Beschreibung
In mancher Redewendung geht es um die Wurst, wie Bdolf in seinem einleitenden Propädeutikum aufzeigt. Man springt wie der Hund nach der Wurst oder wirft mit der Wurst nach dem Schinken. In der häufigsten wird das beliebte Nahrungsmittel – das aus einer Masse von zerkleinertem Fleisch, Salz und Gewürzen, manchmal unter Zugabe von Blut und Innereien, besteht, die in Därme, Blasen oder Mägen gefüllt wird, welche mit Garn oder Klammern verschlossen und dann gegart oder durch Trocknen oder Räuchern konserviert werden – als Synonym zu „gleichgültig“ verwendet. Auf diese Weise Wurst ist uns Heutigen unser Wurst- bzw. Fleischkonsum, zu dessen metabolischen und planetaren Folgen Bernhard Horwatitsch die Zahlen liefert. Anders als Horwatitsch sieht Marc Hieronimus keine Hoffnung in neuer Fleischproduktionstechnik, kann aber erklären, warum die meisten Leute nicht einsehen wollen, dass es in der Systemfrage um die Wurst geht. Die Senfproduzenten schweigen ohnehin lautstark zu den Vorgängen rund um die Wurstproduktion, wie Martin Köhler in seiner Kolumne resümiert. Schneidegger wiederum zeigt an einigen Beispielen die neurechte Strategie des instrumentellen Relativismus, deren Ziel allgemeine Gleichgültigkeit zum Zwecke der Machtergreifung ist. Aber sind die Neofaschos doch nicht nur arme Würstchen wie das aus Würselen, dem Bdolf eine spannende Fabel widmet?
Hülfe es wiederum der Welt, die Ernährung auf Tofuwürste umzustellen? Falsch gefragt, findet Stefan Rode und untersucht die Forderung des Bundesagrarministers, vegetarische Würste sollten nicht „Würste“ heißen, mit Platons Kratylos-Dialog.
Ist die gute Wurst nicht eine viel zu schöne Sache, um zum Symbol eines planetenverheerenden Konsumismus herabzusinken? Wenn es die gute Wurst denn noch gibt: Martin Köhler berichtet von einem befreundeten Dorfmetzger, der sich nur noch auf muslimische Kunden verlassen kann. Michael Helming steht auf der Kinderseite „Lichtwelpe“ einem jungen Leser zur Seite, der statt Würstchenketten nun Pumpernickel futtern soll. Helming selbst liebt Würste und Bücher so sehr, dass er erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Hungerstillern ausmacht. Von einem Himmel voller Würste träumt er und bekommt ihn in der Bild/Gedicht-Montage von BALAVAT über „Zweier Engel Tischgespräch“. Und wo wir schon in transzendenten Regionen sind: Osman Hajjar wundert sich, wieso Alexander der Große und Aristoteles in der Höhlensure des Korans „verwurstet“ werden. Ganz konkret wird es dagegen im Kurz & Klein Spezial: Auf vier im Heft verteilten Seiten werden Würste aller Art rezensiert.
Oder läuft am Ende das ganze Titelthema auf einen Wurstbegleiter hinaus, der in LW56 schon prominent vorkam? „Bei irgend einem Glase Bier wird einem die ohne Liebe genossene Frau, der überflüssig ausgegebene Gulden und das ganze Martyrium des Daseins wurst!“ (Kraus, Die Fackel Nr. 160, 23.04.1904, S. 18.)
Den hinteren Heftteil eröffnen der tragbare Gedanke sowie der „Sommer“ aus dem Jahreszeitenzyklus von Renate von Charlottenburg. Es folgt in der Reihe Viehlosovieh das Portrait der Biene als fliegende Polis von Marc Hieronimus und die Entgegnung von Schorsch Hambargen auf Helmings Kritik an seinem Lammert-Verriss aus dem letzten Heft. Rüdiger Spiegel stellt in der Reihe „Die unbedeutendsten Denker der Geschichte“ den Antikünstler Artstar Midvej und seine sozio-ästhetische Philosophie aus dem Jahr 1902 vor. Herausgeber Schneidegger erklärt im Editorial, wie er an seine erste Abmahnung kam, und Michael Helming erinnert an V. O. Stomps und an dessen Bruchbude, in der die Kleinverlegerlegende ihre Eremitenpresse betrieb und Schnaps trank. Dazwischen wieder Kurzrezensionen, Illus, Aphorismen und Fundstücke aus dem „Antirüpel“.
Inhalt
Inhalt Nr. 58
Würste und Wurschtigkeit, konkret, metaphorisch, vegetarisch und in zweiendlichen Redewendungen, sowie Bienen, Lammert und V. O. Stomps.
