Reaktion des Rektorats auf die Forderungen der Besetzer

von Timotheus Schneidegger, 07.05.2005, 20:46 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Am späten Nachmittag des 07.05. visitierte Prorektor Volz einmal mehr das seit dem 02.05. von Studierenden besetzte Rektorat; dieses Mal, um den Forderungskatalog zu beantworten, der ihm am Mittwoch mit dem Appell, das Rektorat möge die Gesuche der Studierenden unterstützen und auf ihre Umsetzung hinarbeiten, überreicht worden war. Rektor Jäger weilt seit Mittwoch Morgen in Rumänien, wo die Telefonverbindungen „ausgesprochen brüchig“ (Volz) sind, weshalb eben dieser Volz als Stellvertreter ohne Rücksprache mit dem eigentlichen Universitätsleiter Stellung nehmen musste.

 

Bildungsgerechtigkeit: Der ersten Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung stimmte Volz „theoretisch voll zu“, gab aber zu Bedenken, in der Praxis sei tatsächliche Gleichheit aller Menschen – auch in der Bildung – nie zu erreichen. Ein passender Auftakt.

 

Bildungsfinanzierung: Die Hochschulen könnten, so der Forderungskatalog, in weit größerem Umfang staatlich finanziert werden als bisher – den politischen Willen dazu vorausgesetzt, der gegenwärtig jedoch der zunehmenden privaten Bildungsfinanzierung (z.B. durch Studiengebühren und Sponsoring) zuneigt. Volz zeigte sich ebenfalls überzeugt davon, daß die Hochschulen auch weiterhin durch Steuern finanziert werden müssen und höherer Zuwendungen bedürfen. Doch genau damit endete schon der Konsens: Studiengebühren seien, so Volz, ein zusätzlicher Beitrag zur Bildungsfinanzierung, zumal sie die „Ernsthaftigkeit“ und Eigenverantwortlichkeit von sowohl Lehrenden als auch Studierenden förderten. Studiengebühren in feststehender Höhe von 10% der durchschnittlichen Gesamtkosten eines Studiums seien mehr als ein bloß symbolischer Beitrag, aber immer noch so wenig, daß eine hauptsächliche Finanzierung der Hochschule durch Steuern gewährleistet sei. Aus diesem Grunde sorge er sich auch nicht um „einkommensneutrale Fächer“ (d.h. nicht-berufsspezifische Ausbildung). Würden sie aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Bildungsspektrum verschwinden, „muß der Anspruch der Universität verfallen“.

 

Landeshochschulgesetz: Die Einwände der Studierenden gegen zwei Grundprinzipien des neuen Landeshochschulgesetzes (die Hierarchisierung der Uni zulasten sowieso schon beschränkter Mitwirkungsrechte, sowie die Fremdbestimmung der Uni durch externe Wirtschaftslobbyisten in Entscheidungspositionen) versuchte Volz durch eine verharmlosende Darstellung der Änderungen zu entkräften. Die Furcht vor einer fremdbestimmten Universität könne er zwar nachvollziehen, aber nicht teilen: Bisherige Erfahrungen mit dem Universitätsrat, der die Entwicklung der Uni plant und von dessen elf Sitzen sechs von Externen belegt sind, würden diese Externen wenn schon als Lobbyisten, dann als solche der Uni erweisen.

 

Kompetenzübertragung an bestehende Gremien: Die Studierenden haben wenig davon, daß sich Rektor Jäger (unter Einsatz seines Lebens, wie man meinen möchte) bei der Landesregierung für den Erhalt von Mitspracherechten bisheriger Universitätsgremien eingesetzt habe. In den bestehenden, künftig auf Zaungäste oder Ratgeber reduzierten Gremien waren die Studierenden heillos unterrepräsentiert und fordern nicht nur mehr Mitwirkungsrechte für diese Gremien, sondern vor allem eine repräsentative Gleichberechtigung aller darin vertretenen Statusgruppen der Uni. Dies lehnte Volz mit dem Argument ab, von vielen Entscheidungen seien nicht alle Gruppen gleichermaßen betroffen und daher nicht kompetent genug, um ihre Mitwirkung zu rechtfertigen. Dem sattelte er das Bild auf, welches die „berechtigte Entscheidungsdominanz“ des bestehenden Minderheitsregimes legitimieren soll: Eine parlamentarische Gesellschaft beauftragt Professoren mit der Gründung einer Uni, diese suchen sich Mitarbeiter aus und betreiben die Lehre von und für Studierende. Das Prinzip der paritätischen Repräsentation sei keine Selbstverständlichkeit, aber – hier einmal mehr der klebrige Zuckerguß der abstrakten Zustimmung: Die Größe der Vertretergruppen sei – innerhalb des landesgesetzlichen Rahmens – diskutabel. (Bislang besteht der Senat aus acht Vertretern der Professorenschaft und jeweils vier Repräsentanten von Studierenden, wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Mitarbeitern, sowie aus der Frauenbeauftragten und – hier kippt die Parität endgültig in DDR-Verhältnisse – sämtlichen Mitgliedern von Rektorat und Dekanaten.)

