Links der Woche, rechts der Welt 07/21

Fear and Loathing in Corona

Die FR unterhält sich mit Volker Reinhardt (der darüber auch gerade ein Buch herausgebracht hat) über die Pest im 14. Jahrhundert und was wir für die anhaltende Pandemie vom damaligen Mailand lernen können. Derweil könnte der Impfpass demnächst Türen öffnen, die anderen verschlossen bleiben: Adrian Lobe denkt in der taz über die nächste Eskalationsstufe der Biopolitik nach.

Die alte Frage, was wir hoffen dürfen, stellt sich in der Corona-Krise neu, weshalb Matthias Warkus in seiner Spektrum-Kolumne die Zuversicht gegen die Verzweiflung abwägt.

Fürwahr: Mit Kant und Marx entwirft Manfred Henle bei Telepolis eine Skizze zum Verhältnis von Glaube, Glauben und Verschwörungsglaube – und der Nation. Dazu passend machte sich letzte Woche Eva Horn bei Essay und Diskurs im DLF Gedanken über alternative Fakten und Wissenschaftsskepsis. und Jörg Scheller erklärt morgen früh ebd., warum wir eine Kultur der Schwäche brauchen.

 

Verbundene Landschaften

Stadtluft macht frei und auf dem Land ist Platz: Uta Ruge hat anhand ihres niedersächsischen Heimatdörfchens die Geschichte und das Verschwinden der bäuerlichen Provinz untersucht und die taz rezensiert das Buch.

(Photo: JuergenPM, pixabay.com, CC0)

Über den Nutzen der (utlititaristischen) Philosophie in der Klimadebatte hat Bernward Gesang ein Buch geschrieben, auf das Spektrum hinweist. Gesangs Titel ist auch unter den vier philosophischen Neuerscheinungen zu Zeitfragen, die der Standard rezensiert.

Ein geeignetes Fünftbuch dazu wäre die von Benjamin Steininger und Alexander Klose vorgelegte Kultur- und Mentalitätsgeschichte des Ölzeitalters, die laut SZ der Menschheit mit Vollgas an die Wand folgt.

 

Mit Staat oder ohne?

Sloterdijk-Interviews sind üblicherweise länger als die „Phänomenologie des Geistes“, weshalb die NZZ dankenswerterweise die Zusammenfassung dessen unternimmt, was Sloti unter dem semi-sozialistisch-diktatorischen Staat versteht. Thomas Bierbricher analysiert in seinem Buch das scheinbare Oxymoron des autoritären Neoliberalismus und die SZ lobt seine erhellende Begriffsarbeit.

Jan Mohnhaupt dagegen würdigt in der taz Peter Kropotkin anlässlich seines 100. Todestags mit einem spannenden biographischen Portrait des großen Denkers, der durch Beobachtung zum Anarchismus kam. (Kropotkin bekam auch ein Feature bei Sein und Streit im DLF.) John Rawls wiederum würde in diesen Tagen 100 Jahre alt, weshalb Stefan Gosepath im Tagesspiegel erklärt, was es mit der Theorie eines gerechten Liberalismus auf sich hat.

 

Fröhliche Wissenschaft

Aus einer unter Vesuv-Lava begrabenen römischen Villa sind verkohlte Schriftrollen geborgen worden, deren Entzifferung zeigt, wie spannend Altphilologie sein kann: Laut FAZ könnte die sorgfältige Arbeit neues Licht auf den Epikureismus in Italien werfen.

Ebenfalls in der FAZ wird die Fuzzy Logic gewürdigt, mit der Lotfi Zadeh vor 60 Jahren das Graduelle und Unscharfe in die Logik einführte. Der indische Mathematiker Srinivasa Ramanujan konnte überall logische Zusammenhänge entdecken: Die NZZ berichtet über sein Talent und die Versuche, es mittels Künstlicher Intelligenz in einer Entdeckungsmaschine nachzubauen.

Oder lieber eine Glücksmaschine, wie sie im Standard präsentiert wird? Von Epikur bis zum Utilitarismus schließlich wird der Traum vom leidlosen Leben geträumt, also warum sich nicht die Elektrochemie im Hirn entsprechend manipulieren lassen?

 

Unfröhliche Wissenschaft

Und wieder ein Manifest: Das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ sieht letztere durch „Cancel Culture“ und Ökonomisierung der Universität bedroht, was der SZ nur auf den ersten Blick einleuchtet. Claus Leggewie erinnert sich in der taz an 1991, als linke Intellektuelle für ihre Unterstützung des US-Angriffs auf den Irak als Bellizisten angefeindet wurden – mit bis heute spürbaren Folgen. Auch der politische Muff von Spengler und Heidegger wirkt nach, wie Johannes Schillo bei Telepolis (in einer Rezension) darlegt und dem antiantikapitalistischen Kampf dagegen alles andere als Zuversicht abgewinnen kann.

Schwerstarbeit am Begriff: Ralph Altmann unternimmt bei Telepolis den wackeren Versuch, Marxens Werttheorie mit Analogien aus der Physik zu veranschaulichen.

 

Anziehungskräfte

Man bekommt keinen zweiten Versuch für einen ersten Eindruck: Frank Luerweg schreibt bei Spektrum über den aktuellen Forschungsstand in der Frage, warum uns manche Leute auf Anhieb (un)sympathisch sind. Die Philosophie tut sich schwer mit Sexualität, was Bettina Stangneth ausweislich der Rezension im Tagesspiegel erst recht zu ihrer sprachgewandten Auseinandersetzung mit der natürlichsten Sache der Welt reizte.

(Photo: JacksonDavid, pixabay.com, CC0)

Apropos Leiblichkeit: Im DLF kommt heute Abend die Lange Nacht über die Hand! Die war neulich auch das Thema im Philosophischen Radio des WDR 5. Was ist da los? Hat die Hand dieses Jahr ihren 250. Todestag?

Die SZ hat einige Geschenkideen zum Valentinstag zusammengetragen, die wohl nicht nur Unverpaarte über diesen Rummel staunen lassen. Einige Seiten weiter ist Markus Gabriel, der Christian Lindner der Philosophie, zum SZ-Interview ohne Worte vor die Linse getreten.

 

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