deutschland deutschland übel alles

Awareness zur baldigen Verrentung des Weltkriegsendes.

von Toby Hoffmann

(Photo: Michael Helming)

es sind vorstellungen wie filmeinstellungen. ein naziskin, eingeölt unter bäumen, nackt in seinen springerstiefeln, riefenstahlschön. muskeln glänzen im sonnenlicht. ein bild zur sonnenwendfeier 2009. die gute alte zeit ist lange her. er weint hakenkreuze, legt seinen spaten traurig beiseite. symbol für ein verlorenes deutschland. die alte sehnsucht nach entlastung, nach fahnenmeeren. allein und verloren schlurfen sie melancholisch durch die berliner multikultur.

oder: stolzen schrittes durch mügeln, mölln oder wie das hieß, in voller montur durchs brandenburger tor. durch national befreite zonen. durch rostock, hoyerswerda und potsdam. die größten erfolge einer jungen, neuen deutschen geschichte. deutschland überall, auf den großen events und happenings. deutschland, weltweite weltmeisterschaft, nicht nur in serbien wirtschaftsmacht. neu geboren.

es war neunzehnhundertpaarundneunzig: bürger und faschistoide, frustrierte, vielleicht arbeitslos (was soll man auch machen?), im fest vereint, im schimmern der flammen. lichtenhagen ist ein richtiger, echter ort, ohne film, ohne phantasie. es ist wahr: zum pogrom wurden würstchenbuden aufgestellt, wie in münchen im oktober. und wehe, einer sagt, der bullenstaat hätte sie davon nicht abhalten wollen.

anschließend ein aufstand von anständigen. sie gaben vor, sie stünden auf, einmal aus ihrem sessel, auf die straße, bewaffneten sich mit lampions. martinstag in deutschland. rabimmel, rabammel, rabumm. aufgerüstete steuerzahler, bis an die zähne moralisiert. ein wettbewerb der leuchten. wenn eine der wenigen stimmen der vernunft ein text aus dem mund eines mannes namens schorsch kamerun ist: „was soll´n die nazis raus aus deutschland? was hätte das für einen sinn? die nazis können da net naus, denn hier gehör´n se hin.“

(Illu: Georg Frost)

wie wir alle wahrscheinlich wissen, es hat ein wenig mit ernst jünger und ein bisschen mit gustaf gründgens zu tun. rühmann ist auch ein name, keiner denkt an gottfried benn, die manns waren überall, günther grass überlegte noch, erich kästner blieb ein erich, martin walser machte damals schon sachen, davon haben andere nur geträumt. manche sagen, ein mann namens adolf hitler soll irgendwie beteiligt gewesen sein, aber keiner kann das beweisen. später wurde er schauspieler und spielte sich selbst in einer selbstinszenierung, dem vielfach preisgekrönten spielfilm „der untergang“. manche spekulierten, er hätte sich in bern niedergelassen. es war ein weltwunder des deutschen kinos.

der arische kosmos erschien wieder auf der landkarte. zu fragen blieb: wo waren bertolt brecht, willy brandt, helmut schmidt, wilhelm pieck und heinrich böll die ganze zeit? hatten sie geschwiegen? hatten sie vielleicht etwas ganz anderes gemacht? es gab leute, die hatten sich schon mit konzentrationslagern beschäftigt, als andere noch in konzentrationslagern einsaßen. haben die deutschen am ende doch gewonnen? und war die ss wirklich eine widerstandsgruppe? hans filbinger war der beweis, dass es auch deutsche menschenrechtler gab.

jetzt machen japanische touristenhorden photos von uns. manche fragen, warum gerade leute in unserem alter immer reichstagsbrände und schäferhundrüden herbeiassoziieren würden. sie selbst allerdings wirken auch nicht gerade ausgelassen mit ihrem anerzogenen grinsen, und wenn man ein gespräch mit ihnen beginnen will, heißt es immer „please, can you leave us alone?“ vielleicht wollen sie wirklich nur photos machen. ihre großväter waren ebenfalls faschisten, oder, sei´s drum, monarchistische faschismus-fans. hatte nicht jeder seine gewaltherrschaft schon erlebt? waren wir nicht alle opfer? „ah, dieser stress mit der diktatur, erinnere mich nicht daran“, sagt oma, beiläufig und doch in dramatischem ton, kredenzt käsekuchen und krapfen.

die sache mit oma. am ende ging es irgendwie schnell. sie hatte kurz zuvor noch gekegelt, wanderungen unternommen, war nach griechenland gefahren und hatte, zum ersten mal in ihrem leben, krebse gegessen. ihre welt war die donauschwäbische. sie saß verhutzelt mit ihrem stock im sessel, rauchend, inszenierte in jugoslawischem akzent ihre tiraden. türken würden stinken, albaner klauen, itaker seien ein bisschen besser, würden aber ebenfalls riechen, polen na ja, russen der letzte dreck. im allgemeinen sei viel übles „volk“ unterwegs, zu viele „zigainer“. „zigainer“ kann man sich gut merken. oma. ihr reich maß vierzig quadratmeter. das waren drei zimmer. ihr boden spendete fünf bälgern lebensraum und roch nach zigtausendfachem pfannkuchenbacken und spätzleschaben. mein armes altes mütterlein, grau in grau, ziemlich schwer, angewurzelt, in blumenschürzen gebettet. das ding hab dich selig.

„die deutschland-assoziationen“, so hätte ein buch geheißen von heinrich hasser, hätte es diesen menschen, diesen autor jemals gegeben. es würde um deutschland gehen, unter anderem, deutschland, dieses übel, um alles, und was ist, wenn man l und r velwässelt, vernachrässigt, wenn über allem nur noch nichts ist. dieses land ist ein land des lächelns, der liebe. in inniger umarmung spazieren arisch aussehende paare durch gesäuberte fußgängerzonen in braunschweig, halle und schwäbisch gmünd, kaufen sich eine thüringer bratwurst, kehren danach auf ein bier im „ochsen“ ein, trinken bis zum sprachverlust, bis zur selbstaufgabe. manche meinen, 80 millionen hooligans seien genug. vielleicht ist es einfach nur genetisch: du sollst deutsche nicht mit österreichern kreuzen. schorsch, wo gehör´n se denn nun hin? ach deutschland, alte eule, deutschland, für heute, lass gut sein!

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