Links der Woche, rechts der Welt 17/19

Über den Umgang mit der Schuld

Christian Baron wundert sich im Freitag über die große Lust am Strafen und den ebenso verbreiteten Glauben, Gut und Böse ließen sich so leicht auseinanderhalten. Mit Schopenhauer und Foucault erinnert er daran, dass Verständnis und Vergebung Zeichen überlegener Ethik sind – auch und gerade in Zeiten des neoliberalen Panoptikums. (21.04.19)

 

Analytische Philosophie wird politisch

Die umstrittene BDS-Bewegung hat den Boykott in ihrem Namen, weshalb das B-Wort bei so manchen sofort die Alarmglocken schrillen lässt. Herwig Lewy und Georg Meggle gehen dem Begriff bei Telepolis analytisch-philosophisch auf den Grund. (22.04.19)

 

Sehnsucht nach metaphysischem Ernst

Letzte Woche war bekanntlich Ostern und so gibt es im Feu wieder viel Auseinandersetzung mit dem Religiösen. Benjamin Hasselhorn schreibt im Tagesspiegel, warum er ein Problem mit dem weichgespülten Protestantismus unserer Tage hat, der die Jugend scharenweise zu Jordan Peterson treibt. (22.04.19)

 

Das zweite New Age

Auch die taz denkt über Spiritualität trotz Ostern nach: Marlene Halser blickt ausführlich auf alternative Angebote auf dem Sinnmarkt wie Yoga, Lichtatmung und Kakaozeremonien, die gerade ein Revival nicht nur unter ausgebrannten Arrivierten erleben. (22.04.19)

 

Wer richtet die Richter?

Michael Wolffsohn fragt sich in der NZZ, was an der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative in westlichen Demokratien dran ist: Der politischen Philosophie galt die richtende Gewalt stets als die schwächste, weshalb sie zur normativen und damit unangefochten zur stärksten wurde. (24.04.19)

 

Gegen die Provinzialisierung des Denkens

Der Kampf gegen universelle Deutungsansprüche war mal angebracht, gibt Jörg Scheller in der NZZ zu, findet es aber langsam mal genug mit dem Identitätslobbyismus, gegen den er John Rawls ins Spiel bringt, demzufolge Gerechtigkeit auch Ungleichbehandlung bedeutet. (25.04.19)

(Photo: ID 12019, pixabay.com, CC0)

Bücher

Der Freitag bespricht das neue Buch des Soziologen Heinz Bude über die Zukunft der Solidarität. +++ Der Soziologe Alain Ehrenberg geht in seinem Buch neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zu Gehirn und Gesellschaft nach, bleibt dem Tagesspiegel dabei aber zu vorsichtig. +++ Bei Glanz & Elend wird Alexander Kisslers Buch „Widerworte“ dafür gelobt, die Phrasen zu sezieren, mit denen Gutmenschen den Diskurs beherrschen. +++ Kein Applaus für Scheiße: Die SZ weist auf Theo Jungs Aufsatz über politische „Unterlassungspraktiken“ wie das Schweigen statt Beifall hin.

 

Radio

Wie frei können wir unser Leben eigentlich gestalten? Darüber unterhalten sich Sandra Kuhlmann und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5. Interessante Lange Nacht heute im DLF: Es geht um Kostya Belyaev und Rudik Fuks, die in den 60er- und 70er-Jahren hunderte russischer Gauner- und Liebeslieder schrieben, die eine ganze Generation geprägt haben, obwohl sie nie im Radio liefen. Die Großstadt der Zukunft ist Thema morgen bei Essay und Diskurs und bei Sein und Streit stehen die Themen noch nicht fest.

 

Die Unordnung der Dinge

George Monbiot erklärt im Freitag, was vom Freiheitsversprechen des Neoliberalismus übriggeblieben ist: ein halb-privatisierter Autoritarismus aus Bürokratie, Konformität und Stillschweigen. +++ Wer im Team arbeitet, wird wohl nicht so bald durch eine Maschine ersetzt, mutmaßt Lisa Herzog im ersten Teil ihrer ZEIT-Serie über die digitalisierte Zukunft der Arbeit. +++ Tijan Sila denkt in der ZEIT darüber nach, wie ein lied aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg zum Soundtrack des Attentäters von Christchurch werden konnte. +++ Im BILDblog beschäftigt sich Johannes Kram mit den jüngsten rassistischen Äußerungen des Tübinger OBs Boris Palmer und den medialen Reaktionen. +++ Gunter Gebauer hat in seinem neuen Buch Massentheorien überprüft und erklärt im Standard-Interview, warum sie allesamt nicht fürs moderne Verhältnis zwischen Individuum und Masse taugen. +++ Der Tagesspiegel berichtet über Studien, wonach binnen einer Generation ein erheblicher Anstieg psychischer Probleme mit entsprechenden gesellschaftlichen Folgen zu verzeichnen ist. +++ Alkohol ist gefährlich, jaja, doch Ulrich Amling wagt im Tagesspiegel die kulturhistorisch fundierte Verteidigung des Rausches.

 

Trotz Philosophie

Kaspar Hauser und Greta Thunberg haben gemeinsam, nach Hegel von „ihrer Zeit erwartet worden“ zu sein, wie der Jesuit Dominik Finkelde in der ZEIT erklärt. +++ Die FAZ verfolgt den Ursprung des Modewörtchen „Resilienz“ bis zu Francis Bacon zurück. +++ Nach den Syllogismen und der Aussagenlogik setzt Josef Honerkamp in seinem Scilog die kleine lesenswerte Logikkunde fort: Wir lernen, was es mit Tautologien und Schlüssen auf sich hat, welche mathematischen Verbände der formalen Logik zugrunde liegen und wie man von der Prädikaten- zur modalen und deontischen Logik kommt. +++ Im theorieblog gibt es vier Argumente für Untersuchungen wissenschaftlichen Fehlverhaltens und akademischer Redlichkeit. +++ Die FAZ berichtet von einer Heidelberger Tagung über den Kant-Antagonisten und Autor für die Wenigen, Johann Georg Hamann. +++ Außerdem erinnert die FAZ an das „Busen-Attentat“ auf Adorno vor 50 Jahren.+++ Durs Grünbein gratuliert dem Übersetzungsdenker und Universalgelehrten George Steiner, der u.a. erklärt hat, warum Denken traurig macht, in der FAZ überschwänglich zum 90. Geburtstag, was auch die SZ mit Fokus auf Steiners Ästhetik tut. +++ Matthias Warkus erklärt in seiner Spektrum-Kolumne, warum der Brand eines Gebäudes wie Notre Dame so heftige Reaktionen auslöst (weil es gar kein Gebäude ist). +++ Der Tagesspiegel bringt einen rührenden Nachruf auf Martin Barber, der zwischen seinen Büchern lebte, bis es nicht mehr ging.

 

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