Links der Woche, rechts der Welt 20/21

Wahn und Tod

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty forscht über Verschwörungsglauben und wird dafür Tag und Nacht mit Hassbotschaften überschüttet, wie die SZ schreibt. Ihr Kollege Sighard Neckel hat über Gier und Neid geforscht und gibt im FR-Interview Auskunft, wie und wo er seine vertrauten Themen in der Impfdebatte wiedererkennt.

Die ZEIT geht in loser Folge der Frage nach, was Freiheit bedeutet. Thomas Assheuer beleuchtet die Begriff nach über einem Jahr Seuche und Halb-Lockdown und entdeckt: Ein „unsichtbares Band verbindet Freiheit und Tod.“ Es verbindet auch den Wirtschaftsliberalismus mit dem Klimakollaps.

Sterbenlernen auf Diplom: Die taz berichtet über den neuen Master-Studiengang „Perimortale Wissenschaften“ der Uni Regensburg, in dem man sich systematisch mit Endlichkeit und Trauer – auch und besonders in der Pandemie – beschäftigt.

 

Disziplinen

Lob der Disziplinarität: Mit Interdisziplinarität setzt sich Jens Loenhoff in der FAZ vor allem kritisch auseinander, wenn sie bloßer Selbstzweck ist und die Eigentümlichkeiten der Geisteswissenschaften ignoriert.

Aber die Philosophinnen dürfen trotzdem in die Physik reinschnuppern: Stringtheorie für Laien bietet Michio Kaku, weil er Grundlagen und Zusammenhänge von Demokrit bis zur Atombombe darzustellen vermag, wie Spektrum urteilt. Aus der Wunderwelt der Quantenphysik berichtet die FAZ über neueste Versuche mit der Teilchenverschränkung und ihrer spukhaften Fernwirkung.

Robocop mit britischem Humor: In der Sci-Fi-Krimi-Serie „Code 404“ geht es laut FAZ um einen halbandroiden Polizisten im Dark-Future-England.

 

Menschenrechtsextremismus

Um die Menschenrechte ist es weltweit nicht gut bestellt. Wolfgang Kaleck resümiert in seinem in der SZ rezensierten Buch die kleinen, aber unentbehrlichen juristischen Erfolge im langen Ringen um universelle Menschenrechte.

Teilnehmende Beobachtung in der Neonazi-Szene? Der Freitag stellt das Buch der Ethnologin Lene Faust vor, die sich mit ihrem wissenschaftlichen Besteck unter Italiens Faschisten umgetan hat. Derweil ging es im Bundestag am Tag der Pressefreiheit auch folgenlos um die Beobachtung der Tageszeitung Junge Welt durch den Verfassungsschutz. Johannes Schillo beschreibt bei Telepolis, welche persönlichen und redaktionellen Folgen es hat, wegen der Berufung auf Marx zum Überwachungsfall zu werden.

Vom Straßenkampf in den USA berichtet Adrian Daub eindrücklich in der ZEIT: Hier steht die Straße noch mehr für Freiheit der Wenigen und rassistische Unterdrückung als hierzulande, wo das Auto (noch) nicht straffrei als Terrorwerkzeug eingesetzt werden darf.

 

Aktualitäten

Der Nahost-Konflikt ist einmal mehr eskaliert und damit auch die Debatten um Antisemitismus und Israel. Wolf Iro erklärt in der FR, das symbolische Holocaust-Gedenken und der politische Kampf um eine Antisemitismus-Definition machten einen diskursiven Fortschritt in Deutschland und Israel so schwer.

Im DLF kommt heute Abend die Lange Nacht über Welt-, See- und Landkarten.

Telepolis hat zwei Nachträge zu lesenswerten Texten der letzten Woche: Zum einen gibt es den zweiten Teil von Andreas von Westphalens Essay über die Folgen des Menschenbildes hier vor allem für die kapitalistische Lebensform. Zum anderen weist Armin Pfahl-Traughber als einer der Kritisierten den Vorwurf zurück, Extremismusforschung sei durch ihre Verflochtenheit mit Sicherheitsbehörden tendenziös.

 

Menschenskinder

Die Klimakatastrophe steht ins Haus und damit ein Zeitalter, das den Menschen wieder an seine nomadischen Ursprünge zurückführt (nur mit Internet), wie Parag Khanna in seinem Buch schreibt, dass der FAZ doch zu optimistisch ist. Ums Teilen und die Nachhaltigkeit ging es jüngst im Philosophischen Radio des WDR 5.

Gegen den Machbarkeitswahn auch in Geschlechterfragen argumentiert Christoph Türcke in seinem Buch, das bei Spektrum rezensiert wird. Ralph Altmann legt bei Telepolis eine faszinierende Ideengeschichte der Vaterschaft vor: Auf den Gedanken, dass der Mann etwas mit Fruchtbarkeit zu tun hat, musste mensch ja erstmal kommen – und dann leider das Patriarchat daraus machen. Aber wir lernen noch, während wir das Brot im Schweiße unseres Angesichts wegknuspern.

(Photo: aamiraimer, Aamir Mohd Khan, pixabay.com, CC0)

Auch in Organisationen gesellt sich gleich und gleich am gernsten, dennoch beobachten Soziologen Arbeitsmarkteffekte, die eine wachsende Vielfalt in Belegschaften bewirken, wie die FAZ meldet. Die Psychologie guckt ebenfalls auf die Arbeitswelt, hier darauf, wie die Karriere den Charakter formt, so ist bei Spektrum zu lesen.

Ebendort trägt Christian Heinrich zusammen, was die Forschung bislang über die Grundlagen des Humors herausgefunden hat: Wenig überraschend ist die Überraschung Grundlage jedes Witzes und dieser wiederum diejenige gedeihlichen Miteinanders.

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