Der Lichtwolf hat sich einen tollen Zeitpunkt ausgesucht, um sich vom Liebhaberprojekt in eine Renditemaschine zu verwandeln. Mitten in der Finanzkrise hat sich die Zeitschrift trotz Philosophie einen Kapitalismusmotor dort eingebaut, wo bislang der Antikommerzialismus brummte. Mitten in der Internetrevolution gegen die Holzmedien zieht sie den Offsetdruck dem Blog vor. Einige Worte zum Stapellauf des künftigen Lichtwolf in unsicheren Gewässern.
(Diesen Artikel aus Lichtwolf Nr. 26 können Sie auch im Printformat als PDF-Datei herunterladen: „Ein Produkt wie jedes andere“, PDF (2,92 MB))
von Timotheus Schneidegger, 09.06.2009, 14:24 Uhr (Neues Zeitalter)
Drei Berufsgruppen gibt es, deren Mitgliedern unterstellt werden darf, mehr aus Liebe denn Not ihrer Arbeit nachzugehen: Tierpfleger, Winzer und die Kopfarbeiter der schwarzen Magie. Die Not kommt hier erst mit der Arbeit. Es ist kein Geheimnis, dass die Auslese im akademischen Mittelbau nichts mit wissenschaftlicher Exzellenz zu tun hat. Die Durststrecke als Privatdozent übersteht nur, wer qua Reichtum dafür gewappnet ist oder die nötige Mischung aus Zähigkeit, Willenskraft und Improvisationstalent mitbringt. Obschon alle, die das weite Feld der Schriftsprache bestellen, an das prekäre Leben gewohnt sein sollten oder nie ernsthaft davon bedroht sein werden, wird das Klagegeheul doch schriller. In das jahrelange Seufzen der Printmedien über schwindende Anzeigenerträge stimmten die erpressten Journalisten ein, dann die Buchverlage und schließlich deren Autoren-Korona. Ihren Alpdruck kennen sie nicht so genau und der zeitgemäße Ausdruck für solche Unschärfen ist: Google. Das Internet hat zuerst den Anzeigenmarkt ausgedörrt und dann den „Qualitätsjournalismus“ mit Blogs und Schwarmintelligenz überwuchert; neuerdings droht es, den Verlagen wie zuvor den Plattenlabels ihre Vervielfältigungsrechte zu entwerten.
Gleich mehrere Halleysche Kometen verbreiten Angst und Schrecken: Das Zeitungssterben in den USA, Googles heißes Bemühen, jedes Buch des Planeten zu digitalisieren, und schließlich die Wiederauferstehung des E-Book. Von der Aufregung, dies werde das Nächste Große Ding werden, könnte sich Sony innervieren lassen, es auch mit der Minidisc noch einmal zu versuchen.
Als die Welt noch in Ordnung war, schrieben Gelehrte Fürsten Briefe über das, was gerade angesagt war: Truppenbewegungen, Breaking News aus Rom und Anregungen für die Erziehung der Kleinen. Wer das gut fand, zahlte dafür; wer nicht, bestellte ab, und es war gut für die, deren Ahnen aus dieser publizistischen Tradition ihre Aufgabe als Gatekeeper ableiten.
Bis zur Krise. Die Massen verlegen sich in pop-up-bewehrter Polyphonie unlektoriert und ohne Kapitalbedarf selbst im Netz, von der anderen Seite kommt der scannende Mähdrescher Google und dazwischen schmeißen Piraten alles in den Kopierer, was nicht niet- und nagelfest ist. Das gedruckte Wort ist in höchste Bewegung geraten. Es realisiert sich – glaubt man den altehrwürdigen Zeitungen, Verlagen und Buchhändlern – nichts weniger als die Demokratisierung der Schriftkultur, vor der es Nietzsche grauste: „Einst war der Geist Gott, dann wurde er zum Menschen, und jetzt wird er gar noch Pöbel.“ (Also sprach Zarathustra, Vom Lesen und Schreiben)
Eine ganze Branche ruft kläglich unter Verweis auf ihre unersetzliche Rolle für die Kulturnation nach der regulierenden Staatsmacht, worauf man im Internet noch nervöser zu reagieren pflegt als auf die Verachtung, die der Blogosphäre als lärmendem Orkus der Zukurzgekommenen entgegengeschrieben wird. Google gelte es zu zähmen und am besten führt man auch die bürgerlichen Ehrenrechte wieder ein, nur um sie jedem entziehen zu können, der im Internet seine unqualifizierte Meinung verbreitet.
