Links der Woche, rechts der Welt 01/20

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut

Dass jeder Altruismus nur ein scheinbarer ist und versteckte egoistische Motive hat, wird von Anhängern eines pessimistischen Menschenbilds gern geglaubt und behauptet. Andreas Westphalen schaut sich bei Telepolis die Argumente aus Wirtschaftswissenschaft und Evolutionsbiologie an und findet sie wenig überzeugend. (29.12.19)

 

Der Mut zur Erkenntnis is mittelalterlich

Mittelalterliche Mönche waren ihrer als dunkel verschrieenen Zeit weit voraus, schreibt Martin Rhonheimer in der NZZ und belegt das u.a. mit einem modernen intellektuellen Ethos, dem zahlreiche technische Erfindungen und geisteswissenschaftliche Durchbrüche zu verdanken sind. (29.12.19)

 

Klimakrise, Migration, Führerkult

Der Freitag bringt einen Ausschnitt aus der Willy Brandt Lecture, die Naomi Klein am 8. Dezember 2019 in Berlin hielt. Darin geht es um den Aufstieg von rechten Demagogen, die auf Klimaschutz und Menschenrechte scheißen und von der planetarischen Unsicherheit profitieren. Ihnen stellt Klein einen umfassenden Green New Deal entgegen. (30.12.19)

 

Einfach war, ist und wird es nicht mit Trump

Im ZEIT-Rückblick auf die 2010er untersucht Dirk Peitz v.a. anhand von Umfragedaten die scheinbare Polarisierung der USA in der Ära von Obama und Trump. Ist diese ein historischer Ausnahmezustand oder normal in einem lauten Zwei-Parteien-System, das komplizierter ist, als es von außen aussieht? (30.12.19)

 

Ein Lob auf die französische Philosophie

Die Philosophie hat französischen Denkern viel zu verdanken und Hans Maier zählt es in der NZZ auf: die scholastische Dialektik, René Descartes, die Encyclopédie sowie Existentialismus, Strukturalismus, Postmoderne und ein Stil, der dem Poetischen nahe ist und die Szene bis heute prägt. (04.01.19)

(Photo: Qrry, pixabay.com, CC0)

Bücher

Frank Witzel und Marcus Steinweg unterhalten sich in „Humor und Gnade“ über das Lesen und Schreiben im Verhältnis zwischen Philosophie und Literatur, Glanz & Elend stellt das Buch vor. +++ In einer vom Tagesspiegel vorgestellten Essaysammlung setzt sich Étienne Balibar mit der Meinungsfreiheit in Demokratien auseinander. +++ Wolfram Ette widmet sich in einem Essay dem eigensinnigen Kind als „Schlüsselfigur für das bessere Verständnis einer bürgerlichen Gesellschaft“, wie die SZ schreibt. +++ Die NZZ stellt den Briefwechsel zwischen Reinhart Koselleck und Carl Schmitt vor. +++ Der Standard unterhält sich anlässlich seines Heldenbuchs mit Dieter Thomä u.a. über das postheroische Zeitalten und Comics. +++ Da kann Augustinus mal nachschlagen: Die SZ empfiehlt Kathrin Köllers illustriertes Buch über die Zeit, ihre Messung und Verwendung. +++ Die WELT nimmt das von Thomas Böhm und Carsten Pfeiffer herausgegebene Buch „Die Wunderkammer der deutschen Sprache“ zum Anlass, sich über das Deutsche zu wundern und zu freuen. +++ Elf deutsche Schriftsteller haben verfilmbare Erzählungen über das Jahr 2029 in einem Band versammelt, von dem die FAZ sich schwerst enttäuscht zeigt. +++ Glanz & Elend empfiehlt Klaus Viewegs Hegel-Biographie als fundierten Einstieg in Leben und Werk des „Denkers der Freiheit“.

 

Bild und Ton

Über Science-Fiction als philosophisch ergiebiges Genre unterhalten sich Alexander Armbruster und Dietmar Dath im FAZ-Video. Sein und Streit im DLF erinnerte letzte Woche an den 60. Todestag von Albert Camus, morgen geht es u.a. um Liebe und den Tractatus logico-philosophicus. Die Lange Nacht im DLF blickt heute Abend auf 40 Jahre Alternativer Nobelpreis zurück und morgen begibt sich Teju Cole in der Identitäten-Reihe bei Essay und Diskurs in das Schweizer Bergdorf, in dem James Baldwin seinen ersten Roman beendete.

