Links der Woche, rechts der Welt 42/21

Streitpunkte

Mit Hannah Arendt im Gepäck versucht Ronald Engert bei Telepolis einen Deckel auf die Debatte ums postfaktische Zeitalter zu machen: Im ersten Teil geht es darum, dass in der Politik Macht und nicht Vernunft- oder Tatsachenwahrheit entscheidet, der zweite Teil blickt darauf, wie diese sich auf Meinung, Vertrauen und Narrative auswirken.

Andere Feu-Debatten harren noch ihrer Erledigung: Die FR stellt zwei Neuerscheinungen zum Thema Identitätspolitik vor. Pascal Bruckner polemisiert gegen den letzten Akt der nur vermeintlichen sexuellen Befreiung, Jan Feddersen und Philipp Gessler blicken auf spezifisch deutsche Auswüchse von Privilegiertheitskritik.

Wo alles jederzeit abrufbar ist, sollte der Trend eher zum Verzeihen als zum Aufregen gehen, wie Malte Lehming im Tagesspiegel einige aktuelle Fälle von sozialmedialer Schnappatmung kommentiert.

 

Wissen schaffen gestern und morgen

Friederike Otto ist u.a. Attributionsforscherin und spricht im FAZ-Interview über Zögerlichkeit beim Klimaschutz, obwohl die Zusammenhänge offenbar sind. Darüber, wie die Freiheit der Wissenschaft gegen ihre ständige Anfechtung zu verteidigen sei, wird in einem von Elif Özmen herausgegebenen Sammelband nachgedacht, den Spektrum rezensiert.

Dietmar Dath hat einige reale und fiktive Begründer der modernen Informatik ins Zentrum seines neuen Romans gestellt, der es laut Freitag der Leserin nicht leicht macht – aus guten Gründen.

(Photo: RAEng_Publications, pixabay.com, CC0)

Die FAZ gratuliert Rudolf Virchow, dem Begründer der modernen Medizin und seinerzeitigen Superstar der Wissenschaft, zum 200. Geburtstag.

Steven Pinker hat ein Buch darüber geschrieben, wie oft uns Intuition und Eigeninteresse in rationale Entscheidungen hineinfunken, und die SZ verreißt es wegen des Scheiterns am eigenen Anspruch.

Telepolis bringt einen Auszug aus Matthias Pfeffers Buch „Menschliches Denken und Künstliche Intelligenz“, worin am Beispiel des Sturms aufs Capitol in Washington gezeigt wird, wie Verdummung und Spaltung der Gesellschaft dem Geschäftsmodell sozialer Medien innewohnen, und dass die Algorithmen doch an unserer Vernunft scheitern werden.

 

Jugend von heute (und damals)

Über das Stockholm-Syndrom im Überwachungskapitalismus liegen zwei neue Romane von Jörg-Uwe Albig und Claudia Tieschky vor, die laut Freitag besser Essays geworden wären.

Vor zehn Jahren machte Occupy Wall Street auf sich aufmerksam – eine jugendliche Protestbewegung, deren Scheitern schon darin angelegt war, dass jeder ihre Ziele teilen konnte, wie die FR rückblickend bemerkt.

Während an einigen Unis demnächst der Präsenzunterricht wieder losgeht, schaut die FAZ, wie es den Studierendenparlamenten erging, die ja schon vor der Pandemie wenig Aufmerksamkeit erhielten.

Wie dpa meldet, sind die Entnazifizierungsakten der Spruchkammer Südbaden nun zugänglich und erlauben neue Promotionen über „Mitläufer“ wie Martin Heidegger, Leni Riefenstahl und Franz Burda.

Der verdienstvolle Gerald Krieghofer hat den Hegel-Spruch „Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie übereinstimmen – umso schlimmer für die Tatsachen.“ – der seinen festen Platz in der Philosophiegeschichte hat – als Falschzitat enttarnt.

Oder besser andere Klassiker? Im DLF kommt heute die Lange Nacht über die Schriftstellerin Marlen Haushofer.

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