Vom Geld wird stets geschwiegen, wenn um Kultur geklagt wird, doch es geht im vermeintlichen Verdrängungsknatsch zwischen Holz- und Strommedien um nichts anderes. Der Unterschied zwischen einem Autoren (ob Journalist, Wissenschaftler oder Dichter), dessen Werk online erscheint, und dem, dessen Werk auf Papier gedruckt wird, liegt nicht in der Anonymität oder Qualität. Das Werk als kultureller Teil der Gleichung spielte noch nie eine Rolle: Mit genug Investitionen erfuhr noch der größte Unsinn Verbreitung.
Wurde nach Gutenberg das Lesen immer billiger, wird nun das Schreiben immer billiger. Anders als die Blogger, die ohne Insolvenzplanverfahren aufgeben und ihre Publizität als Phase abtun können, gehört zum Print das Verlegen, also Druck und Vertrieb auf ausgelegtes Kapital. Doch die Zeiten, in denen Meisterwerke aus Finanzmangel in der Schublade vergilbten, sind vorbei. Es kostet kaum mehr als viel Zeit, um ein Blog oder eine Website zu betreiben. Dies als Demokratisierung der Publizität zu verstehen heißt, die Gleichsetzung von Geld und Öffentlichkeit anzuerkennen, indem man bejubelt, dass sie im Internet ausgehebelt wird.
Auf der anderen Seite ist das journalistische Ressentiment gegen die digitalen Emporkömmlinge dünkelhaft. Die Holzmedien bedauern, was dort bejubelt wird: Dass Publizität kaum noch etwas kostet. Der damit einhergehende Niveauverlust der Schriftsprache ist bloße Kampfrhetorik. Wenn die Hetze, Panikmache und Ahnungslosigkeit aus dem Verlagshaus Springer die Schriftkultur ausmachen, deren Niedergang durch YouPorn, Twitter und Hunde-Blogs befördert wird, kann man dem Internet nur die Daumen drücken.
Den Holzmedien ist wurscht, wenn Krethi und Plethi ihre Stiefel kostenfrei und ungeprüft ins Netz packen. Sorgen machen sie sich um Verwertungsrechte, wie die Debatte um OpenAccess zeigte. Der Heidelberger Appell forderte, die Rechte von Urhebern und Verlagen gegen das Internet zu schützen, wozu dann auch gehört, dass Wissenschaftler ihre Ergebnisse nicht mehr unter Ausschluss der Verlage direkt im Internet der Welt zur Verfügung stellen sollen (=OpenAccess).
Das bestehende Urheberrecht wäre durch das Internet nicht einmal dann bedroht, wenn es tatsächlich zur schwunghaften E-Book-Piraterie kommt oder nur noch in Blogform publiziert wird. Es besagt, dass ein Urheber allein über sein Werk verfügen darf: Er darf es verbrennen, verschenken, verändern oder gegen Geld verleihen. Er bleibt auch dann gesetzlich geschützter Urheber, wenn er das Vervielfältigungsrecht einem Verlag überträgt, dessen Geschäft in der möglichst exklusiven Nutzung des Copyrights besteht. Berüchtigt sind die Total-Buyout-Verträge, mit denen u.a. die FAZ ihren Autoren alle Rechte abnimmt und die Perlentaucher.de (in Sachen FAZ nicht gerade unbefangen) im „Dei-Mudda!“-Wettbewerb zwischen Holz- und Strommedien hervorzerrte.
Die Verwerter zwischen Autor und Leser sind bedroht von dem Wandel, den das Internet mit sich bringt. Verleger leben von den Rechten an Werken, deren Urheber von dem leben (wollen), was sie für die Einräumung von Rechten an ihren Werken erhalten. Sein eigenes Werk kostenlos ins Netz zu stellen bleibt jedem unbenommen. Die Verlagswelt wird sich deswegen nicht in eine Walstatt verwandeln, denn nicht jeder Autor ist – zum Beispiel als Hobbyschreiber mit Brotberuf und geringen formalen Ansprüchen oder als Forscher im Staatsdienst mit einem Hiwi für Satz und Korrektur – in der Lage, seinen Verleger überflüssig machen zu können. Es geht neben Geld schließlich auch um Buchführung, Steuern, Anmeldungen, Abmahnungen, Marketing und Vertrieb.
