Links der Woche, rechts der Welt 21/18

Nach draußen gehen

In jedem Menschen steckt ein Nomade, weshalb Ulrich Grober in der taz dafür plädiert, mehr zu wandern (inkl. Einsteigertipps). Denn außerhalb der künstliche Räume, in denen wir unser modernes Leben zubringen, locken Entschleunigung, Autonomie und eine eigentliche Raumzeit. (19.05.18)

 

Der Mensch als Input-Output-System

Kybernetik ist in den letzten Jahren zu einem Kampfbegriff verkommen, in dem sich diffuse Ängste vor dem technokratischen Überwachungsstaat niederschlagen, wie Joachim Paul bei Telepolis bemerkt. In seiner Begriffsgeschichte spürt er auch das kritisch-emanzipatorische Potential der Kybernetik auf. (21.05.18)

 

Mehr als Frieden, Recht und Wohlstand

Den Begriff „Heimat“ will Otfried Höffe in der NZZ nicht den Fremdenfeinden überlassen, sondern auf Europa anwenden, das allen Krisen zum Trotz ein Erfolgsmodell ist. Höffe sucht darum nach einem europäischen „Wir-Gefühl“ und Verbundenheit im Angesicht von Ortlosigkeit und Migration. (22.05.18)

 

Die Quanten werdens richten

Quantencomputer gelten seit den 90ern als die Hoffnungsträger bei der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. George Musser rekapituliert bei Spektrum den halb erstaunlichen, halb ernüchternden Stand der Technik in Sachen neuronale Netze, maschinelles Lernen und Quantenphysik und beschreibt auch, inwiefern das Gehirn sich wie ein Quantencomputer verhält. (24.05.18)

 

Am Ende will jeder was von meinem Respekt abhaben!?

Robin Detje staunt in der ZEIT über die Schamlosigkeit, mit der chauvinistische Positionen in aller medialen Öffentlichkeit vertreten werden – und das als Widerstand gegen die „politische Korrektheit“ gilt, die ein rechtskonservativer Kampfbegriff ist, der aber auch bei ansonsten ganz plietschen Leuten verfängt. (25.05.18)

 

Europas Renaissance als souveräner Großraum?

Europa steckt in der Wirtschafts-, Migrations- und Terror-Krise, wie Roberto Esposito in der NZZ diagnostiziert und eine halbherzige europäische Integration als Ursache ausmacht. Heute mehr denn je stehen sich bezüglich der einzelstaatlichen Souveränität und ihrer Herausforderung durch Globalisierung und Biopolitik die Positionen Kants und Hegels gegenüber. Am Ende seines langen Essays wartet Esposito mit einer EU-topie auf. (26.05.18)

 

Wer Bücher schreibt, verliert

Geisteswissenschaften können nur verlieren, wenn sie sich auf das Evaluations- und Ranking-Spiel einlassen, dessen Kriterien zur Bewertung ergebnisorientierter Naturwissenschaften gedacht sind, wie Friedemann Bieber und Jürg Berthold in der FAZ erklären. Sie plädieren dafür, die geisteswissenschaftliche Arbeit nicht als Forschung, sondern als Gelehrsamkeit zu betrachten. (26.05.18)

 

Lichtspiele

Felix Moellers Doku „Sympathisanten“ ist dem Freitag zu sehr unfreiwillig komische Nabelschau, um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Unterstützerszene der RAF zu sein.

An der Berliner Volksbühne findet heute die Deutschlandpremiere von „Les Unwanted de Europa“ über die letzten Tage von Walter Benjamin statt, wie die taz meldet. Hier der Trailer:

Die WELT empfiehlt ebenso wie Telepolis die finstere Doku „The Cleaners“ über die jüngste Volte der Externalisierungsgesellschaft, nämlich über die armen Clickworker von Manila, die im Auftrag von IT-Unternehmen all die Grausamkeiten sichten, die Leute ins Internet hochladen:

Radio

Digitalisierung und soziale Medien haben die Art verändert, wie über Politik gesprochen wird, und darüber wiederum sprechen Roberto Simanowski und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5. Im DLF kommt heute ab 23:05 Uhr die Lange Nacht über Voltaire. Morgen früh gibt Mathias Greffrath bei Essay und Diskurs Auskunft über seine Reisen durch das unbekannte Europa von heute, mittags geht es bei Sein und Streit ebenfalls im DLF u.a. um Dummheit, Emanzipation und das Geschlecht des revolutionären Subjekts.