000 Intime Interna
Illustrationen
Zusätzliche Illustrationen in dieser Ausgabe
von Andy Singer, Georg Frost, Marc Hieronimus, Renate von Charlottenburg, Tristam
005 Lebenswelt
Propädeutikum und Prolegomena zum Thema Wurst
Hinleitung zum Titelthema in acht Thesen.
von Bdolf
006 Kultur(terrorismus)
Literatur is’ mir Wurscht
Ist die Liebe zu Büchern genauso groß wie zur Wurst, tun sich erstaunliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Hungerstillern und Genussmitteln auf.
von Michael Helming
015 Kurz und Klein
Kurz und Klein Spezial: Würste
Übers ganze Heft verteilt finden sich diese Kurzrezensionen von weltweiten Wurstwaren in unter 800 Zeichen.
von Bdolf, Filbinger, Jean-Baptiste O´Lebigmac, Marc Hieronimus, Osman Hajjar, Timotheus Schneidegger
016 Lebenswelt
Alles hat ein Ende
Nicht der Vegetarismus, sondern der Kapitalismus setzt dem traditions- und qualitätsbewussten Handwerk zu. Oder ist es am Ende die ignorante Kundschaft?
von Martin Köhler
019 Politik
Wurstizee
Etwas Besseres als den Tod meint das Würstchen Martin (SPD) überall zu finden…
von Bdolf
020 Lebenswelt
Klonen statt schlachten
Die Fleischindustrie gibt immer mehr Menschen ihre täglich Wurst. Geht es genauso weiter, wird Wohlstand zu Unvernunft.
von Bernhard Horwatitsch
030 Sozialphänomenologie
Stufen zum Nichts: Wurst
Wer von der Wurst sprechen will, soll vom Senf nicht schweigen (wie dieser vom Tier).
von Martin Köhler
032 Der Lichtwelpe
Der Lichtwelpe: Grundrecht auf Geschmack
Gegen seine Natur zwingt man den urwüchsigen Xaver (10) in einen Konflikt zwischen Vernunft und Ästhetik, Pumpernickel und Würstchenkette. Rat kommt
von Michael Helming
036 Lebenswelt
Es geht um die Wurst
Evolution schreibt sich mit R: 1966 sagte Heidegger, nur ein Gott könne uns noch retten. Der Meinung sind heute wieder viel zu viele.
von Marc Hieronimus
046 Hochschule
Die Wurst an sich
Vegetarische Wurst soll nicht mehr Wurst heißen, schlug der Bundesagrarminister vor, und hätte gut daran getan, sich vorher noch einmal den Kratylos-Dialog durchzulesen.
von Stefan Rode
050 Politik
Egal ist 88
Die Neue Rechte legt in einigen Angelegenheiten scheinbaren Elan an den Tag. In Wahrheit geht es ihr darum, dass uns am Ende einer falsch verstandenen Postmoderne alles Wurst ist.
von Timotheus Schneidegger
060 Phosphoriszierende Prosa & Lyrik
Zweier Engel Tischgespräch
oder: Die Grenze der Heiligkeit. Ein Wurstkunstwerk aus Lyrik und Graphik.
von BALAVAT
062 Philosophistik & Misosophie
Wurst ist Götterspeise
In der Höhlensure kommt Alexander als Moses vor und trifft Aristoteles. Was hat diese „Verwurstung“ antiker Gestalten im Koran zu bedeuten?
von Osman Hajjar
072 Philosophistik & Misosophie
Der tragbare Gedanke 58
Kleine Texte zum langen Nachdenken nach kurzem Lesen.
von Bdolf, Filbinger, Jean-Baptiste O´Lebigmac, Marc Hieronimus, Michael Helming, Wolfgang Schröder
075 Lebenswelt
„Sommer“
Großformatige Zeichnung aus der Edition „Die vier Jahreszeiten“
von Renate von Charlottenburg
076 Lebenswelt
Viehlosovieh: Biene
Der Bien ist ein Organismus zwischen Staat und Lebewesen, die Bienen sind seine Zellen und Gesellschaft.
von Marc Hieronimus
079 Kurz und Klein
Kurz und Klein 58
Rezensionen aktueller und älterer Bücher und Zeitschriften in unter 800 Zeichen.
von Bdolf, Marc Hieronimus, Timotheus Schneidegger
081 Politik
Moderne Menschenopfer
Unseren US-amerikanischen Freunden gewidmet: Ein Text zum 4. Juli aus Der Antirüpel, Organ des deutschen Antilärmvereins, Nr. 5, 3. Jg, Mai 1911.
von Theodor Lessing
082 Politik
„…die Wüste wächst“
Im vergangenen verteidigte Michael Helming ein Schopenhauerzitat des Bundestagspräsidenten. Zum Abschluss der internen Debatte eine unvollständige Replik auf die Entgegnungen des Herrn H.
von Schorsch Hambargen
092 Philosophistik & Misosophie
Die Kunst, kein Künstler zu sein
Aus der Reihe „Die unbedeutendsten Denker der Geschichte“: Artstar Midvejs sozio-ästhetische Philosophie aus dem Jahr 1902…
von Rüdiger Spiegel
095 Intime Interna
Aus der Offizin 58
Anmerkungen des Herausgebers zur aktuellen Sachlage der „Zeitschrift trotz Philosophie“ inkl. erster Abmahnung.
von Timotheus Schneidegger
096 Irgendwas mit Medien
Schlosserinnerungen
Flüchtige Gedanken zur Kleinverlegerei, anlässlich einer Visite in Stierstadt, wo vor einem halben Jahrhundert Victor Otto Stomps die von ihm gegründete Eremitenpresse verließ…
von Michael Helming
105 Philosophistik & Misosophie
Pro Domo et Mundo 58
Sentenzen für Latrinentür und Rasierspiegel
von Michael Helming, Timotheus Schneidegger, Wolfgang Schröder
Zusätzliche Information
Gewicht | 315 g |
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Größe | 21 × 30 cm |