Novemberproteste – Eröffnung & erste Demo

Tag 1 der geplanten Freiburger Studierendenproteste vom 08. bis 10.11.05.

von Timotheus Schneidegger, 09.11.2005, 15:02 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Anders als vor einem halben Jahr sind die aktuellen, womöglichen letzten Proteste gegen Studiengebühren in Freiburg nicht mit einem propagandistischen Aufwand ala „Freiburger Frühling“, „summer of resistance“ usw. angekündigt worden. Entsprechend übersichtlich blieb die Vollversammlung (VV), mit der am 08.11. im Foyer des Kollegiengebäudes I die neuerlichen Proteste eröffnet wurden. Die wenigen Protestwilligen, die sich eingefunden hatten, mussten sich zunächst noch etwas gedulden: Die Schlepptrupps, die von Hörsaal zu Hörsaal zogen, um weitere Studierende zu „mobilisieren“, waren mit angeblich 200 Köpfen im Anmarsch. Ihr Heulen, Hupen und Pfeifen hallte bereits unheimlich durch die weiten Gänge der Uni. Schließlich kam eine Menge, deren Größe zwischen traurig und lächerlich oszillierte, zusammen und lauschte den nun folgenden leidenschaftlichen Brandreden gegen die Ökonomisierung der Hochschulen und den Rückzug des Staates aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung für die Bildung. Die Studierenden hätten keine Lust, finanziell für die Inkompetenz der Landespolitik aufzukommen; statt fürs Studium bezahlen zu müssen, sollte man besser dafür bezahlt werden, und zwar durch eine Ausweitung des BaFÖG. Die Forderungen, die bereits im Mai gestellt worden waren, wurden nun erneut von der VV abgesegnet. Darüber, ob das auch diejenige beinhaltet, Rektor Jäger solle zurücktreten, weil er im perfekten Gegensatz zum Gros seiner Studierenden die hochschulpolitischen Pläne des Landes unterstützt, war nichts eindeutiges zu vernehmen. Bereits seit September liegt der Gesetzesentwurf für ein Studiengebührenmodell vor, der am 30.11. im Stuttgarter Landtag gelesen und womöglich am 15.12. beschlossen werden soll. Erstmals also ist bei diesen Protesten klar, worum genau es geht, weshalb die Forderungen nach einem gebührenfreien und chancengleichen Studium überdeutlich im Vordergrund stehen.

 

Doch anders als die Kollegen von der PH Freiburg, die ihre Hochschule bestreiken wollen und dazu aufriefen, sich anzuschließen, wirkten die Studierenden der Freiburger Uni, wohl der Jahreszeit geschuldet, etwas träge. Zwei Wortmeldungen erhielten in der VV viel Applaus und sonst nichts: Die eine forderte dazu auf, die verbleibende Zeit dazu zu nutzen, wenigstens am Modell der unvermeidlichen Studiengebühren konstruktiv mitzuarbeiten, anstatt es rigoros abzulehnen. Die andere forderte statt harmloser Aktionen einen „harten“ Streik, also die Abriegelung der Uni, um auch die Komilitonen aufklären zu können, die – wohl nur aus Unwissen über das, was auf sie zukommt – ungerührt weiter ihre Veranstaltungen besuchen. Weder der eine, noch der andere Vorschlag hatte spürbare Konsequenzen für den weiteren Verlauf der VV. Denn zum einen versuchen nicht nur baden-württembergische Studierendenvertretungen seit Jahren, konstruktiven Einfluß auf die Hochschulpolitik ihres Landes zu erhalten – da, wo es darauf ankommt, erfolglos. Zum anderen sind die Rangeleien und Beschimpfungen vom Januar 2004 nicht vergessen, die sich der u-asta mit dem damaligen „weichen“ Streik an der Uni einhandelte (dabei sitzen, im Gegensatz zur harten Variante, an allen Eingängen lediglich Informationsposten, die die übrigen Komilitonen auch gegen deren Willen „aufklären“, jedoch nicht aussperren).

Demo

Spontandemo nach der Vollversammlung am 08.11. (weitere Bilder des Tages in dieser und jener Galerie)

 

Anstatt die subtile Solidarität mit den französischen Banlieus an der Uni auszulassen, aus der künftige Innenminister die verbliebenen Protestwilligen sicher gerne rauskärchern würden, wurde anschließend nur eine spontane Demonstration durch Freiburg veranstaltet. Erste Station war die Filiale der Deutschen Bank direkt neben dem Polizeipräsidium (das sofort sämtliche verfügbaren Streifenpolizisten dem Zug hinterherschickte). Dort fragten die Studierenden lautstark an, ob man ihnen 500 Euro fürs Studium geben würde. Die Begeisterung der größtenteils Noch-Angestellten von Josef Ackermann hielt sich in Grenzen, und so zog man weiter, die Eisenbahnstraße hinab zur Freiburger CDU-Zentrale, wo unter den neugierigen Augen der Schülerinnen des gegenüberliegenden St.Ursula-Mädchengymnasiums abermals lautstark gefragt wurde, was die Studierenden denn nun machen sollen. Von der CDU zeigte sich jedoch niemand hinter der Polizeiabsperrung, also weiter zum Rektorat, das aus den Ereignissen vor sechs Monaten gelernt und bereits alle Zugänge abgeschlossen hatte. Vor ihnen gab es einige kleine Rangeleien zwischen Polizei und Studierenden, fast eine Festnahme, doch auch hier war niemand bereit, sich den Fragen und Forderungen der Demonstranten zu stellen.

Demo

Rektorat der Uni Freiburg (08.11.): Links die heranstürmenden Demonstranten, rechts die Polizei vor dem verriegelten Eingang. (weitere Bilder des Tages in dieser und jener Galerie)

 

Diese nahmen Kurs auf ihre letzte Station, das Institutsviertel, in der Hoffnung, für den mehrheitlich von geisteswissenschaftlichen Studierenden getragenen Protest einige der vielgefragten und umworbenen Komilitonen der life sciences gewinnen zu können. Die dortige Mensa wurde mit Megaphonen, Trillerpfeifen und Transparenten aufgemischt, aber Hand aufs Herz: Wer sein teuer bezahltes Mahl stehen lässt, um dann doch noch mitzudemonstrieren, hat sie doch nicht alle.

Danach wurde noch versucht, ein Werbebannergestell zu requirieren, das ein armer Franchisenehmer dort hingerollt hatte, um vor diesem Hintergrund Studenten irgendwelche Internetverträge aufzuschwatzen. Der arme Mann wehrte sich aber mit Händen und Füßen gegen diese „Asozialen“ und dann war auch erstmal Schluß.

 

Das weitere Protestprogramm: Jede Menge Vorträge, Mobilisierungen, workshops und Plena, am 10.11. eine „Rolldemo“ (alles, was mindestens ein Rad hat, macht mit) zum landesweiten Protesttag, für den 30.11., zum Beginn der Lesung des geplanten Gebührengesetzes im Landtag, wurde eine große Demonstration in Stuttgart angekündigt. Danach wird nichts mehr kommen, nur noch Demonstrationen gegen die nächste Erhöhung der Studiengebühren.

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