Was heißt eigentlich: venia legendi?

Der Lichtwolf-Informationsdienst klärt auf.

von Timotheus Schneidegger, 06.01.2004, 17:30 Uhr (Dunkles Zeitalter)

 

Das Wort fällt auf bei der Vorbereitung studentischer Statistenrollen in Berufungskommissionen oder beim Studium von Gelehrten-Vitae: Venia legendi.

In der Wikipedia steht unter „Professor“ und „Habilitation“ geschrieben, es handle sich dabei um die Verleihung der Lehrbefähigung für ein bestimmtes Fach und um die des Privatdozenten-Titels. Die venia legendi markiert also den Anfang der zweiten akademischen Eiszeit im Portemonaie. Kein Wunder, daß Adorno auf den Entzug seiner Lehrberechtigung 1933 mit den Worten reagierte: „Je venia legendi, desto besser.“

 

Das Fremdwörterlexikon umschreibt den Begriff als „die Erlaubnis an Hochschulen zu lehren“ und sagt, es würde aus dem Lateinischen übersetzt „Erlaubnis zu lesen“ bedeuten. Schlägt man dagegen mal eigenhändig im Langenscheidt nach, ergibt sich folgendes:

Unter „venia“ steht nicht nur „Erlaubnis“, sondern „Gunst, Gnade, Nachsicht“, aber auch „Verzeihung, Vergebung, Straflosigkeit“.

Das Verb „legere“, zu dem legendi das Gerundium im Genetiv ist, kann übersetzt werden nicht nur als „lesen“, nicht nur als „zusammenlesen, sammeln“ oder „durchwandern / -irren“ (!), sondern auch als „stehlen“.

 

Warum wird „venia legendi“ dann als „Erlaubnis zu lesen“ begriffen und nicht als Eklektizismus-Amnestie, die zu nicht wenigen Habilitation viel eher dazugehören/nötig sein würde als eine Lehrberechtigung?

 

Nachtrag am 19.03.2010: Aus irgendwelchen Gründen ist dieser kurze Text der mit Abstand am häufigsten aufgerufene Beitrag hier. Sollte es denn möglich sein, dass „venia legendi“ nirgendwo sonst so gut erklärt wird wie hier?! Man kommentiere fleißig!

>>>>>[ Ich finde Deine Erläuterung klasse.

Habe das Wort tatsächlich in einem Professoren-cv gelesen und hatte mir schon gedacht, dass es sich um eine Art Amnestie handeln muss. – Scheint aber nicht immer zu greifen … ]<<<<<
– mala <11.05.2011, 11:53 Uhr>

>>>>>[ Sehr schoen, aber nicht ganz korrekt. Der Legende nach ist die venia legendi ein Anagramm von <gelinde naiv>, der notwendigen Eigenschaft eines Akademikers bzw. zu dessen Lieblingsbeschaeftigung: <Ein Leid vagen>. Erfunden habe ich sie natuerlich selbst. Herzlichst Eure <Elende Gina IV>. ]<<<<<
– Elende Gina IV <12.11.2011, 19:15 Uhr>

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