Doch werden Verlage auch künftig Kunden haben, denen sie das, was sie aus den Rechten machen, verkaufen können? Die durchaus berechtigte Sorge der Verlage und ein ständiges Topos der Internet-Tiraden ist die Gratiskultur des Netzes. Alle bisherigen Versuche, einen Internet-Auftritt durch Online-Werbung oder Abo-Modelle wenigstens zum Nullsummenspiel zu machen, sind gescheitert. Die Generation derer, die mit dem Internet aufgewachsen sind, hat sich daran gewöhnt, im Internet alles – kostenlos – sofort vorzufinden. Das ist nichts für die Verlagshäuser, die zumindest für Autoren und Druck Geld ausgeben müssen, um das Produkt anschließend zu verkaufen. Und weil ein Buch oder eine Zeitung kein Produkt wie jedes andere ist, wird es auch künftig Käufer finden. Doch werden es genug sein?
Für nicht wenige Verlagshäuser lautet die Antwort: Nein.
Obschon allen Beteiligten der Debatte Print vs. Digital klar ist, dass es um Geld geht, wagt dies niemand offen zu schreiben. Die Holzmedien werden ihren kulturtragenden Nimbus bis zuletzt wahren. Am deutlichsten werden allenfalls die, die nichts zu verlieren haben. Neben der Häme der Blogger über den Niedergang der Holzmedien fällt die Rede von Geschäftsmodellen in ihren Kommentaren auf. Diejenigen der Zeitungs- und Buchwirtschaft seien hoffnungslos veraltet, wird in oft unter 140 Zeichen evolutionärer Apokalyptik verkündet, als glaubte die Generation 2.0 fest an den BWL-Hegelianismus, wonach alles, was ist, profitabel ist.
Die Gegenfrage, wie es denn mit den Geschäftsmodellen der Blogs aussieht, erweist diese Unterstellung gleich als Irrtum, und bei wem diese doch zutrifft, ist sogleich Wahnsinn diagnostiziert: Robert Basic konnte sein Blog nach jahrelanger Maloche für ein gutes Jahresgehalt bei eBay versteigern; Groß- und Breitspurblogger Don Alphonso hat es sich in einer FAZ-Glosse bequem gemacht. Als das gefragte Medienlese-Blog aus wirtschaftlichen Gründen Ende April weitgehend eingestellt wurde, zeigte sich dieselbe FAZ außerstande, wenigstens der Schulhofehre zu genügen und nicht nachzutreten. Im Internet ist kein Geld zu verdienen, jedenfalls nicht mit Geschäftsmodellen, in denen die Ausdrücke „kostenlos“ und „frei zugänglich“ mit Abstand am häufigsten vorkommen.
Am Anfang eines Blogs steht auch gar kein Geschäftsmodell. Hier wird nicht des Geldes wegen geschrieben und wäre es anders, zwänge der Blick auf die Betriebsstundenkosten dazu, in den lukrativeren Kellnerberuf zu wechseln. Wenn hier nun Kulturträger beider Welten unisono aufschreien, es könne doch nicht angehen, dass man mit einer anspruchsvollen Tätigkeit wie Schreiben so wenig und immer weniger verdient, dann seien sie an den Anfang des Textes und die Geschichte des Schreibens verwiesen. Wie jeder andere Beruf setzen diejenigen im Bereich der Schriftsprache neben Kunstfertigkeit eine psychische Eignung voraus. Ein Schriftsteller, der ungern verhandelt und Armut nicht erträgt, ist wie ein Pathologe, der keine Leichen sehen kann.
Auch wenn manche tun, als seien sie mit wildesten Versprechungen für das Schreibgewerbe schanghait worden, beweist die bloße Fortexistenz zahlreicher Blogs (und Verlage), dass es um mehr als Geld oder Geschäftsmodelle geht. So nährt sich der Verdacht, der bloggenden Chruschtschows‘ Ankündigung, man werde der Holzmedien Geschäftsmodell beerdigen, solle den Gegner da treffen, wo es fast schon wieder guttut: Im Selbstverständnis der Kulturunternehmen, nicht bloß ein Produkt wie jedes andere zu vertreiben.
