Eine Anleitung zur Straffreiheit.
von Timotheus Schneidegger, 06.11.2004, 16:03 Uhr (Freiburger Zeitalter)
Raubkopieren ist kein Kavaliersdelikt. Da mag das Publikum im Lichtspieltheater noch so sehr johlen und scherzen, wenn entsprechende Warnhinweise und Abschreckungspropaganda dem Hauptfilm vorausgeht. Fakt ist: Wer DVDs „rippt“ oder ein Homevideo von der Kinoleinwand anfertigt, kommt seit neuestem in den Knast. Während ihm von den dortigen schweren Jungs beim Duschen in den Auspuff gepimpert wird, bekommt die daheim zurückgebliebene Tochter ein schweres Verlassenheitstrauma, so lehren uns die Vorfilme. Anstatt nun Sippenhaft für Raubkopierer zu fordern, um den Nachbarn den herzzerreißenden Anblick der verwahrlosten Piratenfamilie zu ersparen, will dieser Beitrag Alternativen zum Schwerverbrechen aufzeigen.
Denn warum den Filmkapitalismus ausbluten lassen und dafür Bau riskieren, wenn selbstgemacht genauso gut ist, jedoch straffrei bleibt?
Einen Hollywood Blockbuster in Heimarbeit nachzubasteln ist gar nicht so schwer. Ich will das am Beispiel des diese Woche in Deutschland angelaufenen Spektakels „Alien vs. Predator“ demonstrieren und habe da grad was vorbereitet.
Anfänger sollten sich zunächst an einfache Filme wie den genannten halten. An der klassischen Handlung überhebt sich keiner: Exposition der Charaktere, Beginn des Abenteuers, Metzelei, Liebesszene, Abspann. Fortgeschrittene können nach und nach mit neuen Elementen experimentieren wie z.B. Liebesszenen mit mehr als zwei Beteiligten, homosexuell oder die Generationen-, Gender- und Spezies-Grenzen transzendierend.
Um Produktionskosten zu sparen und dem Zuschauer möglichst bald zu geben, wonach er verlangt, wird das ganze Vorgeplänkel gesprochen, während die Titelmelodie noch läuft (man nehme irgendwas von Mozart):
schwarzer Hintergrund, aus dem Off: „Eines Tages gingen einige Leute ins Gebüsch. Dort stießen sie auf etwas fürchterlich erschreckendes und kratzten ziemlich schnell der Reihe nach ab, und dann…“
Jetzt geht es gleich ans Eingemachte: Die Actionszenen. Dazu müssen zunächst geeignete Darsteller „gecastet“ werden, wie wir im Biz das nennen. Vorzugsweise sind das Akteure, die das nötige Training für die Kampf-Sequenzen bereits mitbringen. Für „Alien vs. Predator“ wählen wir aus:
In der Rolle des Aliens eine hübsche Kröte. Achten Sie darauf, ein volljähriges Tier zu casten, da seine Rolle gegen Ende einige Sätze hat, in denen Fäkalausdrücke und sexuelle Anspielungen vorkommen. Anderenfalls holen Sie die Erlaubnis der Erziehungsberechtigten des Tieres ein, um Ärger mit dem Anwalt zu vermeiden.
Für den Part des Predator wählen wir naheliegenderweise ein Exemplar der Gattung Felis. Für eine Eigenproduktion ist eine gewöhnliche europäische Hauskatze vollkommen ausreichend. Seine größeren Verwandten aus Afrika und Sibirien sind eher ein Fall für Profis wie Siegfried und Roy. Anfänger könnten bei den mitunter „verbissen“ geführten Gagenverhandlungen den Kürzeren ziehen.
Sind die Darstellerverträge unter Dach und Fach, sollte eine geeignete „Location“ für den Dreh „gescoutet“ werden. Da „Alien vs. Predator“ während der Polarnacht in der Antarktis spielt, können sie drehen, wo es ihnen gerade passt: Die Aufnahmen werden im „Editing“ verdunkelt, bis nichts mehr zu erkennen ist. Auf den Wintereinbruch müssen sie nicht warten: Der Schnee wird mit „Special Effects“ nachgestellt. Einfach einen defekten Fernseher anschalten und filmen – diese Aufnahmen werden später über die Szenen geblendet, die im Freien spielen.
Bevor Sie mit Ihren Darstellern die wichtigen Action-Sequenzen aufnehmen, sollten alle Beteiligten ein rigoroses Training durchlaufen und mehrmals geprobt haben, um Verletzungen und Verwirrung am Set zu vermeiden (siehe rechts). Vorsicht! Besonders erfahrene Darsteller sehen es als ihr Recht an, zu improvisieren! Sperren Sie ihr verborgenes Talent also nicht in einen Käfig aus Regie-Anweisungen.
Ist ein Drehort gefunden und sind die Darsteller bereit für ihren Auftritt, kann es losgehen: Ruhe am Set, Achtung, Kamera läuft, Ton – und Action!
Nachdem die Randale im Kasten und geschnitten ist, noch einen Farbfilter über das Ganze klatschen, damit es einen futuristischen Matrixtouch bekommt. Um mit dem richtigen Film mithalten zu können, müssen Sie sich zu guter Letzt ein feines Filmposter basteln. Ich habe das schon mal vorbereitet:
Achten Sie darauf, nicht den Originalfilmtitel zu verwenden – wir wollen ja straffrei bleiben! – und Ihren Namen möglichst oft auf dem Plakat zu nennen, das sie bis zur Premiere an vielen Orten aufhängen sollten (Toilette, Bushaltestelle, Schulhof), um die Produktionskosten rasch einzuspielen und sich damit einen Ruf zu machen. Und wenn es mit Ihrem Debüt nicht auf Anhieb so klappt, wie Sie es sich vorgestellt haben, grämen Sie sich nicht: Auch Steven Spielberg hat mal klein angefangen. Und Sie sind an einen prächtigen Hollywoodfilm gekommen, ohne für Kino oder DVD zu zahlen, aber auch ohne ins Visier der Staatsanwaltschaft zu geraten!
Einen angenehmen Filmabend wünscht Ihnen Timotheus Schneidegger