Links der Woche, rechts der Welt 29/19

Hinter jedem Vermögen ein Verbrechen

Pascal Bruckner fragt in der NZZ sicher nicht ganz unbefangen, warum die Reichen so gehasst werden, und macht das europäische „Erbe des Katholizismus, des Feudalismus und des revolutionären Egalitarismus“ als Triebfeder des Steuerraubs aus, mit dem wohltätige Leistungsträger bestraft werden, während Habenichtse wie Heilige verehrt werden. (13.07.19)

 

Die Maschine zum Regieren

Die Guillotine steht wie kein anderes Instrument für die Französische Revolution. Theodor Kissel erzählt bei Spektrum, wie die „humane Tötungsmethode“ im Geiste der Aufklärung zum Terrorinstrument verkam, das bald im Minutentakt seine willkürlich ausgewählten Opfer enthauptete und zum Exportschlager wurde. (14.07.19)

 

Wer wollte in deren Welt leben?

In der NZZ tauschen Roman Bucheli, Claudia Mäder und René Scheu als ein heiterer Melancholiker (!), eine Pessimistin und ein Optimist über die leibnizsche Frage, ob wir in der besten aller Welten leben, allerhand entsprechende Klischees aus: von „Alles schön!“ über „Alles scheiße.“ bis „Wir kriegen das schon hin.“ (14.07.19)

 

Wir, ihr, sie

Sozialer Zusammenhalt ist gut und schön, kann aber in kollektiven Narzissmus umkippen, mit dem sich Corinna Hartmann bei Spektrum beschäftigt. Wahlergebnisse und sozialpsychologische Studien legen nahe, dass das Phänomen weltweit auf dem Vormarsch ist. (15.07.19)

 

Wer will schon ewig leben?

Die Welt zerfällt bald in Millionen von Hungerleidern und einige steinreiche und steinalte Transhumanisten. Jakob Simmank und Ulrich Bahnsen unterhalten sich in der ZEIT mit dem Ethikrat-Vorstand Peter Dabrock über Lebensverlängerung, Geburtenkontrolle und die Hoffnung auf ein Jenseits. (15.07.19)

 

Wie schwärmt Heidegger von seinem Handy?

Martin R. Dean beklagt in der NZZ das Aussterben der Herzensdinge, die einen ein Menschenleben lang begleiten. Schuld ist die Überreiztheit in der Digitalisierung, denn im Hyperkonsum ist alles und jeder austauschbar und entbehrlich geworden. Wie anders dagegen der Rang, der den Dingen in Philosophie und Kunst eingeräumt wird! (18.07.19)

 

Niemand kommt, um uns zu retten

Paul Mason hat mit „Klare, lichte Zukunft“ eine „radikale Verteidigung des Humanismus“ vorgelegt. Im FAZ-Interview mit Cord Riechelmann erklärt er u.a. warum der Marxismus ein Humanismus ist, was die Leute an Trump und China fasziniert und wieso es nicht reicht, Hannah Arendt zu lesen. (18.07.19)

(Photo: Dariusz Sankowski, pixabay.com, CC0)

Bücher

Ein Adorno-Vortrag von 1967 über die „sozialen Voraussetzungen des alten wie des neuen Faschismus“ ist erstmal gedruckt erschienen und die taz ist etwas enttäuscht davon, während der Freitag glaubt, Adorno habe schon vor 50 Jahren Björn Höcke beschrieben. Das findet auch die SZ, die zudem den Niedergang der SPD durch Adorno vorweggenommen sieht. +++ Marc Augés Manifest „Die Zukunft der Erdbewohner“ macht laut Freitag Hegel „fit fürs Anthropozän“ und Mut zur Utopie. +++ Kraken sind faszinierende Wesen mit einer fremdartigen Intelligenz und Peter Godfrey-Smith hat ihnen darum ein philosophisches Buch gewidmet, das der Tagesspiegel unterhaltsam und nicht überzeugend findet. +++ Isabella Guanzini versucht sich an einer „Philosophie der Zärtlichkeit“ – die Rezension bei Spektrum fällt kurz und zwiespältig aus. +++ Chris Hirte und Conrad Piens haben Erich Mühsams Tagebücher herausgegeben und die taz staunt zum Abschluss der Edition einmal mehr über das Leben des pazifistischen Anarchisten. Die 15 Bände stehen auch kostenlos im Internet zur Verfügung (mit Suchfunktion). Danke, Verbrecher Verlag! +++ Sommerferien: Die NZZ empfiehlt 12 Bücher, der Standard empfiehlt gleich 24 Bücher für den Sommer, darunter das neue Werk von Byung-Chul Han.