(Photo: Mediamodifier, pixabay.com, CC0)

Bücher

Für den Freitag sticht Armin Nassehis Spurensuche „Gab es 1968?“ wegen der Verknüpfung mit dem neurechten Zeitgeist von heute aus der Flut der Bücher zum Jubiläumsjahr heraus. +++ Die NZZ ist ganz begeistert von Nassim Nicholas Nicholas Talebs Essaysammlung „Skin in the Game“, worin er u.a. gegen Fachidioten und Gratismut bzw. für Lebensklugheit, Freiheit und Verantwortung argumentiert. +++ Bücher zur Zeit gibt es übrigens auch aus der Feder von Lichtwolf-Autoren

 

Im Asyl

Kordula Doerfler hat sich für die FR einmal angesehen, wie die Anhörung einer Asylbewerberin beim von vielen Seiten beargwöhnten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abläuft. Juri Sternburg fragt in der taz, warum Ulrike B., die beim Bremer BAMF großzügiger Asyl gewährte als das restriktive Recht und der politische Zeitgeist es gestatten, „nicht längst für diverse Menschrechtspreise nominiert“ worden ist. Ja, aber der Rechtsstaat?! Mit der Kaperung dieses Begriffs durch Rechtspopulisten beschäftigt sich Verena Weidenbach in der ZEIT.

 

Datenschutz

Seit gestern ist die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ohne Rücksicht auf Verluste in Kraft – Sie werden bereits mit entsprechenden Mails überschüttet worden sein. Während der catware.net Verlag wie so mancher andere Anbieter seine Datenschutzerklärung aktualisiert hat, sperren laut FAZ einige US-amerikanische Medien Europäerinnen einfach aus, um sich den Ärger rund um deren personenbezogene Daten zu ersparen. Gunhild Seyfert sieht im Freitag dagegen einen Gewinn an Bürgerrechten durch die DSGVO.

 

Das Weitere und Engere

Im Standard schimpft Christoph Prantner auf die Studierenden von heute, die ihm viel zu angepasst sind, und Eva Blimlinger erinnert ihn in ihrer Replik an Österreichs überaus stilles Jahr 1968. +++ Die FAZ berichtet über eine Auswertung, ob und welche Nebenjobs Studierende haben und wie sie sich auf das Studium auswirken. +++ Als hätte man es nicht geahnt: Je reicher, desto geiziger, je ärmer, desto großzügiger, so stellt eine Studie fest, über die die SZ berichtet. +++ Das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ illustriert Kierkegaards Gedanken zur Verzweiflung aus „Die Krankheit zum Tode“ eindrucksvoll, findet die ZEIT. +++ Ebenda verteidigt Micha Brumlik Leo Strauss gegen dessen Missbrauch durch Trump-Vordenker, mit dem sich Thomas Assheuer vorige Woche beschäftigt hatte. +++ Der Tagesspiegel berichtet von einer Konferenz mit Didier Eribon, Nancy Fraser und Seyla Benhabib zum Thema Emanzipation heute. +++ Im Freitag-Interview erläutet Alexander Sedlmaier das Verhältnis von Gewalt und Konsumkritik anno 1968 und heute. +++ Das menschliche Gehirn wuchs mit seinen Aufgaben, so eine neue Untersuchung, auf die Spektrum hinweist. +++ Selbstdarstellung auf Instagram ist eine einzige Ablenkung von der Sterblichkeit – und @omgliterallydead nimmt das leicht ernst: Hier werden typische Selfies von einem Skelett nachgestellt.

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