die Kulissen der hiesigen Asylpraxis. +++ Seyla Benhabib erklärt im FR-Interview, was an der Debatte um und an der Flüchtlingspolitik selbst schiefläuft und wie Kant hülfe. +++ In der WELT erklärt Hannah Lühmann in sechs Absätzen, „Was Sie über den Orient wissen müssen“ (für Edward Said war kein Platz).

 

Das Weitere und Engere

Laut UN-Weltdrogenbericht werden auf der Erde immer mehr Drogen genommen (weil im Kapitalismus Wohlstand, aber keine Wohlfahrt produziert wird), wie die ZEIT mitteilt. +++ Der Physiker Michio Kaku gibt ein strahlendes Bild von einer Zukunft, in der die Technologie den Menschen von allem Übel erlöst, und die NZZ ist alles andere als begeistert. +++ Ulrich Herb rekapituliert bei Telepolis, was von Open Access als Hoffnungsträger für autonomes wissenschaftliches Publizieren übrig ist. +++ Bersarin berichtet in seinem Aisthesis-Blog von der 29. Hegelwoche in Bamberg. +++ Nichts Neues für Tierfreunde: Auch Pferde können Menschen lesen und lassen sich dabei nicht so leicht veräppeln, wie die SZ meldet. +++ Wir müssen uns Konservative als glückliche Menschen vorstellen: Ebenfalls die SZ berichtet von einer Studie, wonach Konservatismus sinnstiftender ist als Liberalismus.

 

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