Links der Woche, rechts der Welt 30/18

Der alte Mensch muss weg!

Mit dem Menschen als dem „noch nicht festgestellten Tier“ (Nietzsche), das seinesgleichen also ständig neu erfinden will, beschäftigt sich Christian Thomas in der FR und stellt einige Bücher über die Versuche vor, den neuen Adam zu schaffen – von der Antike bis zum neurechten Transhumanismus. (22.07.18)

 

Selbstbestimmung und das Recht auf Leben

Die Abtreibungsdebatten in Irland und den USA zeigen, dass mitnichten Einigkeit darüber besteht, ob allein die Körperinhaberin über ihre Reproduktionsorgane bestimmen darf. Karen Horn zeigt in der NZZ die Dilemmata auf, in die sich „Lebensschützer“ und Liberale jeweils verstricken, und rät zu einer philosophischen Perspektive auf Natur, Freiheit und Feminismus. (23.07.18)

 

Teilzeit-Bäuerlichkeit als Lebenspraxis

Für die NZZ unterhält sich Michael Schoenenberger mit dem „Gastrosophen“ Harald Lemke über – na klar – das Essen und wie es sich in seiner Komplexität bedenken lässt. So geht es darum auch um die ethischen Folgerungen für die Produktion und den Konsum von Rausch-, Genuss- und Lebensmitteln. (24.07.18)

 

Ich ist gar nicht irgendwo

Die Erfahrung von Depersonalisation und Derealisation schärft die Skepsis gegenüber dem Subjektempfinden und der Realität. Mascha Elbers beschäftigt sich bei Spektrum mit Ursachen und Symptomen des unheimlichen Phänomens, das nicht nur in psychischen Ausnahmezuständen auftritt, und welche Behandlungsmethoden es gibt. (24.07.18)

 

Mit Kafka kam die Entstalinisierung

Der Prager Frühling leisteten einen beträchtlichen Beitrag zum anno mirabili 1968. Martin Schulze Wessel beschreibt in der FAZ, wie es dazu kam, dass der reformkommunistische Wind der Demokratie in die Tschechoslowakei fuhr und Dubček vom Hoffnungsträger zum tragischen Helden wurde. (25.07.18)

 

berechenbar = beherrschbar

Google ist ein Menschheitsseismograph mit Gewinnabsicht und Rückkopplung, wie Adrian Lobe in der SZ beschreibt. Mit Matteo Pasquinelli et.al. sieht er die Quantität der Daten in eine Qualität der Herrschaft umschlagen, wie am vollautomatischen Drohnenkrieg und in China schon zu sehen ist. (26.07.18)

 

Körpertuning für alle

Diana Weis wundert sich in der ZEIT über die stetig steigende Zahl von aufgespritzten Lippen ringsum. Sie fragt sich, warum immer mehr und immer jüngere Frauen sich einer sog. „Schönheits-OP“ unterziehen und was uns das über die Richtung des Zeitgeists verrät. (26.07.18)

(Photo: cocoparisienne,
Anja Osenberg, pixabay.com, CC0)

Bücher

Der ZEIT gefällt Wilhelm Schmids jüngster Ratgeber, der den Rat gibt, die Selbstfreundschaft der Selbstliebe vorzuziehen. +++ Dem Tagesspiegel enthält Jaron Laniers „Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“ zu viel Dämonisierung und zu wenig Alternativen. +++ Auch wenn ein bisschen wenig Adorno, Arendt, Horkheimer drin vorkommen, hält die FR Madeleine Albrights Warnung vorm Faschismus des 21. Jahrhunderts für ein wichtiges Buch, das auch von der ZEIT als Abrechnung mit Trump gewürdigt wird. +++ Kann man in Syrien Romane schreiben? Khaled Khalifa kann. Sein jüngst übersetzter literarischer Roadtrip durchs Inferno voller Galgenhumor wird von der taz vorgestellt. +++ Auch die SZ bespricht Axel Honneths europäische Ideengeschichte der Anerkennung. +++ Bdolf betont es in seinen Rezensionen immer wieder: Science-Fiction-Romane sind Philosophie mit Handlung! In diesem Sinne stellt der Standard ein Dutzend Neuerscheinungen aus diesem illustren Genre vor.

 

EUGH CRISPR GVO

Der Europäische Gerichtshof hat diese Woche geurteilt, durch Gene-Editing erzeugte Mutationen gelten als gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Lars Fischer schüttelt bei Spektrum als Naturwissenschaftler den Kopf über diese ideologisch geprägte, unsachliche Entscheidung und auch Alina Schadwinkel von der ZEIT sieht dadurch den notwendigen gentechnischen Fortschritt bedroht. Einzig Wolfgang Löhr von der taz freut sich für Konsumentinnen und Biobauern.

 

Das Weitere und Engere

Zu ihrem 100. Todestag wird die Heiratsschwindlerin und Anarchistin Franziska bzw. Fanny zu Reventlow in der SZ portraitiert (inkl. Buchempfehlungen). Im DLF gibt es heute Abend die Lange Nacht über Reventlow (an Schlaf ist ja bei der Hitze eh nicht zu denken). +++ Jan C. Behmann schreibt im Freitag eine nachgerade liebevolle Würdigung Michel Friedmans, der sich von der koksenden Krawallschachtel zu einem kühl-traurigen Denker gewandelt hat. Seine Gesprächsreihe „Auf ein Wort“ gibt es auf Youtube und bei der DW online, hier mal exemplarisch das Gespräch mit Hartmut Rosa über Zeit:

Die liberale Demokratie scheint keine Freunde mehr zu haben. Peter Lindner rät darob in der SZ, Haltung zu entwickeln und zu zeigen. +++ Außerdem analysiert die SZ das Framing, das mit dem Begriff „Sprachpolizei“ auf- bzw. zugemacht wird. +++ Isolde Charim denkt in der taz über die Paradoxien und Irrtümer in der Debatte um die Flüchtlingspolitik nach. +++ Die WELT stellt Robert Nozicks Erlebnismaschine und die dazugehörige These vor, Menschen würden stets die Realität der Matrix vorziehen. +++ Anlässlich der aktuellen Hitzewelle erklärt die Meteorologin Daniela Jacob im Spektrum-Interview mit Alexander Mäder noch einmal, warum Klimawandel nicht heißt, dass es einfach nur immer wärmer wird. +++ Diesen Monat jährte sich die Lichtwolf-Gründung zum 16. Mal. Aus diesem Anlass sind sämtliche Beiträge des ausverkauften Lichtwolf Nr. 29 („Vergessen“) vom März 2010 sowie das Heft selbst online gestellt worden.

 

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