Aus dem Internet schallt da eine unmusikalische Coverversion von „Cat’s in the Cradle“. An den Tastaturen von Generation 2.0 sitzen die 20- bis 40-jährigen. In den Büros dagegen sind es 40- bis 60-jährige, die Tag für Tag die Online-Kommentare aus dem Druckerschacht fischen und die Ernte ihrer ökonomistischen Predigten einfahren: Professoren, die die Umwandlung der Universität in ein Ausbildungs-IKEA aus Angst vorm Dienstherren bestenfalls mit einem Augenrollen „kritisch begleiteten“. Redakteure, die von der Heilskraft des Wettbewerbs schwärmten, aber außerstande waren, die Jahresabschlüsse von Großbanken und Konzernen zu lesen. Verlagsleiter, die die immergleichen Stiefel ausliefern, weil sie sich Renditevorgaben unterwerfen oder das Risiko scheuen, dem sich zu stellen einstmals Verlegern Größe verlieh. Ihr habt den Darwinismus gewollt, als ihr stark wart, so lautet die Botschaft der Jungen an die Alten, nun sollt ihr ihn auch bekommen, wenn ihr schwach seid. „And as I hung up the phone, it occurred to me / He’d grown up just like me / My boy was just like me …“
Insofern ist die Redeweise von einer Internetrevolution nicht nur aus technologisch Hinsicht angebracht. Wie in E- und Revolution wird eine alte Elite von einer jungen verdrängt, die sich in den neuen Zeiten besser zurechtfindet.
Nur werden die Alten nicht in den Wald gejagt und ebenso wenig wird dies der erste technologische Wandel sein, der ein Medium restlos vom Antlitz der Erde tilgt. Der Radiostar hat mit dem Fernsehen leben gelernt, weil dessen Vorzüge (Bild) zugleich seine Nutzung einschränken und dem Radio seither seine Zuhörer in den Autos und Büros der Welt sichern.
Die selbstbewussteren Vertreter der Holzmedien betonen mal flehend, mal gönnerhaft Vorzüge und die Unentbehrlichkeit des Internet. Es informiert schnell, kurz und bündig; wer mag, folgt den Links bis zur Universalbildung. Das starre und geduldige Papier eignet sich nicht für Eilmeldungen, die alle fünf Minuten korrigiert werden. Schwarmintelligenz funktioniert, aber nicht immer und überall.
Der Lieblingsvorwurf lautet, die elitären Holzmedien behandelten den Leser wie ein Mündel, das es zu füttern gilt, und müssten schon deshalb weg, weil die Einbahnstraßen-Kommunikation unzeitgemäß ist. Sich dem wirren Feedback des Pöbels auszusetzen, sich gar von Hinz und Kunz öffentlich belehren lassen zu müssen habe die „Geistesaristokratie“ nicht nötig; tatsächlich reagierte Adam Soboczynski in der ZEIT auf das Mitsprachegequengel 2.0 mit diesem Schlagwort Ernst Jüngers, dem – davon darf die E-Community ausgehen – zum WWW auch nur „verdrahtete Lemuren“ eingefallen wäre.
Ob „Follower“ ein mündigerer oder würdevollerer Status ist als „Abonnent“ mag jeder selbst entscheiden. Das Web 2.0 jedenfalls kommt auch nach Abflauen des Hypes nicht über reines social grooming hinaus. Die wechselseitigen Verlinkungen, Trace-Backs und Shout-Outs lassen zweifeln, ob dahinter tatsächlich ein neues Menschheitsgeschlecht steckt. Oder ob nicht bloß ein paar Dutzend digitaler Bohemiens in die selbstreferentielle Blase geraten sind, die auch den Printjournalisten, der nur noch mit anderen Printjournalisten zu tun hat, von „den Leuten da draußen“ trennt. Wenn dem so ist, geht es natürlich nicht mehr um Geld und Generationskonflikte; dann wäre die Blogosphäre zufrieden, stünde man ihr Presseausweise zu, um kostenlos ins Kino gehen zu können wie die Drohnen der Holzmedien.
