Liebling der Saison: Daniel Häni, Initiative Grundeinkommen

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist alt und die Linie zwischen Befürwortern und Gegnern verläuft direkt durch alle politischen Lager. Daniel Häni (43) ist Unternehmer und hat zusammen mit dem Künstler Enno Schmidt die Initiative Grundeinkommen gegründet. Er korrespondierte mit dem Lichtwolf über Porsche fahrende Putzfrauen, Sklavenhaltermentalität und den Wert wirklich freiwilliger Arbeit.

von Timotheus Schneidegger, 20.09.2009, 11:38 Uhr (Neues Zeitalter)

 

Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?“, fragt die Initiative Grundeinkommen. Sie hat sich im Baseler „unternehmen mitte“ eingerichtet, dessen Geschäfte Daniel Häni führt. Hier herrscht seit 1999 das Prinzip Freiheit, das Ideen wachsen lassen soll: In dem früheren Bankgebäude kann man Kaffee trinken, grübeln, diskutieren, durchgeknallte Geschäftsmodelle ausprobieren oder auch mal bloß aus dem Fenster gucken, ohne als faule Sau zu gelten. Ein trefflicher Ort, um eine Utopie voranzutreiben, in der Arbeit nicht mehr aus Not, sondern aus Überzeugung aufgenommen wird.

 

Lichtwolf: Spulen wir gleich in die Utopie vor: Wenn das Grundeinkommen weltweit eingeführt ist und jeder machen kann, was er will, wer leert dann meine Mülltonnen und produziert die sagenhaft preiswerten Lebensmittel?

Häni: Sie selber! Man mutet es immer gerne anderen zu. Aber im Ernst: Sie werden diese Leute besser bezahlen. Was ich für einen sehr guten Nebeneffekt vom Grundeinkommen halte. Die Arbeitsbedingungen werden sich wesentlich verbessern, weil man mit dem Grundeinkommen zu einem Angebot Nein sagen kann. Es würde vielleicht auch manches nicht mehr produziert, wie diese sagenhaft billigen Lebensmittel, die große Schäden anrichten und uns letztlich teuer zu stehen kommen. Es würden ein wirklich „freier Arbeitsmarkt“ entstehen und faire Preise. Stellen Sie sich das mal vor!

Lichtwolf: Unangenehme und anstrengende, aber notwendige Tätigkeiten werden dann also von denen erledigt, die eher nach Reichtum und Prestige streben als nach Selbstverwirklichung?

Häni: Stellen Sie sich schon mal darauf ein, dass in Zukunft die Putzfrauen Porsche fahren. Reichtum und Prestige sind übrigens auch eine Art von Selbstverwirklichung. Das ist auch mit einem Grundeinkommen nicht verboten. Viel wichtiger aber ist, dass die Menschen sich freier zu dem entschließen werden, was sie tun. Und das wird zu mehr Sinnhaftigkeit und schließlich zu mehr Qualität in den Produkten und Dienstleistungen und zu einer positiveren gesellschaftlichen Stimmung führen. Das Grundeinkommen fördert menschliche Initiative. Das weisungsgebundene Handeln wird ab-, das selbstverantwortliche zunehmen. Das gefällt mir.

Lichtwolf: Ist diese Aussicht realistisch? Die Kosten für die Grundversorgung werden durch die nötigen Anreizlöhne so hoch sein, dass dann doch wieder jeder gezwungen ist, einer möglichst gut bezahlten Arbeit nachzugehen.

Häni: Die Preise werden im Durchschnitt gleich bleiben. Wenn die ungeliebten Arbeiten teurer werden, steigt auch der Anreiz zur Rationalisierung. Die Preise können dadurch wieder sinken. Mit einem Grundeinkommen im Rücken würden Rationalisierungen nicht mehr die Menschen in ihrer Existenz bedrohen. Vieles könnte vom Fluch zum Segen werden. Ein weiterer Gedanke zu Ihren Bedenken ist, dass steigende Preise im gleichen Maß steigende Konsumsteuereinnahmen bringen, woraus dann wieder das Grundeinkommen fließen kann. Wirtschaft ist eine organische Geschichte.

Lichtwolf: Was schätzen Sie: Wie viel Prozent der Menschen würden nach Einführung des Grundeinkommens überhaupt noch einer bezahlten Arbeit nachgehen, anstatt nur noch zu tun, wonach ihnen gerade ist?

Häni: Folgendes ist unsere Erfahrung: Auf die Frage „Würden Sie selber noch arbeiten gehen, wenn für ihr Einkommen gesorgt wäre?“ antworten 60 % mit Ja, 30 % sagen „Ja, aber weniger oder etwas anderes“ und nur 10 % sagen, sie würden erstmal ausschlafen, sich ganz der Familie oder einer neuen Ausbildung etc. widmen. Auf die Frage „Würden die anderen mit einem Grundeinkommen noch arbeiten gehen?“ antworten dagegen 80 %: „Nein, wahrscheinlich nicht.“ Das ist interessant! Die Menschen pflegen zwei Menschenbilder: Eines für sich, eines für die andern. Das kommt zum Vorschein, wenn man die Grundeinkommensfrage stellt.

Lichtwolf: Betrachten Menschen die eigene Arbeit anders als die der anderen?

