Literatur wird immer menschlich bleiben
Wird der Mensch doch nicht durch die Maschine ersetzt? Oliver Jungen erinnert in der FAZ an Douglas R. Hofstadters Würdigung menschlicher Selbstreflexivität, die sich vor allem in sprachlichen Phänomenen wie der Übersetzung zeigt, an denen Computer wohl ewig scheitern werden – Big Data hin oder her. (01.07.18)
Der Faschismus war nie erledigt, stattdessen hat sich „sich die radikale Rechte durchgesetzt“, wie Donatella Di Cesare in der ZEIT besonders, aber nicht nur für Italien feststellt. Intellektueller Eklektizismus und ideologische Flexibilität sind die Erfolgsfaktoren der rechten Agitatoren und ihrer populistischen Wegbereiter, denen die linke Avantgarde hilflos gegenübersteht. (01.07.18)
Zivilgesellschaft und Bürgerkrieg
Andreas Rosenfelder erinnert in der WELT an die „Pathogenese der bürgerlichen Welt“, die Reinhart Koselleck 1959 mit „Kritik und Krise“ vorlegte und mit Carl Schmitt und Thomas Hobbes einen politischen Kulturpessimismus gegen den Fortschrittsglauben in Stellung brachte. (02.07.18)
Die Hamburger Kunsthalle zeigt Katastrophenbilder aus 400 Jahren Kunstgeschichte und Hans-Joachim Müller hat sich für die WELT darin umgesehen. Sintflut, Erdbeben, Schiffsuntergänge und Großbrände gemahnen sowohl an die katastrophische Gegenwart wie an das medientheoretische Handwerkszeug, dass der Ästhetisierung des Schreckens zugrunde liegt. (03.07.18)
Der Mensch ist das größte Umweltproblem, weshalb der Antinatalismus für den Fortpflanzungsverzicht als einzig sinnvolle Maßnahme wirbt. Für die SZ hat sich Axel Rühle mit dem einsamen und höflichen Vordenker Théophile de Giraud getroffen und beschreibt, was ihn von Lebensskeptikern wie Cioran oder Misanthropen wie Schopenhauer unterscheidet. (04.07.18)
In der SZ beschreibt Kathrin Werner den verheerenden Brain Drain, den US-Universitäten gerade erleben, weil die großen IT-Konzerne alle Forscherinnen wegkaufen, die irgendwie mit dem Megatrend Künstliche Intelligenz zu tun haben und dann keinen wissenschaftlichen Nachwuchs mehr ausbilden können. (04.07.18)
Nachruf auf einen Großen des 20. Jahrhunderts
Für die FR würdigt Arno Widman den mit 92 Jahren verstorbenen Claude Lanzmann, der als junger Mann bei Sartre gelernt hatte, Herausgeber der „Temps Modernes“ wurde und mit dem neunstündigen Film „Shoah“ das Schweigen über den Holocaust ein für alle Mal beendete. (05.07.18)
ECTS, Mobilität, Ökonomisierung
Vor 20 Jahren wurde der Bologna-Prozess in Gang gesetzt, der Europas Hochschulpolitik grundlegend umgestalten sollte. Natalia Warkentin blickt in der FAZ zurück auf den politischen Anspruch der Reformen und ihre unerfreulichen Folgen für heutige Studierende. (05.07.18)
„irritierende Räume der Erkenntnis“
Die altehrwürdige NZZ beschäftigt sich mit Heavy Metal: Jörg Scheller widerspricht gleich mal dem Klischee von den Lärm gewordenen Allmachtsphantasien pickliger Tolkienleser und gibt eine kurze Kulturgeschichte mit vielen Youtube-Einspielern, die die metaphysischen, kulturkritischen und emanzipatorischen Wurzeln des Metals würdigt. (06.07.18)
Die Herausforderung des Gebots, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist die vorausgesetzte Selbstliebe. Marina Krakovsky stellt bei Spektrum das buddhistisch-psychotherapeutische Konzept des Selbstmitgefühls vor, wonach man mit sich selbst nach Fehlschlägen genauso umgehen soll, als wäre es einem guten Freund passiert. (06.07.18)
Social Bots sind berüchtigte Stimmungsmacher, simpel und trotz aller Unzulänglichkeiten erstaunlich effektiv, wie Anastasia Mehrens bei Telepolis bzw. in ihrem Beitrag zum Sammelband „Wenn Maschinen Meinung machen“ beschreibt. Die alten Konzepte von Propaganda, Zersetzung und Desinformation sind in sozialen Netzwerken damit aktueller denn je. (06.07.18)
„Region ist Heimat. Nation ist Fiktion.“
Robert Menasse, Milo Rau und Ulrike Guérot rufen demnächst die Republik Europa aus. Für die NZZ beleuchtet Martin Beglinger mit einiger Skepsis die Utopie von Vereinigten Regionen Europas ohne nationalstaatliches Gemauschel und den politischen Gegenwind aus allen Richtungen. (07.07.18)
Bücher
Dirk van Laak hat eine Geschichte der Infrastruktur moderner Gesellschaften geschrieben, die laut NZZ eine rasante und spannende Lektüre abgibt. +++ Nachgerade angekotzt dagegen ist die NZZ von Geoffroy de Lagasneries Plädoyer „Denken in einer schlechten Welt“. +++ Willi Jasper hat die KPD/AO mitbegründet und in „Der gläserne Sarg“ zurück auf den maoistischen Enthusiasmus, mit dem er als junger Kulturrevolutionär China verehrte. Die taz stellt das Buch vor. +++ In den gedruckten Ausgaben des Lichtwolf werden viele Themen der Links der Woche vertieft. Das aktuelle Heft zum Titelthema „Zeichen und Wunder“ betrachtet u.a. Mustererkennung und Zeichenanalyse von Maschinen oder die Hoffnung(slosigkeit) nach dem Schiffbruch. Eine gute Zeit, um es mal mit einem Abo zu probieren.
Das Weitere und Engere
Konstruktivismus heißt nicht Beliebigkeit, wie Matthias Warkus in seiner Kolumne bei Spektrum erklärt. +++ Ebenfalls bei Spektrum wird eine Studie vorgestellt, aus der sich drei Strategien für mehr entspannte Freizeit ableiten lassen. +++ Die FAZ verfolgt den Fortgang der Dinge in Sachen Belästigungsvorwürfe gegen und Solidaritätsbekundungen mit der Germanistin Avital Ronell weiter. +++ Jürgen Habermas warnte in seiner Preisrede zum Deutsch-Französischen Medienpreis die Elite vor dem Zerfall der EU, aber es hat sie wenig interessiert, wie die taz beobachtet. Ausgerechnet dem liberalen Europäer Habermas eine Mitverantwortung für den Rechtsruck zu geben ist ein Kunststück, das Joachim Lottmann in seinem weinerlichen WELT-Essay gelingt. +++ Eine künstlerische Intervention im Deutschen Buch- und Schriftmuseum in Leipzig analysiert das Logo der RAF und die WELT ist fasziniert von dieser semiotischen Entzauberung. +++ God Bless America: Brian Leiter feiert den 4. Juli mit einer praktischen Anwendung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. +++ Helmut Höge beschäftigt sich auf der Wahrheitsseite der taz damit, was Dressur aus den Tieren und den Dompteuren macht und wie der autoritäre Charakter auf vier Beinen aussieht.