Nix ist sicher.

von Zora Sanssouci, 30.12.2003, 17:30 Uhr (Dunkles Zeitalter)

Chris de Burgh trällert im Radio „I’ve been missing you more than words can say“ – Liebesode an seine Frau, die er später mit dem Kindermädchen betrogen hat. Nur ein Beispiel unter vielen – nein, dieser Text soll keine Schrift über untreue Männer werden, genauso gut könnte ich über das Amen in der Kirche schreiben.

Es geht eher um mangelnde Konstanten, fehlende Sicherungen.

Weihnachten haben wir hinter uns gelassen und wir können mit einem kleinen Reservefettpolster auf die Zahl 2004 starren, die stetig näher rückt und irgendwie Veränderung und Wechsel verheißt. Doch in welche Richtung? Ich meine, was wissen wir schon? Außer, dass wir vielleicht wie die Toten Hosen nie zum F.C. Bayern gehen würden.

Im Fernsehprogramm tummeln sich die Jahresrückblicke, u.a. das Schauspiel des Irakkriegs. Es ist irgendwie irritierend, Bilder von Anti-Kriegs-Demos zu sehen und sich zu fragen: Hatten wir noch daran geglaubt, das Ganze sei zu verhindern? Und scheint diese Hoffnung jetzt – aus der Perspektive des Fernsehsessels, von dem man alle späteren Ereignissse verfolgt hat – nicht hirnrissig?

Ich glaube nicht.

Vielleicht ist es das, was ich zu fassen versuche, die Eingeschlossenheit im Heute, Jetzt, im Augenblick. Okay, wir betrachten die Vergangenheit, die historische, die persönliche und die sonstige, und versuchen zu analysieren, zu verstehen, schlau daraus zu werden. Und für die Zukunft gibt es eine ganze Riege an Spezialisten, die versprechen einem, alles zu enthüllen, mittels Karten, Raben, Lebenslinien oder Sternekonstellationen. Doch trotz dieser Vor- und Rückblicke bleiben wir geerdet und beginnen jeden Tag, fast auf Gut Glück. Oder gibt es jemanden, der, bevor er auf die Anti-Kriegs-Demo geht, Diagramme erstellt über die Wahrscheinlichkeit eines Gelingen, Vergleiche anstellt mit vergangenen Friedensbewegungen? Ich glaube kaum.

Wir fällen ständig Entscheidungen und erst im Nachhinein stellt sich heraus, dass z.B. das Einschreiben in ein Studienfach weniger langfristige Konsequenzen hatte als ein Hüttenwochenende. Es ist eigentlich bewundernswert, wie wacker wir uns durchs Leben schlagen bei so wenig Informationen. Das Leben ein Unternehmen, das von keiner seriösen Bank einen Kredit bekommen würde. Was bringt uns also dazu weiterzumachen? Zuversicht? Als letztes stirbt die Hoffnung? Klingt vielleicht abgedroschen, aber was soll es sonst sein?

Gut, es gibt immer diverse Projekte, die auf einen warten, aber der Ausgang ist und bleibt ungewiss. Doch die meisten versuchen dies mit aller Kraft zu leugnen und bauen sich sichere Welten auf. Sie machen Diplome, heiraten und schließen Versicherungen ab. Strukturelle Arbeitslosigkeit, ein Kindermädchen oder nur der Joghurt im falschen Fach, Reformpaket und Pustekuchen, „nichts is mit der heilen Welt“.

In Bam dauerte es nur ein paar Sekunden um Häuser, Träume, Menschenleben zu beenden. Vorher war sicher nicht alles in Ordnung, die üblichen Sorgen, das Heute und das Morgen und plötzlich ohne Vorwarnung ist alles weg. Ein Beben wie in Bam steht ganz oben auf der Skala, doch es gibt auch kleinere Lebenserschütterungen, die nicht spurlos an einem vorübergehn, und trotzdem macht man immer wieder weiter. Und ich denke, es lohnt sich, manchmal mehr und manchmal weniger, aber selbst wenn der persönliche Jahresrückblick einem in seinen groben Zügen vielleicht als katastrophal erscheint, so gab es durchaus schöne Augenblicke, ein Glas Wein mit Freunden, Lachkrämpfe, kleine Erfolge, Urlaubstage, neue und verlorene Menschen…

In diesem Sinne wünsche ich allen Lichtwölfen-innen ein gutes neues Jahr, was immer auch kommen mag.

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