Links der Woche, rechts der Welt 38/20

Unterricht im Netz?

Die Corona-Krise brachte den Digitalunterricht voran, aber nun sehnt sich alles nach Präsenzlehre. Deike Uhtenwoldt schreibt in der FAZ über die große Ernüchterung vom akademischen E-Learning. Demgegenüber argumentieren Frank E. P. Dievernich und René Thiele im Freitag dafür, jetzt nicht schlappzumachen: Der Anfang in Sachen digitaler Lehre ist zwangsweise gemacht und deren Vorteile wie Internationalisierung und Zugänglichkeit sollten nicht außer acht gelassen werden.

 

Politik unter Ungleichen

Maggie Thatcher war im Vergleich zu den Brexiteers eine warmherzige Europäerin: Rüdiger Görner setzt sich seit Jahrzehnten für die deutsch-britische Freundschaft ein und schreibt sich in der FR seine Fassungslosigkeit über die Vorgänge auf der Insel von der Seele.

Danielle Allen argumentiert in ihrem von der FAZ rezensierten Buch „Politische Gleichheit“ vor allem mit John Rawls und Hannah Arendt für die unterschätzte positive Freiheit, die der reine Nachtwächterstaat eben nicht schafft. „Deutschland ist eine Klassengesellschaft, die so tut, als wäre sie keine“, schreibt Michael Ebmeyer in der ZEIT. Aber wenigstens wird nun über Klasse und Herkunft geredet – wenn auch auf eine Weise, die bestimmte Kreise aus der Debatte raushalten soll.

Antifa im Kino: Dietmar Dath stellt in der FAZ alliterationsselig den Film „Und morgen die ganze Welt“ von Julia von Heinz vor, der die Abgründe und Widersprüche der linken Szene ohne Dämonisierung und aus eigenem Erleben darstellt.

Sicherheitsbehörden und Presse sind weitgehend blind für die Online-Jauchegruben voller menschenverachtender Memes, mit denen sich die Attentäter von Christchurch und Halle radikalisiert haben. Die FAZ portraitiert das Kunstprojekt „NSU-Watch“ (hier online), das diese Lücke schließen will, ohne den Rechtsterroristen ihre ersehnte Bühne zu bieten.

 

Leben und Wissen, hier und da

Orientierungswochen bei der FAZ? Ulf von Rauchhaupt gibt dort eine kurze Geschichte des Labyrinths von Ariadne bis in heutige Maisfelder nebst etymologischer Analyse. Piotr Heller erklärt uns dann anhand vieler spannender Beispiele, was im Kopf von kleinen und großen Menschen vor sich geht, wenn sie sich verirren, und wie dieses psychologische Wissen bei der Vermisstensuche helfen kann.

In der Zukunft schicken Atheisten zwei Androiden mit Föten im Gepäck auf einen fernen Planeten, um dort ein neues Menschengeschlecht ohne Religion zu erschaffen. Aber schließlich landen auch die Redneck-Fanatiker von der verheerten Erde dort. Das ist das Setting der Serie „Raised by Wolves“, die der ZEIT dann doch etwas zu eklektisch ist.

Während schon jetzt überall der Irrationalismus um sich greift, erinnert Lars Jaeger in seinem neuen Buch an die „Sternstunden der Wissenschaft“ und der Tagesspiegel ist davon begeistert. Eine solche hat sich vielleicht auch diese Woche ereignet: In den Wolken der Venus wird Leben vermutet. Die ZEIT fasst zusammen, was man über die gemessenen Alien-Fürze dort weiß – und was nicht.

 

Meinung blablabla Freiheit

Die Satiriker Serdar Somuncu und Florian Schroeder haben mit ihrem Podcast einen Shitstorm ausgelöst und die FAZ registriert zufrieden, dass die beiden das Format nicht verstanden haben, die Empörungsreflexe auf Twitter aber sehr wohl. Auch die ZEIT hält das Teil größtenteils für einen eitlen Laberpodcast, in dem sich die Kabarettisten auch noch mit Authentizität und Kunstfigur vertun.

Für Aufregung sorgt auch der von Milosz Matuschek & Gunnar Kaiser initiierte „Appell für freie Debattenräume“ seit letzter Woche. Ralf Bönt erklärt bei Telepolis, warum er unterschrieben hat und in den Reaktionen darauf genau das bestätigt sieht, wovor der Appell warnt. Phrasen übrigens bleiben nicht folgenlos für die Psyche derer, die sie gebrauchen, wie die SZ u.a. von Harry Frankfurts Bullshit-Buch gelernt hat.

 

Reichtum, Gottspielen, niedliche Tiere

Eine Studie, über die die SZ berichtet, zeigt am Beispiel schmutzigen Geldes, wie leicht wir unser schlechtes Gewissen zu besänftigen wissen. Über Korruption unterhalten sich Heiner Hastedt und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5.

Mit „Terror“ hat Ferdinand von Schirach das moralische Mitmachtheater auf eine neue Stufe gehoben, nun beschäftigt er sich mit Sterbehilfe. Das Stück namens „Gott“ hinkt corona-bedingt der Rechtslage etwas hinterher und kriegt das Thema nach Meinung der SZ auch sonst nicht recht zu fassen.

Den Spätgeborenen ist das It-Girl Paris Hilton womöglich kein Begriff mehr, aber auch sie sollten sich eine Dokumentation über die eben nur scheinbar oberflächliche Hotelerbin ansehen, wie die FAZ empfiehlt. (Zu sehen auf Youtube für umme.) Mit dem Zoff innerhalb der Familie Schopenhauer beschäftigt sich die FR: Arthur war mit Philosophie zu Geld und Ruhm gelangt, doch der Zwist mit Schwester und Mutter drehte sich um Finanzen mindestens so sehr wie um feine Gesellschaft und Emanzipation.

(Photo: werdepate, Wolfgang Zimmel, pixabay.com, CC0)

Schopenhauers Pudel übrigens spielt im Herbst-Lichtwolf, der an diesem Wochenende erscheint, eine wichtige Nebenrolle (Schnell abonnieren!). Dank Internet gibt es keinen Mangel an lustigen Tierphotos, aber an Preisen dafür und es ist mal wieder soweit: Die SZ stellt die Finalisten der „Comedy Wildlife Photography Awards“ vor.

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