Links der Woche, rechts der Welt 39/19

Die Macht des Faktischen auf Rädern

Das SUV wird verachtet und massenhaft gekauft. Arno Frank gibt in der taz eine kleine Geschichte des Riesenautos, das seinen Siegeszug nicht zufällig in der Ära von Margaret Thatcher antrat und zum Symbol unserer Tage wurde, weil „der Besitz eines SUV ikonografisch der Aufkündigung gesellschaftlicher Solidarität entspricht.“ (14.09.19)

 

Die Krise des Rechtsstaats

Goedart Palm hebt bei Telepolis an zu einem mehrteilige Essay über Recht und Moral in heterogenen, vernetzten Gesellschaften, wo Konflikte zahlreich und Urteile scheinbar willkürlich sind. Der Hunger nach Gerechtigkeit bleibt ungestillt und aller Philosophie zum Trotze lassen sich auch Untaten mit den kategorischen Imperativ begründen. (22.09.19)

 

Aufgehoben in Überwachung

Der neue Überwachungstotalitarismus ist effektiv, fühlt sich sanft an und hat längst begonnen, wie Niall Ferguson in der NZZ schreibt. Er kommt nicht wie bei Orwell oder Huxley daher, sondern eher wie im Werk des russischen Satirikers Jewgeni Samjatin, und alle Welt blickt neidisch schaudernd nach China. (24.09.19)

 

Die Welt verschlimmbessern

Keine Politik ohne Gefühle, doch es gibt sinnvolle Grenzen der Empathie, wie Malte Lehming im Tagesspiegel schreibt und dafür u.a. Seneca, Kant und den Kognitionswissenschaftler Paul Bloom ins Felde führt, die vor Untaten oder Lähmung aus Mitleid warnen. (24.09.19)

 

Eine kleine Geschichte der universitas

Die FAZ bringt eine gekürzte Fassung der „Rostock Lecture“ 2018, in der Frank Rexroth darlegt, wie sich die Universität aus einer mittelalterlichen Schwureinigung entwickelte, deren Traditionen und Strukturen bis heute nachwirken, wo sich die alte Institution zwischen konkurrierenden Narrativen ihrer selbst stets neu erfindet. (26.09.19)

 

Dummheit als Demonstration individueller Freiheit

Raoul Löbbert empfiehlt im Angesicht der Klimakatastrophe eine Relektüre des Gilgamesch-Epos und der biblischen Paradiesvertreibung, die die aktuelle Frage behandeln, woher wir kommen und was uns so ruiniert hat: Nicht der Hochmut, sondern Blödheit und Bequemlichkeit, also Zivilisation. (27.09.19)

 

Wie man wird, wer man ist, und es bleibt

Authentizität ist ein Buzzword der Ratgeberliteratur und ein schwer zu fassender Untersuchungsgegenstand der Psychologie, wie Scott Barry Kaufman bei Spektrum darlegt. Die Studien zum Thema zeigen, dass das Man eigentlich zu sein glaubt, wenn es Widersprüchlichkeit und Konformismus an den Tag legt. (27.09.19)

 

Wissenschaftstheorie als Utopie

Hans Ulrich Gumbrecht erinnert sich in der NZZ an seine Jugendliebe, nämlich die Systemtheorie des Niklas Luhmann, von der heute – anders als damals – kaum noch jemand etwas wissen will. Zur Erklärung muss man wissen, wie Luhmann wurde, was er war. (27.09.19)

(Photo: chrisbeez, pixabay.com, CC0)

Bücher

Volker Gerhardt fragt in seinem neuen Buch nach dem „Geist der Menschheit“ (Untertitel) und die NZZ freut sich, damit den Transhumanisten und Antispeziesisten etwas entgegnen zu können. +++ Die FAZ unterhält sich mit dem Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar über sein Sujet und sein Buch „Einfach losgehen“. +++ Aus Hans Blumenbergs Nachlass ist ein Essay über die Frage geborgen worden, warum die Wahrheit mit der Weiblichkeit verbunden wird, und die NZZ hat ihn schon gelesen.

 

Radio

Akrobatisch wird es heute Abend im DLF, wo die Lange Nacht über Frauen in der Manege um 23:05 Uhr beginnt. Die Lange Nacht über Bienen von letztem Samstag gibt es in der Mediathek, mehr über die Biene als Viehlosovieh in LW58. Morgen geht es bei Essay und Diskurs um das populistische Feindbild der „kosmopolitischen Eliten“, mittags sind Experten, Naturvölker und Singen einige der Themen von Sein und Streit. Claus Leggewie und Jürgen Wiebicke unterhalten sich im Philosophischen Radio des WDR 5 über die Krise der liberalen Demokratie.

 

Berichte aus der Akademie

In Berlin könnte bald nicht allein die Abiturnote, sondern auch Berufserfahrung den Weg an die Hochschule bahnen, wie der Tagesspiegel meldet. +++ Die WELT rekapituliert einen Aufsatz über die Tisch- und Ernährungsgewohnheiten im antiken Rom. +++ Fachkräftemangel lehrt werben: Die FAZ blickt auf einige schrille Personalkampagnen, mit denen Unternehmen und Parteien um Bewerbungen buhlen.

 

Die Unordnung der Dinge

Philippe Sands fürchtet sich in der FR vor den Folgen der menschenverachtenden Sprache, die in den Regierungssitzen in Großbritannien und USA als neue Normalität gepflegt wird. +++ Nach wie vor brennt der Amazonas und Otfried Höffe erklärt in der FR, warum es rechtsphilosophisch geboten ist, sich mit dortigen Ureinwohnern zu solidarisieren. +++ „How dare you“: Georg Diez beschäftigt sich in der taz ausführlich mit der eindrucksvollen Rede, die Greta Thunberg vor der UNO in New York hielt. Der Standard freut sich, dass Thunbergs Rede bereits einen Death-Metal-Song inspiriert hat. Rainer Schreiber regt sich bei Telepolis über Friedrich Merz und andere Erwachsene auf, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, von einem 16-jährigen Mädchen aus dem Traum vom alles heilenden Markt gerissen zu werden.

 

Trotz Philosophie

Einem Orang-Utan-Weibchen wurden von der argentinischen Justiz die Rechte einer „nichtmenschlichen Person“ zugeschrieben, wie die SZ meldet. +++ Helmut Höge denkt in der taz sehr schön über die Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen vegetarischer Nahrung für fleischfressende Haustiere nach. +++ Anlässlich der Pleite des Touristikkonzerns Thomas Cook blickt die SZ auf dessen Namensgeber, der die Pauschalreise als Trostpflaster für die Ausgebeuteten erfand. +++ Anlässlich seiner 50. Spektrum-Kolumne denkt Matthias Warkus über den größten Fehler der Philosophiegeschichte nach: Rassismus. +++ Lichtwolf Nr. 67 zum Titelthema „Todesarten“ ist da.

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