Häni: Ja, offensichtlich! Das zeigt sich auch in der Frage: „Und wer macht dann die Drecksarbeit?“ Das ist die alte Sklavenhaltermentalität, die wir alle nur mehr oder eben weniger überwunden haben. Da hilft nur, sich das bewusst zu machen.

Lichtwolf: Gab es ein besonderes Erlebnis, dass Sie zu einem Verfechter des Grundeinkommens gemacht hat?

Häni: Ich lebe seit 1991 mit der Idee des Grundeinkommens. Ein Schlüsselerlebnis war, als mir durch die eigene unternehmerische Praxis klar wurde, dass Steuern und Abgaben in einem Unternehmen immer Kosten sind. Die Aufteilung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag ist rein psychologischer Natur. Beide Beiträge werden von den Konsumenten getragen. Das gilt auch für die zu entrichtende Einkommensteuer. Dadurch bekam für mich die Idee des Grundeinkommens eine noch viel größere Relevanz und einen unternehmerischen und volkswirtschaftlichen Horizont. Die Verbindung des Grundeinkommens mit einer Konsumsteuer für ihren Transfer.

Lichtwolf: Beim Grundeinkommen geht es also nicht nur um Existenzsicherung für Arbeitnehmer, sondern auch um Lohnnebenkosten und Preisgestaltung?

Häni: Und um noch viel mehr: Beim Grundeinkommen geht es um Menschen, um jeden einzelnen. Und es geht darum, wie wir als Gesellschaft zusammen leben und arbeiten wollen. Es ist keine sozialstaatliche Maßnahme, sondern ein Kulturimpuls. Es berührt alle denkbaren Angelegenheiten.

Lichtwolf: Die Schweiz diskutiert das Thema reger als Deutschland. In allen deutschen Parteien gibt es zwar Überlegungen zum bedingungslosen Grundeinkommen – von der Linkspartei bis zur CDU, die das ganze Bürgergeld nennt. Dennoch spielte das Grundeinkommen weder im Bundestagswahlkampf noch in der politischen Diskussion eine größere Rolle. Ist das Konzept so schwer zu vermitteln oder warum wird es nicht breiter diskutiert?

Häni: In Deutschland ist die Debatte viel reger als in der Schweiz! Für die Bundestagswahlen gibt es bereits über 100 Kandidierende fürs Grundeinkommen. (siehe: www.grundeinkommen-ist-waehlbar.de). Die erste Direktkandidatin ist Susanne Wieset. Wir haben für sie einen kurzen Filmbeitrag gemacht.

Die Idee des Grundeinkommens ist im Übrigen nicht neu. Sie finden sie bei den Urchristen, dann in der Renaissance, beispielsweise bei Thomas Morus im 16. Jahrhundert. Anfang des 20. Jahrhunderts taucht die Idee der Trennung von Arbeit und Einkommen bei Rudolf Steiner auf. Er sprach bemerkenswerterweise bereits damals von der Notwendigkeit, von der Einkommens- zu einer Ausgabenbesteuerung zu kommen. Dann in den 60ern finden Sie deutliche Statements für ein Grundeinkommen bei Erich Fromm und vielen anderen. Milton Friedmann führte die Idee in den USA bis zu konkreten Feldversuchen. In den 80ern und 90ern arbeiten wiederum zahlreiche SoziologInnen, beispielsweise der vor einigen Wochen verstorbene Lord Ralf Dahrendorf, an diesem Gesellschaftsentwurf. Viele wären da zu erwähnen. 2005 dann bringt der Unternehmer Götz Werner durch ein Interview in „brand eins“ die Idee erstmals breit in die Medien. Es bestehen seit Anfang des 21. Jahrhundert, vor allem im deutsprachigen Raum, zahlreiche Grundeinkommen-Netzwerke und Initiativen. Aber auch weltweit mit dem „Basic Income Earth Network“ ist diese Idee Thema.

Man kann gut sagen: Noch nie wurde die Idee des Grundeinkommens so intensiv und vielfältig diskutiert wie gerade jetzt. Der Gedanke des Grundeinkommens – wer nicht muss, der kann – verbindet die Idee der Gleichheit mit der der Freiheit. Da ist mehr Kraft drin, als wenn wir Atome spalten. Ich sage auch gerne, wir sind noch ganz am Anfang mit dem Grundeinkommen, aber Sie werden sehen: plötzlich geht es schnell.

Lichtwolf: Ist das Grundeinkommen nur eine fixe Idee der freien Kreativen und digitalen Bohemiens, um der Not eines Brotberufs zu entrinnen?

Häni: Sie können das schon so sehen. Sie könnten aber auch sehen, dass eben immer mehr Menschen frei und kreativ leben wollen. Die Zeit der weisungsgebundenen Arbeit geht zur Neige. Wenn ich schaue, was für Aufgaben sich gesellschaftlich stellen, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir zu guten Lösungen kommen, wenn wir an den gewohnten Denkmustern hängen bleiben.

Lichtwolf: Jetzt mal unter uns Klosterschwestern: Ist das Grundeinkommen in Anbetracht der damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen überhaupt auf dem Reformweg zu haben?

Häni: Das Grundeinkommen ist keine Reform, sondern ein Scheinwerfer ins Dunkel des aktuellen Paradigmenwechsels.

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