Philosophie ist Religion

von count_bobby, 02.07.2003, 09:37 Uhr (Dunkles Zeitalter)

 

Ich sehe sie bildlich vor mir, die Damen und Herren Philosophen beim Anblick dieser Überschrift. Um es gleich zu Beginn zu sagen: Ich denke nicht, daß man an Gott glauben muß, wenn man Philosophie betreiben will, noch gehe ich davon aus, daß die Mehrzahl der Philosophen dies tut. Vielleicht ist dies aber genau das Problem, und Sie können mir glauben, daß es mir als überzeugtem Atheisten schwerfällt so etwas zu sagen.

Worauf will ich hinaus: Anstatt sich der gewonnenen Freiheit von und vor allem der geistigen Unabhängigkeit von einem wie auch immer genannten göttlichen Wesen zu erfreuen, begeben sich viele Philosophen wie im Fieber in eine neue Abhängigkeit. Haben Sie schon einmal dem Schauspiel einer Diskussion unter Philosophen über Heidegger an dieser Universität beigewohnt und – sich kurzzeitig aus dem Brei unverständlicher Phrasen, sinn-loser „Fragen“ und Wortspielen sowie peinlicher Beweihräucherungen lösend – darüber nachgedacht, ob wir vielleicht alle in ein paar Jahren Kirchensteuer an die philosophischen Seminare dieses Landes abführen werden?

Heidegger – der Prophet der auszog, in der Wüste Todtnauberg zu leben, um in dieser Einsiedelei zu Gott und somit zu sich selbst zu finden. Sein Evangelium wird – ganz wie das Vorbild – von keinem richtig verstanden und von den meisten so interpretiert, daß am Ende die eigene Meinung dabei herauskommt. Um an dieser Stelle entrüsteten Ausrufen der Philosophen darüber zuvorzukommen, daß die Schuld allein bei mir, allgemeiner beim ungebildeten Leser läge, wenn ich resp. er Heidegger nicht verstünde, sei dies gesagt: Wenn ein Autor offensichtlich von

so vielen Lesern nicht verstanden wird, dann liegt das in der Mehrzahl der Fälle am Autor selbst und an seiner Art zu schreiben – und keinesfalls am Leser.

Was klage ich an?

Ich klage die Unfähigkeit einiger Philosophen an, ihre eigene „Wissenschaft“ kritisch zu betrachten. Der Begriff Wissenschaft wird von mir in diesem Zusammenhang in Anführungszeichen gesetzt, weil ich diesen Philosophen unterstelle, dieses Wort nicht einmal buchstabieren zu können – vom Verstehen ganz abgesehen.

Wird das Leben, die Welt, einfach alles nur noch unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Philosophie betrachtet, verliert sich jeder Wirklichkeitsbezug, wird Wissenschaft zur Ideologie. Es wird nichts neues gesucht, sondern nur das alte bestätigt und die eigene Meinung zementiert.

Dies gilt nicht nur für Philosophiestudenten, sondern in besonderem Maßauch für die Lehrenden an dieser Universität. Sie verfehlen ihren Lehrauftrag, wenn sie IHRE Philosophie zum Mittelpunkt des Universums machen.

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