Manifest der neuen Herausgeber

von Augušt Maria Neander und Tobias Roth, 06.06.2007, 10:32 Uhr (Freiburger Zeitalter)

 

„Lesen Sie! Immerzu lesen, das Verständnis kommt von selbst.“

-Paul Celan

 

„Kunst dem Volke ? ! : den slogan lasse man Nazis und Kommunisten : umgekehrt ists : das Volk (Jeder !) hat sich gefälligst zur Kunst hin zu bemühen !“

-Arno Schmidt

 

Nach nicht zu unterschätzenden Quisquilien kommt es nun doch zum Epochenwechsel. Timotheus Schneidegger tritt als Herausgeber des Lichtwolfs ab und übergibt den Stab einem Herausgeberkollegium: Tobias Roth und August Maria Neander zeichnen sich ab der Ausgabe 25 für die Herausgabe verantwortlich. Die Kontinuität des Lichtwolfs kann nicht einfach fortgeschrieben werden, und auch die historistische Stilisierung des bisherigen Lichtwolfs zum Schatzhaus zeitgeistferner Gedankenwelten verkennte die Zeichen der Zeit.

 

Und also wird der Lichtwolf neu. Nicht nur durch das Herausgeberduumvirat, das den Mon-archen Schneidegger ablöst, auch in Struktur und Überbau. Ein Trägerverein ist in Gründung, der die wirtschaftliche Standfestigkeit des Lichtwolfs sichern wird. Gewichtiger aber ist die Frage des Schreibmaschinen-Dogmas, das bisher eine feste Säule im Selbstverständnis dieser Zeitschrift war. Die Schreibmaschine stand für Verweigerung, Entschleunigung. Die Schreibmaschine, die Olympia des Freiburger AStAs von 1968, stand für die Einheit von Form und Inhalt, von Leben und Arbeit des Herausgebers. Diese Maxime weicht einer kommoden Religion: um den Lichtwolf zu erhalten, wechselt er unter Federführung unseres Säzzers

Aurelius Amadeus Zukkergast zum digitalen Satz. Olympia reist mit Schneidegger in den Norden. Dennoch gilt: Keine Experimente. Optisch bleibt der Lichtwolf weiterhin mehr Fackel denn Vanity Fair.

 

Und also bleibt der Lichtwolf beim alten. Auch wenn die Philosophen-Hegemonie gebrochen ist und mit Tobias Roth erstmals ein Literaturwissenschaftler das Heft mit in der Hand halten wird, bleibt der Lichtwolf »Zeitschrift trotz Philosophie«. Er bleibt ein Projekt der (durchaus im Sinne Camus‘ zu verstehenden) Revolte; »Philosophie« im Untertitel steht dabei für die normative Kraft des Faktischen, für ein lebensfremdes System der Nabelschau, für eine Ideologie, die innerhalb ihrer Prämissen zwar messerschaft eins aufs andere folgern kann, aber zu keinem neuen Anfang fähig ist: Die Perversion sokratischen Abergeistes, arendtscher Natalität, anarchischer Ungelenktheit in eine Kryptosystemphilosophie.

 

»Trotz Philosophie« ist damit gerade Literatur, Kultur, (Presse-)Freiheit. »Trotz Philosophie« ist keine Koketterie, der man nach dem Trotz gerade das anmontieren könnte, was man tatsächlich betreiben will. Wenn der Lichtwolf nicht »trotz Philosophie« bliebe – was bliebe dann überhaupt noch?

  • Der Lichtwolf jedenfalls bleibt, positiv gewendet, einer elementaren Geste der Abstandnahme gegenüber dem vermeintlich Selbstverständlichen und dem Andrang des Modischen verpflichtet.
  • Der Lichtwolf ist weiterhin gelebte Konformitätsverweigerung.
  • Der Lichtwolf ist und bleibt eine reflexive Zeitschrift, die alles, sich selbst eingeschlossen, kritisch in Frage stellt.
  • Der Lichtwolf ist und bleibt eine Veröffentlichungsmöglichkeit jenseits aller Markt-, Kunst- und Mediendogmen, deren schönstes Zeugnis und zugleich Erzeugnis die ästhetisch-stilistische Vielfalt der Beiträge sind und bleiben.
  • Der Körper wird wechseln, aber wir bleiben Narren auf eigene Faust.
  • Der Lichtwolf wird sich auch künftig nicht verkaufen, außer für zwei Euro das Heft.

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