Links der Woche, rechts der Welt 35/21

Was Philosophen halt machen

Auch Rüdiger Safranski hat ein Corona-Buch geschrieben, aber es ist laut FR eher eines über den Einzelnen im Lockdown und in der nachscholastischen Philosophiegeschichte.

Heinrich Niehues-Pröbsting analysiert in der NZZ Platons klassisches Höhlengleichnis, das komplizierter ist als seine Popularität nahelegt – und die eigenwilligen Deutungen durch Friedrich Dürrenmatt und Hans Blumenberg gestattet.

Jean-Luc Nancy ist mit 81 Jahren gestorben. Die ZEIT erinnert an ihn als einen Denker der Unabschließbarkeit, der viele Fragen und unübersetzte Bücher hinterlässt. Der Nachruf der FAZ hebt vor allem auf Nancys Sympathie für Heidegger und Hölderlin ab. Die taz verabschiedet ihn als den unaufgeregtesten Denker der postmodernen Generation 68.

True Crime ist ein beliebtes Genre, umso mehr, wenn es um Philosophen geht: Die SZ schreibt über den mehr tragischen als komischen Fall des Louis Althusser, der seine Frau „in einem Moment der Geistesabwesenheit“ erwürgte.

 

Alles geht unter

Slavoj Žižek hat in der Berliner Zeitung seine Bewunderung für die revolutionäre Todesverachtung der Taliban zum Ausdruck gebracht (Paywall), und die FR fragt, ob man der Klimaschutzbewegung ernsthaft Motive neurechter Dekadenzdiskurse anempfehlen kann.

Im Berliner Brecht-Haus geht es eine Woche lang um „Katastrophismus, Kapitalozän und Kollapsologie“. Die taz inspiriert das zu einigen Gedanken über den Weltuntergang, Guillaume Paoli schreibt als Projektleiter im Tagesspiegel über die Schwierigkeiten, sich auf die Zeit nach dem unabwendbaren Worst-Case-Szenario einzustellen.

Über das Unglück unterhalten sich Arnd Pollmann und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5.

Nach der Schweinedoku letzte Woche geht es mit Timo Großpietsch noch weiter aufs Land: Seine gleichnnamige Doku führt uns laut ZEIT in die hochtechnisierte Sci-Fi-Welt der Agrarindustrie.

 

Menschen und Maschinen

Wie sieht Künstliche Intelligenz uns und die Welt? Die Architekturbiennale in Venedig hat sich mit der Frage auseinandergesetzt und die SZ hat einen Blick in die Leere geworfen. Die Algorithmen machen nämlich nicht so viel: Die FAZ berichtet über eine Studie, die gängige Vorurteile über Online-Radikalisierung via Youtube korrigiert.

Mit dem „Drunterkommentierer“ als Typus zwischen Tragik und Lächerlichkeit beschäftigt sich Marlon Grohn bei Telepolis. Also einfach mal abschalten? Jenny Odells Schrift wider die Aufmerksamkeitsökonomie und Betriebsamkeit („Nichts tun“) wird bei Glanz & Elend mit einiger Skepsis rezensiert.

 

Der Geschichte gehorchen

Geschichte ist nicht vorbei. Der Politologe Oliver Eberl erklärt im Freitag-Interview, wie der Kolonialismus unser heutiges Verständnis von Staatsgewalt prägt und andere Gesellschaftsformen (fast) völlig verunmöglicht.

Bei Spektrum geht es um den haitianischen Sklavenaufstand von 1791, wo sich geopolitische Konkurrenz, aufklärerischer Zeitgeist und Persönlichkeiten wie Toussaint Louverture (1743–1803) zu einer einzigartigen historischen Situation verbanden, die Folgen bis heute hat.

(Photo: Pexels, pixabay.com, CC0)

Wie auch die Philosophie an der Festung Europa mitbaut, ist eines der Themen von Donatella di Cesares Buch Philosophie der Migration“, das laut Tagesspiegel u.a. mit Heidegger nach einer besseren politischen Theorie des Fremden sucht.

Werner Herzog legt mit Das Dämmern der Welt“ ein Buch vor, das wie ein Herzog-Film zu lesen ist: Es geht laut SZ um einen japanischen Soldaten, der auf einer Pazifikinsel 30 Jahre lang auf seine Ablösung wartet.

Und sonst so? Die FAZ empfiehlt eine biographische Ausstellung über Karl Liebknecht im Leipziger Museum. Gibraltar ist nicht nur Gegenstand politischer Post-Brexit-Wirren: Die WELT erinnert an die „Säulen des Herakles“ als klassischen Topos. In einem Monat findet der politisch-philosophische Herbstsalon des Lichtwolf statt – Teilnahme kostenlos, Anmeldung erforderlich, noch sind Plätze frei.

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