von Selma von Canterbury, 01.07.2003, 16:21 Uhr (Dunkles Zeitalter)
Ein Menschenkind in jungen Jahren entschließt sich Maler zu werden.
Es gelangt in die Obhut einer ehrenwerten Schule und erlernt die Technae. Perspektiven, Schattierungen, der Umgang mit vielerlei Material, so ab und an erhascht’s einen Blick auf die Werke längst vergangener Zeit.
Sie bekommen nun die Augen und Aufmerksamkeiten, die ihnen gebührt. Sie werden interpretiert und krämpflich versuchen kleine Geister es verstanden zu haben. Und dennoch maßt sich ein niemand an, Kopien zu erstellen. Denn ein jeder geht seinen Weg.
Er beobachtet, läßts auf sich einfließen, verarbeitet, schafft eine Einzigartigkeit und präsentiert mit stolzgeschwollender Brust den Strich in der Landschaft. Doch es ist seine von innen erwachsend ausdrückliche Persönlichkeit.
Und wie hält sie’s nun, die Wissenschaft der großen Gedanken?
Fragen könnte jeder, wie auch einen Pinsel in der Hand halten.
Und findet man einen Gefallen daran, möchte gar die ganze Angelegenheit als Teil seiner Studie betrachten, so erlernt man in der Akademia nicht die Technae, sondern das Kopieren. Die einzig große Freiheit besteht in derAuswahl der Zitierung.
Und wenn es eine Kunst des Philosophierens geben sollte, so reift diese nicht in gewissen Werken, sondern wird an ihnen den eigenen Weg finden müssen.
Nun, die meisten verdienen ihr Brot mit dem Kopieren. Sie besitzen Pinsel, Farbe und eine große Staffelei, und sind gedrillt auf die scheinbar exakte Wiedergabe, doch dafür müßten sie in die Haut des Bildes hineingekrochen sein, in ihr herumgewütet und jede Faser des Werkes aufgesogen haben um Vollkommenheit in ihrem Resultat zu erfahren.
Der erste Schritt auf diesem Weg wäre Selbstaufgabe. Das wenig Wesen hinzugeben und die behütende Macht entscheiden zu lassen. Welche Wohlkontrolliertheit würde nun ihren Zepter rühren?
Da wäre sie nun, die Freiheit, ein Geschenk über das sich niemand freuen kann. Wer immer ihr begegnet, bedient sich seines eigenen Ausdrucks. Und mit ihm kommt das Mißverständis. Vor Leuten mit ungleich gebildeter Biographie, die zwar erahnen, aber nie wissen können, ohne
selbiges erlebt zu haben.
Ein großes Werk, woher es kam und gehen wird, ein niemand weiß es so genau, doch gewiß ist die lebenslange Auseinandersetzung mit der eigenen Natur.
Willkommen in der endenden Gewißheit, nach einer langen Geschichte dort anzukommen, wo alles begann, beim kleinen Menschenkind.