 

Für eine emanzipierte Uni: Daß die Gleichstellung von Mann und Frau auch an der Universität noch längst nicht abgeschlossen ist und hier dringender Handlungsbedarf besteht, sieht Herr Volz, kurz gesagt, genauso wie die Studierenden.

 

Akademische Selbstverwaltung: Auch die Forderung, die Entscheidungsfindungen innerhalb der Universitätsgremien müssten transparent sein, teilte Volz, nur darüber, wie dies zu erreichen ist, müsse man weiter diskutieren. Die Einführung von Geschäftsordnungen, worauf die Studierenden drängen, solle alle Gremien selbst überlassen bleiben: Sie seien „okay“, wenn sie die Arbeit verbessern anstatt sie mit zusätzlicher Bürokratie zu behindern, und eben dies ist eine bedeutsame Einschränkung, denn Geschäftsordnungen können „die Flexibilität der Entscheidungsfindung beeinträchtigen“, weshalb bestehende Universitätsgremien davor zurückschrecken. Die bisherige Situation findet Volz somit „vertretbar“, wenn auch mehr in Sachen Aufklärung getan werden könne: Der Senat habe längst, wie gefordert, darüber nachgesonnen, wie die Studierenden über die Funktionsweise der akademischen Selbstverwaltung geschult werden könnten.

 

Studentische Selbstverwaltung: Bezüglich der Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft und deren Autonomie gab sich Volz vordergründig erstaunlich zustimmend. Zwar habe er den Eindruck, norddeutsche Unis würden „nicht besser funktionieren als diejenigen Baden-Württembergs“, nur weil die dortigen Studierendenvertretungen nicht per Landesgesetz zu Hungertuch und Knebel verdammt sind. Doch wenn eine Verfasste Studierendenschaft ordentlich ihrer Arbeit nachgeht und sich nicht in irgendwelche einseitigen Ideologien versteigt oder sich als neue überregionaler „Parteiersatz“ versteht, unterstützt Volz diese Forderung, die jedoch bei Ausbildungsminister Frankenberg besser aufgehoben sei. Und selbst ein allgemeinpolitisches Mandat würde Volz der Studierendenvertretung zubilligen, habe er doch gesehen, wie schnell hochschulpolitische Fragen in allgemeinpolitische Gefilde führen.

Für tatsächliche Unterstützung aber reichte es dann doch nicht: Die Politiker in Stuttgart seien für gute Argumente empfänglich, und eine Verfasste Studierendenschaft wäre auf diesem Weg durchaus zu erreichen, Einwände hat Volz gegen diese Forderung der Studierenden also nicht, nur „würde ich mich dafür zum jetzigen Zeitpunkt nicht verkämpfen“, d.h. mit seiner Person und Funktion auf ihre Umsetzung drängen.

 

Den letzten Punkt des Forderungskatalogs sprach Volz erst auf Nachfrage an: Die Forderung des Rücktritts von Rektor Jäger „kann ich natürlich nicht unterstützen“. Die Überraschung und Enttäuschung davon hielten sich auch hier in Grenzen, zumal die Studierenden nicht ernsthaft damit rechnen konnten, auch nur die geringste über Lippenbekenntnisse hinausgehende Unterstützung von Seiten ihres Rektorats zu erhalten.

Sie formulierten in abendlichen Arbeitskreisen eine Antwort auf die Antwort von Volz, der versprach, dieses neue Papier am Sonntag nach Stuttgart zu Ausbildungsminister Frankenberg mitzunehmen und ihm vorzulegen. Wenn Frankenberg am kommenden Mittwoch Freiburg besucht, wird ihm also frisch im Gedächtnis sein, was die Studierenden von ihm und seinen Regierungskollegen fordern. Wie es aussieht, bleibt das Rektorat bis dahin weiter besetzt, um den seit Jahrzehnten bestehenden und ignorierten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Denn die bloße Zur Kenntnisnahme genügt nicht.

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