Links der Woche, rechts der Welt 51/18

Das Ende des Autos

In seinem SUV verschanzt sich der freie Bürger vor dem nahen Ende des Individualverkehrs, wie Silvia Liebrich in der SZ überlegt und zur autofreien Utopie ermuntert. Denn die Nachfrage nach klimaneutraler und flexibler Mobilität wächst und damit auch die Frage nach dem politischen und gesellschaftlichen Umgang damit. (16.12.18)

 

Das Gute und Gerechte im Algorithmus

Wir leben in einer zunehmend von Algorithmen bestimmten Welt, weshalb Gunter Laßmann sich bei Telepolis mit einer Berufsethik für Informatiker beschäftigt, zu der auch gerade eine Umfrage läuft. Die Vorschläge sind sinnvoll, aber wohl nicht durchsetzbar. (17.12.18)

 

Gamifikation der Mathematik

Danielle Kallenborn und Lisa Kuner berichten in der FAZ über Initiativen, die den Mathe-Unterricht attraktiver gestalten sollen: Durch Spiele mit Wettbewerbscharakter mache das sogenannte Horrorfach kleinen Leute sogar Freude. (18.12.18)

 

Im Code gibt es keine Kritik

Die Welt ersäuft in E-Mails, wovon Google mit seinem „linguistischen Kapitalismus“ nur profitiert. Adrian Lobe beschäftigt sich in der SZ mit dessen Folgen für unsere Sprache und damit auch das Denken und die Wirklichkeit, worin der Verweis auf „1984“ natürlich nicht fehlen darf. (19.12.18)

(Photo: photosforyou, pixabay.com, CC0)

In a Plastic World

„Plastik ist überall“, so hebt Stephen Buranyi im Freitag an. Er blickt ausführlich auf den plötzlichen Widerstand gegen die Kunststoffe, mit denen wir binnen dreier Generationen den Planeten zugemüllt haben, und auf dessen Hilflosigkeit in einem entfesselten globalen Markt. (19.12.18)

 

So falsch, dass es wieder stimmt

Deepfake ist eine KI-basierte Technologie, die täuschend echte Videosequenzen erstellt, wie Sarah Pines in der NZZ anschaulich erklärt. Bewegtbildern mit Skepsis zu begegnen ist eine scheinbar neue Herausforderung der Medienkompetenz, dabei ist das Ringen um Authentizität gegen die Sensationslust doch längst Usus. (19.12.18)

(Die Tagesschau hat einige Beispiele für Deepfakes zusammengetragen.)

 

Telepathie-Handy im Kopf

Miriam Meckel erklärt in der NZZ, „wie menschliche Gehirne demnächst direkt miteinander kommunizieren werden“: Die Sprache als menschliche Eigentümlichkeit sei ein umständliches Mittel zur Gedankenübertragung, welches bald technologisch überflüssig werden könnte und der Wendung „Die Gedanken sind frei.“ einen neuen Dreh gibt. (20.12.18)

 

Emodiversität hält gesund

Vielfalt ist gut und hält gesund, auch im Gemüt: Daniela Zeibig fasst bei Spektrum Studien aus der Emotionsforschung zusammen, die den zeitgemäßen Rat zum positiven Denken relativieren. Denn erst die „Abwechslung im emotionalen Ökosystem“ spart so manchen Arztbesuch ein. (21.12.18)

 

Denn sie wissen nicht, was sie tun

Einen Jahresrückblick zum Stand der Gleichberechtigung macht Antonia Baum in der ZEIT. Demnach sind Frauen auch 2018 noch gezwungen, zwischen Kind und Karriere zu wählen, und sich anschließend von modernen, klugen Männern Ratschläge anzuhören, die ja gar nicht böse gemeint sind. (21.12.18)

 

Das Eine, der Wandel und die Welt

Heinrich Päs macht sich bei den Scilogs anlässlich der längsten Nacht des Jahres „philosophisch-physikalische Adventsgedanken“ über die Zeit, ihre Läufe und das Verhältnis des Menschen dazu, wie es sich in Mythen, Philosophie und Quantenphysik zeigt. (22.12.18)

 

