Deutsche Inseln: Jamaika

von Dietmar Wischmeyer, 20.06.2011, 15:21 Uhr (Neues Zeitalter)

 

Seitdem auch Frauen den Herbst ihrer Attraktivität nicht erotisch ungenutzt verstreichen lassen mögen, stehen sie vor einem logistischen Problem: Männer ihres Alters sehen genauso benutzt aus wie sie selber, finden sie nicht scharf oder – noch schlimmer – sind der eigene. Junge Stecher auf altem Gelände sind noch immer die große Ausnahme und auf dem Importwege kommt nichts an maskulinem Frischfleisch rein. Wenn die Ware also nicht zum Markt gelangt, muß der Markt zum Erzeuger reisen. Die Lösung heißt Jamaika. Als deutsche Brunhild im Vorausschatten des eigenen Klimakteriums erhält man dort eine Menge Schwanz fürs Geld. Mal drei Wochen in die Karibik flattern und sich vom schwarzen Mann ordentlich durchorgeln lassen, gilt selbst unter Lätta-Verwenderinnen als durchaus hoffähig. Während der wampige Mann im Zenit seiner erotischen Schaffenskraft die Ausflüge nach Thailand oder Brasilien noch als Bildungsreise tarnt, geht Frau Fünfundvierzig selbstbewußt auf Lendensafari. Die Verwegensten unter ihnen bringen sich sogar ihr Glück im Schritt als Souvenir nach Hause mit. In Mitteleuropa stößt die Rastalocke allerdings sehr schnell an die Grenzen des Haschischverzehrs als Hauptbeschäftigung. Und so geht es dem Weibe dann um nichts besser als dem Mann, der sich was Nettes für untenrum aus dem Katalog kommen ließ. Dabei war auf Jamaika doch alles so relaxed: Gudrun, 47, frühpensionierte Studienrätin aquarellierte den Tag über am Beach und wenn es dämmerte, kam der Black Man ins Zelt und rammelte sie wie einst in Babylon. Dabei war es dem erotischen Vergnügen wenig hinderlich – wenn nicht sogar förderlich – daß Black Man ein übler Chauvi, Schwulenhasser und zugedröhnter Drückeberger war. All das, was sie einem deutschen Schwanzträger niemals durchgehen ließ, erschien ihr unter karibischer Sonne wie das Paradies ursprünglicher Sexualität. Was nur wiederum zeigt, daß die Frau in Sachen Beklopptheit längst den Anschlußtreffer gegen das Patriarchat erzielt hat.

 

Wischmeyers neuestes Loguch aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten ist übrigens im März 2011 bei Ullstein erschienen: „Deutsche sehen dich an: Reise zu den Quellen des Irrsinns“ (ISBN 978-3548373904)

Schreiben Sie einen Kommentar