Eine Welt ohne Holocaust

Erinnerung an das „angedachte“ Woodstock der Revisionisten, Antisemiten und Israelhasser in Teheran.

von Timotheus Schneidegger, 15.02.2006, 23:09 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Das beleidigte Geschrei über dänische Karikaturen und über die Proteste dagegen hat die Idee des iranischen Präsidenten Ahmadineschaad, den von ihm als Mythos bezeichneten Holocaust zum Thema einer Konferenz zu machen, ein wenig in Vergessenheit geraten lassen. Zur Erinnerung: Ahmadineschaad wollte (hauptsächlich wohl selbsternannte) Historiker in Teheran darüber debattieren lassen, ob und wie viele Juden von den Deutschen Mitte des letzten Jahrhunderts ermordet wurden. Ganz freimütig lud er den britischen Premier Tony Blair ein, dort auch seine ja anscheinend ganz entschiedene Meinung kundzutun, der im Gegenzug ausrichten ließ, er wolle gerne Ahmadineschaad bei einer Führung durch Auschwitz begleiten. Man wisse noch nicht, wann der Präsident dafür Zeit hat, hieß es darauf aus Ahmadineschaads Büro.

Er hat schließlich genug zu tun. Spiegel Online wusste Ende Januar von einer iranisch initiierten Kommission zur Untersuchung des Holocaust zu berichten. Falls sie „zu dem Ergebnis komme, dass das Nazi-Regime tatsächlich sechs Millionen Juden ermordet habe, müsse eine zweite multinationale Kommission sich eine entsprechende Bestrafung für die Deutschen überlegen.“

Oha. Denn Ahmadineschaad hat ja bereits mit seiner Idee, Israel nach Mitteleuropa zu verlegen (Lichtwolf Nr. 18, S. 35f.), Mut zu innovativen Konfliktlösungen bewiesen, es wäre ihm also auch zuzutrauen, für den Fall, daß es den Holocaust wirklich gegeben hat – man gibt sich da „ergebnisoffen“ – sechs Millionen Deutsche (ohne Minderheitenstatus!) umbringen zu lassen.

Man kann sich denken, was für einen Gefallen er damit nicht nur den deutschen Revisionisten täte: Endlich der ersehnte Schlußstrich unter die braune Vergangenheit! Endlich kann, ja muß! man die Juden als „auch ein Tätervolk“ bezeichnen!

 

Zu was sich die Adressaten der geplanten Teheraner Holocaustkonferenz jetzt schon versteigen, und was von dieser Konferenz zu erwarten sein wird, lassen die Leserbriefe erahnen, die in der regierungstreuen, englischsprachigen Tageszeitung „Tehran Times“ erscheinen und vielleicht noch nicht einmal ausgedacht sind.

Am 14.02. folgte auf ein Entschuldigungsschreiben aus Dänemark diese Zuschrift aus Südafrika:

As a German South African historian and author of some scholastic books I follow up with greatest interest the controversy between the Western democracies and the Islamic Republic of Iran. I specifically regard the Tehran Times as an indispensable medium to form an objective opinion on that respective topic.
My sincere respect goes to President Mahmud Ahmadinejad, to the Iranian government and, last but not least, to your newspaper. It is a kind of respect that also will be reflected in my latetst book on global politics and Zionist pressure which will be published in Germany in a few weeks.
All best wishes
Dr. Claus Nordbruch

 

Die Tehran Times, dieses für Herrn Nordbruch unverzichtbare Medium objektiver Meinungen druckte in der gleichen Ausgabe eine vollkommen durchgeknallte Lobhudelei der nordkoreanischen Botschaft zum Geburtstag ihres geliebten Führers Kim Jong Il ab:

The international public speaks highly of him [Kim Jong Il] as „great idea-theoretician“ and „outstanding leader in the present time“. […] In August 2001 alone, when he paid an official visit to the Russian Federation, as many as 150 nations‘ TV companies telecast his visit and over 30 billion people across the five continents watched the scenes.“

 

Fantasie haben sie ja, das muß man den Nordkoreanern lassen, allein die Wortschöpfung „idea-theoretician“ ist herrlich! Bedenklich aber ihre Begeisterung von militärischem Arsenal jeder Größenordnung:

„National sovereignty, fair and equal international order, global security and peace will be achieved and maintained only on the strength of arms.“

 

Iranchef

Der iranische Präsident Mahmud Ahmadineschaad beweist, wie sein nordkoreanischer Kollege Kim Jon Il, zumindest Geschmack für schöne Hosen und erotische Sitzhaltung. (Quelle: president.ir)

 