Bücher

Das Aisthesis-Blog ist ganz angetan von Daniel-Pascal Zorns „Einführung in die Philosophie“. +++ Der Standard stellt mal wieder einen Reigen von Neuerscheinungen aus der Science Fiction vor. +++ Christopher Clark beschreibt in seinem neuen Buch das deutsche Macht- und Geschichtsbild vom Großen Kurfürsten bis zu den Nazis; die NZZ freut sich, dass es darin sogar einen Ausblick auf die EU gibt. +++ Außerdem widerspricht die NZZ Walter Scheidels historischer Darstellung der ökonomischen Ungleichheit, die zwischen Steinzeit und 20. Jahrhundert der Normalfall war und nur durch Kriege gemildert wurde. +++ Maurizio Bettini beschäftigt sich in seinem neuen Buch sprachkritisch mit den „trügerischen Mythen der Identität“, was dem Tagesspiegel gefällt. +++ Der Freitag ist nicht überzeugt von Stephen Greenblatts Versuch, den modernen Autoritarismus mittels Shakespeare zu analysieren. +++ Die Republik stellt Jason Stanleys Studie über die gefährliche Normalisierung faschistischer Mythen vor, wie sie in historischen und aktuellen Diskursen stattfindet. +++ Der Tagesspiegel rezensiert Joseph Croitorus überfällige Studie über das ambivalente Verhältnis der Deutschen zum Orient. +++ 70 Jahre nach dem Tod erlischt das Urheberrecht und Telepolis schaut, wessen Werk ab dem 1. Januar gemeinfrei wird, und mit welchen Tricks Abmahnanwälte auf Opfer lauern.

 

Bild und Ton

Der Freitag stellt den isländischen Film über eine Umweltaktivistin vor, die unerwartet für ein ukrainisches Waisenkind Verantwortung übernehmen muss:

Um Wohlbefinden statt Wachstum als Maß der ökonomischen Dinge geht es im Philosophischen Radio des WDR 5 mit Stefan Klein und Jürgen Wiebicke. Über die Weihnachtsfeiertage bringt Essay und Diskurs im DLF die „Ansichten der Natur“, Alexander von Humboldts Reiseberichte. Bei Sein und Streit geht es um Hans Jonas und das Prinzip Verantwortung.

 

Pohrt und Bernstein †

Der Tagesspiegel würdigt den verstorbenen Wolfgang Pohrt als polemischen Solitär, der sich mit jedem anlegte. Auch der Lyriker und Karikaturist F.W. Bernstein ist diese Woche gestorben. Sein Nachfolger in der Neuen Frankfurter Schule (NFS), Oliver Maria Schmitt, lobt „Professor Bernstein“ in der FAZ für seinen feinen Humor in Bild und Wort, in der WELT schreibt NFS-Zeitgenosse Hans Zippert seinen Nachruf auf Bernstein.

 

Das Weitere und Engere

Die Unordnung der Dinge: Ein Untersuchungsbericht hat zutage gefördert, wie umfassend Russland via Sozialer Medien den US-Präsidentschaftswahlkampf beeinflusst hat, und die WELT nimmt ihn als Bedienungsanleitung zur Spaltung eines Landes.

Aus den Wissenschaften: Künstliche Intelligenz wird immer besser, heißt es, aber die NZZ fragt, woher wir das mangels geeigneter Testverfahren wissen wollen. +++ Kinder aus „bildungsfernen“ Familien haben es schwer genug, ein Abi zu machen, und was sie dann noch vom Studium abhält, wurde in einer Studie untersucht, über die die FAZ berichtet.

Gute Nachrichten: Die taz freut sich über den Neubau der Zentralbibliothek Oodi in Helsinki als beneidenswertes „Bollwerk gegen den Populismus“. +++ Gähnen ist ansteckend, Nettsein auch, wie eine Affen-Studie festgestellt hat, über die die SZ schreibt. +++ Die FR portraitiert den deutschen Suchmaschinenbetreiber Ecosia, der seinen Umsatz in die Lösung sozialer und ökologischer Probleme investiert. +++ Die FAZ dagegen portraitiert die 15-jährige Greta Thunberg, die vergangene Woche auf dem Klimagipfel in Kattowitz für mehr Engagement zur Rettung ihrer Zukunft gekämpft hat. +++ ZEIT Campus unterhält sich mit der Medienökologin Birgit Schneider über den vergangenen Sommer, der – wie gute Diagramme – den Ernst der Destabilisierung des Weltklimas klar gemacht habe. +++ Tom Strohschneider rät der Linken im Freitag zu einer gelegentlichen Besinnung auf das Erreichte als Mittel gegen den Immerschlimmerismus.

Trotz Philosophie: Die FAZ wundert sich über neue Rassismusvorwürfe gegen Kants Vernunftbegriff (in der SZ, nur mit Abo) und das psychologisierende Gegenmodell. Auch in der NZZ wird über die Aufklärung und ihren Rassismus diskutiert; hier widerspricht Simone De Angelis. +++ In seiner Spektrum-Kolumne bemerkt Matthias Warkus am Beispiel seiner Katzen, wie wir dazu neigen, Stereotype über Geschlechter sogar auf unsere Haustiere zu projizieren.

 

Allen Leserinnen und Lesern sei – auch ohne die aktuelle Winterausgabe – ein Tsef Sehorf gewünscht!

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