Nichts in der Menschheitsgeschichte ist mit dem Medium Internet vergleichbar; der herrschaftsfreie Diskurs, in dem sich künftig das gesamte Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen abspielen wird, ist es nicht. So groß auch der evolutionäre Eifer der Strommedien ist, „alte Zöpfe“ abzuschneiden, jedermann ins Boot zu holen und Holz nur noch als Energieträger für Server zu brauchen: Romane in Blogform werden am Ende doch gedruckt; wo Schriftsteller überhaupt bloggen, so berichten sie darin nur über ihre Arbeit. Deren Ergebnisse werden sich auch künftig nur in Holzform verwerten lassen. Doch den Dichter hält nicht nur die Not davon ab, die Früchte seiner Arbeit dem Netz zu überantworten. Das praktische und schnelle Internet ist einfach ungeeignet für Literatur und Philosophie. Zu groß ist die Gefahr (für Leser und Autor), den Faden zu verlieren. Natürlich ist der Verfasser nicht unbefangen: Auch der Lichtwolf funktioniert nicht als Blog. Philosophie ist geduldige Langstreckenarbeit. Über den Texten und Illustrationen brüten ihre Urheber monatelang, manche Artikel werden mehrfach korrigiert und überarbeitet, ehe sie das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Sollten sie dem Internet-Rhythmus folgen und den täglichen Eintrag abschicken, käme nur ein Provisorium nach dem anderen heraus.
Das Internet ist praktisch und nicht schön. Wikipedia, gesammelte Werke, erschlossen mit Volltextsuche, alles so unverzichtbar wie die E-Mail zur zügigen Kommunikation. Sie hat den papiernen Brief deswegen nicht ausgerottet, sondern noch wertvoller gemacht.
Wir haben es gar nicht mit einer Verdrängung zu tun, wie sie der Musikkassette durch die CD widerfahren ist, deren Verdrängung durch die Minidisc wiederum nur beschworen worden ist. Die Internetrevolution ist nicht einmal mit der Ergänzung des Radios durchs Fernsehen vergleichbar, denn das eigentliche Trägermedium ist bei Strom- wie Holzmedien gleichermaßen die (illustrierte) Schriftsprache. Das Internet fügt ihr lediglich eine neue Vertriebsart (die kostenlose Publizität in beiden Richtungen) und neue Formen hinzu, in denen zugleich die Beschränkungen liegen, die dem Buch und der Zeitung auch weiterhin eine Nische sichern.
Sie wird kleiner werden und in den USA sterben bereits die Tageszeitungen. Alte Zöpfe werden endlich abgeschnitten, so die schadenfrohen Kommentare derer, die die Internet-Revolution zur Evolution aufgemotzen, die mit den unfitten Holzmedien aufräumt. In der Tat waren es damals und sind es heute die großen Dinosaurier, denen zu recht die Muffe geht angesichts des rapiden Wandels ihrer Umwelt. Ein Tyrannosaurus Randomhouse wird bald ernste Schwierigkeiten haben, noch den Umsatz zu erzielen, den er zur Aufrechterhaltung seiner Infrastruktur benötigt. Doch wenn denen, die „too small to fail“ sind, Zähigkeit, Willenskraft und Improvisationstalent gegeben ist, werden sie auch dann in den Wipfeln und Tümpeln brüten, wenn längst alles voller Säugetiere ist.
Das Abendland bleibt entgegen anders lautender Meldungen stehen, selbst wenn künftig jeder Text kostenlos im Netz steht und Autoren nur noch direkt mit ihren Lesern kommunizieren. Denn auch dann wird es Leser geben, die Papier in den Händen halten möchten, und so wird weiter gedruckt und verlegt werden. Man kann sich beleidigt in die ruhige Ecke zurückziehen, wie es Soboczynski der Geistesaristokratie vorschlug. Oder man hört mit dem Gegreine auf und macht sich beschwingt an die Arbeit, denn es wird immer Menschen geben, die die alten Zöpfe ebenso schätzen wie die praktischen Kurzhaarfrisuren.
(Diesen Artikel aus Lichtwolf Nr. 26 können Sie auch im Printformat als PDF-Datei herunterladen: „Ein Produkt wie jedes andere“, PDF (2,92 MB))
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