Zurück zum Thema! Am 04.02. gab die Tehran Times eine ganz neue Erklärung für den Karikaturenstreit: Schuld an dem ganzen Bohei sei die zionistische Weltverschwörung, die es mit Zauberkraft o.ä. fertigbrachte, Christen gegen Muslime auszuspielen. Natürlich kann man Herrn Nordbruch nicht vorwerfen, wie alle anderen Hirnenergiesparer nur die Meinung für objektiv zu halten, die der eigenen entspricht. Nichts anderes als die Fortsetzung dieser trauten Innigkeit von bigotter Schmutzpresse und zu grob auf rechts gedrehten Figuren ist von der Teheraner Holocaustkonferenz zu erwarten: Ein Ringelpietz von Israelhassern aus Ländern, in denen sie für ihren Quatsch Sendezeit und Zeilengeld kriegen, und ihren Kollegen aus Ländern, in denen es dafür Post vom Staatsanwalt gibt. Letztere gratulieren ersteren für ihre konsequente Klarsicht, erstere letzteren für ihren heldenhaften Mut.

 

Leider jedoch wird ihnen das von denen, die ihr Geschichtsbuch richtig herum halten, auch ziemlich leicht gemacht. Dem Ex-RAF-Terroristen und jetzigen Verfassungsjuristen des 4. Reichs, Horst Mahler, entzog die Kommunalverwaltung auf Weisung des Bundesinnenministeriums den Reisepaß, um zu verhindern, daß er damit herumwedelt, wenn er in Teheran mit Kameraden wie Herrn Nordbruch die BRD („Selber Faschist!“) dafür anklagt, ihm das Recht auf Volksverhetzung zu rauben. Eine peinlich hilflose Maßnahme, die einen dann doch zögern lässt, wenn es darum geht, u.a. Ahmadineschaads Gerede davon zu widerlegen, der Westen lege Meinungsfreiheit nur so aus, wie es die zionistische Weltverschwörung ihm gestattet, bzw. mit der Tehran Times gesagt:

„…if Western scholars do attempt to study the dimensions of the Holocaust, their place in society and even their right to live [!] will be brought into question.“ (13.02.)

 

Naturgemäß lässt sich der Realitätsverlust von Verschwörungstheoretikern, noch dazu international vernetzten, nicht leicht beheben. Helfen wird auch nicht der Vorschlag Götz Alys, zur Teheraner Holocaustkonferenz eine Gegenveranstaltung mit Historikern aus der westlichen und islamischen Welt, sowie aus Israel zu organisieren. Für die Teheraner Antizionisten- und Antisemitenlobby wäre es nur neuer Täuschungsversuch, und ihn als solchen abzulegen ist umso bequemer, je weiter weg er stattfindet. Für alle weitaus unangenehmer wäre es, die Herausforderung anzunehmen, die abgebrühtesten Holocaustforscher zusammenzutrommeln und in Teheran aufzutauchen – weitaus unangenehmer, wie gesagt, für alle. In der Höhle des Löwen aufzuzeigen, was der Gründung Israels vorausgegangen war, dürfte auch bei denen für Irritation sorgen, denen das umständliche Ausreiseverbot für Mahler nur nützt, um Deutschland als fremdbestimmt und Revisionisten als Märtyrer der Meinungsfreiheit darzustellen.

 

Sein Kamerad Nordbruch dürfte ungehindert zum Teheraner Holohappening gelangen: Er ist längst ins sonnig-arische Südafrika ausgewandert, wie seiner Homepage zu entnehmen ist. Sie quillt über vor Artikeln, in denen er den verknackten Neonazi Ernst Zündel im kanadischen „Gulag“ wähnt und bestreitet, das es 1904 einen deutschen Völkermord am südafrikanischen Herero-Stamm gab. Als wäre das noch nicht brechreizerregend genug, ist dieses Prachtexemplar von leider ganz und gar nicht dummer Faschowuchtbrumme sogar dreist genug, Tucholsky zum Thema Meinungsfreiheit zu zitieren. Daneben gibt es ein Foto von ihm mit der Bundesministerin Wieczorek-Zeul („die rote Heide“ hat wohl nichts gewittert) und Links nicht nur zu Horst Mahler, David Irving & Co., sondern auch zum Satiremagazin Titanic, zur DFG und zu Reporter ohne Grenzen.

Der einzige Trost liegt in der unfreiwilligen Komik, die es hat, wenn der Strolch aus einem Interview zitiert, das Arafat 1993 dem Playboy gab. Zugegeben ein schwacher Trost angesichts der Schande, daß sich solche Figuren bald womöglich dort die Hände reichen, wo eine der ältesten Zivilisationen einst prachtvoll blühte und sowohl den ersten Monotheismus, als auch die ersten Menschenrechte hervorbrachte.

 

(Anm.: Die Entscheidung, in diesem Artikel Links zu den Homepages von Mahler und Nordbruch zu verwenden, fiel nach langem Zögern, in der sicheren Annahme der intellektuellen und sittlichen Reife der Lichtwolf-Leser, und nicht ohne die ausdrückliche Distanzierung vom Inhalt dieser Seiten.
Und das Tucholsky-Zitat holen wir uns zurück, Herr Nordbruch!)

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