Metaphysik & Revolution – Teil I

von Timotheus Schneidegger, 04.01.2010, 00:39 Uhr (Neues Zeitalter)

Wenn sich in diesen Tagen der Tod von Albert Camus zum 50. Mal jährt, liefern die Demonstrationen im Iran einen anschaulichen Beweis seiner These, die Revolte ginge der Revolution voraus und würde wieder auf sie folgen. Mit dem Sturz des Schah-Regimes und der Errichtung eines modernen Gottesstaats 1979 wurde die theologische Rhetorik, die alle Revolutionen begleitet, beim Wort genommen: Erstmals in der Geschichte revoltierten die Menschen nicht gegen oder mit, sondern für Gott. Michel Foucault urteilte als Augenzeuge der Ereignisse im November 1978, es handele sich um „die erste große Erhebung gegen die weltumspannenden Systeme, die modernste und irrsinnigste Form der Revolte.“

1 – Einleitung

Die Revolte steht im Zentrum des literarischen und philosophischen Werks von Camus, der einzig anlässlich seines Unfalljubiläums vom Ultrarechten Sarkozy aus dem Provinzgrab und vom Jahrestagsfeuilleton aus dem Schatten Sartres geholt wird. Zu Beginn der 50er hatte sich Camus mit Sartre eine erbitterte Auseinandersetzung über den Stalinismus geliefert. Sartre, der dank steilerer Thesen das größere publizistische Gewicht besaß, warf Camus vor, durch die Anklage des sowjetischen Lagersystems den Antikommunisten in die Hände zu spielen. Der Literaturnobelpreis 1957 festigte nur noch Camus‘ Ruf als seichter Ferienmoralist. Noch in seinem Nachruf schmiss Sartre seinem früheren Kameraden hinterher, dieser habe es vermieden, „sich auf den ungewissen Wegen der Praxis zu engagieren.“

Hätte sich der Bürger Sartre herabgelassen, den aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Camus genauer zu lesen, wäre ihm aufgegangen, dass die Praxis von Camus‘ Revolte genau darin besteht, sich nicht mit der Praxis seiner Zeitgenossen gemein zu machen und ihnen das Gewissen zu möblieren.

Die ursprünglich rein politischen Begriffe „Revolte“ und „Revolution“ wurden von Camus mit lebenspraktischer und metaphysischer Bedeutung versehen. Er hat daraus eine Ethik der Solidarität und der Auflehnung gegen das menschliche Schicksal entwickelt. Sie zeigt ohne sinnstiftenden Hokuspokus, wie in der Sinnlosigkeit alleine, grüppchenweise und insgesamt zu überleben ist. Eine daraus folgende Revolutionstheorie, in der Metaphysik, menschliche Daseinsstruktur und Politik miteinander verknüpft sind, blieb Camus ironischerweise in Folge seines frühen Todes schuldig.

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Metaphysik und Revolution

Metaphysik und Revolution

von Timotheus Schneidegger

Albert Camus konnte nicht erleben, wie die Islamische Revolution im Iran 1979 das Schah-Regime durch einen Gottesstaat ersetzte. Umso interessanter die Frage, was Camus‘ Begriff der metaphysischen Revolte über dieses Ereignis lehrt. Bonustrack: „Subtraktion statt Subversion“ – politisches Grundrechnen mit Slavoj Žižek und Alain Badiou.

Kindle-AusgabeKindle-Ausgabe, ASIN: B00F9KR6QW, 324 KB, 2,99 EUR

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