 

Die Unordnung der Dinge

Osteuropa wollte die Freiheit und bekam den Kapitalismus, weshalb Rechtspopulisten hier besonders erfolgreich die Dissidenz von damals imitieren können, wie Slavoj Žižek in der NZZ erklärt. +++ Natascha Strobl befasst sich mit der Sprache der neuen Rechten und stellt in der ZEIT sechs faschistische Narrative Björn Höckes vor. +++ Peter Oehler hat für Telepolis noch einmal Orwells „1984“ zur Hand genommen und entdeckt Parallelen zur Gegenwart, und zwar weniger beim Thema Überwachung, sondern beim Thema Migranten. +++ Der Freitag unterhält sich mit dem Soziologen Andreas Reckwitz über das Verschwinden der Mittelschicht und einen neuen, fortschrittlichen Liberalismus. +++ Ein Brite wurde von einer Tierschutzorganisation gefeuert, weil er Veganer ist und zog vor Gericht, das seine Überzeugung schon einmal in den Rang einer schutzwürdigen Weltanschauung erhob, wie die FAZ meldet.

 

Zum Jahreswechsel: Zukunft

Alle Jahre wieder werde Werke gemeinfrei, weil ihre Urheber seit 70 Jahren tot sind, und die taz erwähnt besonders Klaus Mann und Richard Strauss, die komplette Liste aller, deren Werk 2020 den E-Book-Farmen zum Opfer fallen wird, gibt es bei Wikipedia.

Nicht so schlimm wie Rumänien, also lach doch mal: Die SZ wünscht sich von Deutschland fürs neue Jahr weniger unangebrachtes Gejammer und Gemotze. Die FR wiederum warnt davor, in den 2020er Jahren leichtfertig eine Variation des „Tanzes auf dem Vulkan“ der 1920er entdecken zu wollen. Zur Lehre fürs 21. Jahrhundert gibt Eric Frey im Standard einen Rückblick aufs 20. Jahrhundert und wir lesen u.a.: „Mit Josef Stalins Tyrannei konnte nur Adolf Hitler mithalten“, dessen Aufstieg „die Geschichte einer Verkettung unglücklicher Ereignisse“ sei. Auch die NZZ ist ganz frohen Mutes, alles könne bleiben, wie es ist, nämlich nach der Lektüre einiger Ökonomen, denen zufolge der Kapitalismus bisher alle Mahner und Warner widerlegt habe.

 

Berichte aus der Akademie

Kann man schon im Kindergartenalter den späteren Lebenserfolg (=Einkommenshöhe) vorhersagen? Spektrum stellt einige der Studien vor, die das mehr oder weniger gut können. +++ Vera Sichelschmidt schildert in der FAZ aus eigener Erfahrung die Zukunftsängste von Abiturienten angesichts unendlicher Möglichkeiten und noch größerer Erwartungen. +++ Freundschaft schlägt sich auch im gleichen Sprachstil nieder, wie eine Studie zeigt, über die Spektrum berichtet. +++ Freiburger Historiker erschüttern das Bild vom mittelalterlichen Ritter: Der war nur eine Fiktion zur Idealisierung des Adels und militärisch völlig unbedeutend, wie wir bei Spektrum erfahren. +++ Ein japanischer Astrophysiker hat eine neue Formel vorgelegt, um die Wahrscheinlichkeit von außerirdischem Leben zu berechnen, und kann Spektrum-Autorin Lara Hartung nicht so wirklich überzeugen.

 

Trotz Philosophie

Helmut Höge beschäftigt sich sonst in der taz mit philosophischen Tieren, kann aber auch anders, nämlich eine mindestens so lesenswerte Kulturgeschichte der exotischen Pflanze vorlegen, in der Deleuze und Guattari nicht fehlen dürfen. +++ Polaroid, SPD, Spieleabend: Harry Nutt denkt in der FR mit Hegel und Enzensberger über die „Furie des Verschwindens“ nach. +++ Mit Weihnachten und Neujahr ist die Zeit der ridikülen Rituale und seltsamen Sitten erstmal vorbei. Was es derer sonst noch gibt und was das alles bedeutet, können Sie gepflegt im aktuellen Lichtwolf (als Heft oder E-Book) zum Thema „Riten und Gebräuche“ lesen.

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