 

Fly me to the Moon

Anlässlich des 50. Jahrestags der Mondlandung gibt es allerhand zu sehen, hören und lesen. Darunter empfiehlt die FAZ besonders Robert Stones fünfstündige Arte-Dokumentation, die auch in der FR vorgestellt wird. „Die Eroberung des Mondes“ ist in drei Teilen noch bis September in der arte-Mediathek nachzugucken. Wer das Ereignis ganz zeitgemäß am Radio mit- bzw. nachverfolgen will, kann sich die Livesendung des RIAS vom 20.07.1969 im DLF anhören. Mit dem existentiellen Faszinosum des Astronauten in der Popkultur befasst sich der Tagesspiegel, während Miguel de la Riva für den Freitag aufschreibt, wie Günther Anders, Hannah Arendt und Hans Blumenberg auf die zeitgenössische Raumfahrt blickten.

 

Berichte aus der Akademie

Zehn Universitäten und ein Verbund dürfen sich mit dem Exzellenztitel schmücken. Während sich Jan-Martin Wiarda bei Spektrum über einen Triumph der selbstbewussten Wissenschaft freut, fragt Jürgen Kaube in der FAZ nach dem Sinn dieses akademischen Spektakels. +++ Der Turing-Bus fährt durch die Provinz und informiert die Landjugend über Künstliche Intelligenz, wie im Freitag zu lesen ist. +++ Vor einer Weile ging es hier schon um einen Algoritmus, der Photos von nicht-existierendes Menschen erzeugt. Eine Künstliche Intelligenz namens Jan Bot produziert kleine (arg expressionistische) Filme und nun fragt die FAZ bzw. eine Frankfurter Tagung, wer denn Inhaber der Urheberrechte ist. +++ Kaffeetrinken ist eine Wissenschaft für sich: Spektrum erklärt physiologisch fundiert, wann die Koffeinbrühe welche Wirkung entfaltet; an anderem Ort geht es um die unwillkürliche Assoziation von Charaktereigenschaften mit dem Klang des Vornamens.

 

Trotz Philosophie

Wolfgang Knöbl, Direktor des Hamburger Instituts für Sozialforschung würdigt in der SZ seinen Frankfurter Kollegen Axel Honneth, der 70 Jahre alt wird und aus diesem Anlass im Freitag ein Interview gibt u.a. über seine Sozialisation und den Zustand der Kritischen Theorie. +++ Von der NZZ über die FAZ bis zur taz werden Nachrufe auf Ágnes Heller gebracht, die gestern mit 90 Jahren gestorben ist. +++ Vor 30 Jahren erschien Richard Rortys Werk „Kontingenz, Ironie und Solidarität“ und eine Tagung in Tutzing, von der die FAZ berichtet, erinnert an das ironische „So what?“, mit dem wir demnach die unentrinnbare Kontingenz des Faktischen begrüßen sollen. +++ Luigi Reitani ist der italienische Übersetzer der Hölderlin-Werke und gibt im Interview mit der FR Auskunft über das Verhältnis des Dichters zur Philosophie von Empedokles bis Schelling. +++ Amia Srinivasan erklärt in der ZEIT, warum sie ausgiebig über Zufälligkeit nachdenkt. +++ Welchen Sinn hat Geschichte und was lernen wir daraus? Das fragt Matthias Warkus mit Hegel in seiner Spektrum-Kolumne.

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