Ab heute Räumungsgefahr.

von Timotheus Schneidegger, 05.05.2005, 18:06 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

Am Nachmittag war die Lage im besetzten Rektorat der Uni Freiburg ruhig und entspannt. Auf der Treppe gen der abgeriegelten oberen Stockwerke unterhielten sich einige Studierende mit der Polizei, die sich entsetzlich langweilen muß und sichtlich froh darüber war, mal wieder etwas menscheln zu dürfen.

VolzPünktlich wie die Feuerwehr erschien Prorektor Volz um 16 Uhr, um den Studierenden (deren Zahl bis dahin ins nicht räumbare gestiegen war) zu allererst klarzumachen, er sei gründlich mißverstanden worden: Seine Ankündigung, die Besetzung nach 16 Uhr nicht mehr zu dulden sei kein Ultimatum gewesen; die Studierenden mögen aber dennoch bitte das Verwaltungsgebäude verlassen. Die lehnten das erwartungsgemäß dankend ab. In der folgenden Diskussion, die Prorektor Volz um ein Haar beleidigt abgebrochen hätte, hielten beide Seiten stur an ihren Positionen fest, wobei die Studierenden jedoch die eindeutig bessere Figur machten als der Herold aus dem Königreich Universität. Der konnte keine widerspruchsfreien oder wenigstens vollständigen Antworten darauf geben, wieso die gewählten Repräsentanten der Universität gegen ihre Untertanen regieren; die Forderungen der Studierendenvertretung (Verhinderung von Studiengebühren, Stop der Hochschul-Ökonomisierung) werden gemäß einer gestern veröffentlichten Solidaritätsbekundung vom Personalrat der Uni unterstützt. Einzig die Professorenschaft als kleinste, aber bei weitem einflußreichste Interessengruppe unterstützt die Pläne Stuttgarts oder akzeptiert sie schweigend. Daher freut sich die Uni Freiburg offiziell auch weiterhin auf Studiengebühren, Sponsoring und Aufsichtsrat, auch wenn die Vertretungen von schlappen 97,2% der Universitätsmitglieder entschieden dagegen sind. (Das Königreich Universität Freiburg in Zahlen: rund 36.000 Einwohner unter der Regentschaft seiner Magnifizienz Prof.Dr.Dr.hc.mult. Wolfgang Jäger von Ministeriums Gnaden, davon: 61,1% Studierende, 36,1% Angestellte, 2,8% Professoren).

Das Recht, auf das sich das Rektorat beruft, wenn es die Studierenden des Hauses verweist, ist das gleiche, das es ihm ermöglicht gegen den ausdrücklichen Willen einer Mehrheit der Größenordnung von Saddam Hussein-Wählern zu handeln und sich dabei darauf zu berufen, „selbstverständlich“ die Interessen der Studierenden damit zu vertreten (weil die Führungselite besser weiß, was gut für die Studierenden ist).

Das Gespräch brachte keine neuen Erkenntnisse und führte die Konfliktparteien auch nicht auf einander zu, offenbarte statt dessen jedoch einmal mehr die haarsträubenden politischen Strukturen der deutschen Hochschule, die heutzutage von keinem ehrlichen Menschen als „demokratisch“ oder „legitim“ verteidigt werden können. Gut, daß sich Herr Volz wenigstens dazu nicht verstiegen hat, so ist es nämlich gerade so noch möglich, seine Abgebrühtheit zu loben, mit der er sich dem Mob gestellt hat.

Die Besetzung wird fortgesetzt, jetzt unter dem Damoklesschwert der Räumung. Bei der aber hat das Rektorat viel mehr zu verlieren als die Studierenden: Beide Seiten wissen, wie die Taktik des Aussitzens funktioniert und daß sie gründlich scheitert, wenn das Rektorat zu einem Zeitpunkt räumen lässt, an dem die studentischen Proteste an Fahrt gewinnen, zunehmend mediale Aufmerksamkeit erhalten und die Strukturen, denen der Ausverkauf der deutschen Hochschule zu verdanken ist, zur Offenbarung zwingen.

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