Links der Woche, rechts der Welt 52/20

Lasst mal den Computer ran!

Nun hat auch China einen Quantencomputer, wie die FAZ meldet und erklärt, warum die klassischen Supercomputer vielleicht doch noch nicht Elektroschrott sind. Derweil erfährt der Textgenerator GPT-3 weitere feuilletonistische Aufmerksamkeit: Auch Roberto Simanowski muss in der ZEIT erstmal unterscheiden, was am Hype um das kreative neuronale Netzwerk wirklich dran ist, um dann zu fragen, was es für Autorschaft, Authentizität und Öffentlichkeit bedeutet, wenn wir überall scheinbar normale Texte lesen, die das Ergebnis statistischer Erhebungen über menschliche Schriftsprache sind.

 

Schlechte Gegenwart, bessere Zukunft

Maja Göpel ist schon länger berühmt als Vordenkerin der Transformation, weshalb es nicht überrascht, dass sie im ZEIT-Interview auch die Corona-Krise als Chance beschreibt, nicht zur alten Scheiße zurückzukehren, sondern sich solidarisch um Eudämonie zu kümmern. Der Trend beherrscht auch den Buchmarkt, weshalb der Freitag einen Haufen Bücher u.a. von Bernd Riexinger zum Green New Deal und seiner politischen Machbarkeit bespricht.

Ebenfalls beim Freitag beschäftigt sich Max Jansen kritisch mit dem effektiven Altruismus, dem neuen heißen Scheiß utilitaristischer (und damit affirmativer) Weltverbesserung. Die ZEIT rezensiert derweil Milo Raus Film „Das neue Evangelium“, der halb Doku, halb Bibelfilm, nach Jesus in einem italienischen Flüchtlingslager fragt:

 

Anderswo ist es auch nicht besser

Nicht gerade die Ein-Staaten-Lösung, sondern eine binationale Föderation ist Omri Boehms Utopie für Israel, und die FAZ stellt sein gleichnamiges Buch vor. Ein im Tagesspiegel besprochener Sammelband widmet sich der „Wiederkehr des Verdrängten“ in Polen, das von den Geistern seiner unaufgearbeiteten Vergangenheit getrieben wird.

Einen ganzen Stapel von Neuerscheinungen zu den vielfältigen Krisen der liberalen Demokratie hat die FAZ durchgearbeitet. Eine bald 40 Jahre alte Studie von John Van Maanen, die die Bedingungen und Umstände von Polizeigewalt jenseits von Rassismus erklärt, wird ebenfalls in der FAZ vorgestellt.

 

Manieren in der Pandemie

Jetzt reißt euch mal am Riemen! Alexander Unzicker schimpft bei Telepolis über eine Politik, die die Zeit zwischen Corona-Wellen verplempert hat, aber auch über eine Gesellschaft, die ihre Tranigkeit über jeden noch so einfachen Infektionsschutz stellt.

Warum sich die meisten an Infektionsschutzauflagen halten, hat der Soziologe Andreas Diekmann laut FAZ mittels Spieltheorie untersucht. Und wenn nicht? Die SZ gibt einige psychologisch fundierte Tipps, wie man Menschen an das Abstandhalten erinnert – der Appell, an die Gesundheit der Mitmenschen zu denken, ist fruchtlos.

Die taz unterhält sich mit den Risikoethikern Adriano Mannino und Nikil Mukerji darüber, wie wir die Corona-Krise bisher gehandhabt haben, warum wir uns nicht darauf einstellen konnten und was es mit Triage auf sich hat.

 

Jahreszeitenbedingt

In einem für seine Verhältnisse erstaunlich kurzen FR-Interview spricht Peter Sloterdijk (anlässlich seines neuen Buchs) über das Verhältnis der Philosophie zu Mystik und Religion sowie deren schöpferische Übergänge zur Poesie. Weil das Arno Widmann offenbar zu wenig ist, hat er sich in der FR ein Gespräch im Kierkegaard-Stil über das Für und Wider der Religion und Religiosität ausgedacht. Michael Strausbergs Globalgeschichte der Religion im 20. Jahrhundert lässt den Tagesspiegel darüber staunen, dass auch Hitler und Mao in den Portraits ihren Platz haben.

(Photo: karigamb08, Karina Cubillo, pixabay.com, CC0)

Die SZ dagegen unterhält sich mit dem Orgelprofessor Michael Hartmann über Engel, wozu sie ihre Flügel brauchen und warum es sie auch gibt, wenn man nicht dran glaubt. Wilhelm Bode wiederum hat der Tanne ein Buch gewidmet, deren Geringschätzung der FAZ symptomatisch für alles ist, was im Forstwesen falsch läuft. Der Tagesspiegel zu guter Letzt hat ein paar gute Nachrichten aus dem furchtbaren Jahr 2020 zusammengestellt.

 

Denker früher, Denker heute

Christian Niemeyer schreibt in seinem von der FR gelobten Buch gegen das Vorurteil an, Nietzsches Denken sei der Syphilis entsprungen und habe den Nationalsozialismus vorbereitet. Über den (und seine Ähnlichkeit mit dem Bolschewsimus) hat Heinrich Blücher zwei Essays verfasst, die vom Wallstein Verlag ausgegraben und herausgegebenen wurden; die taz erkennt an ihnen, mit wem Blücher verheiratet war.

Im DLF kommt heute Abend die Lange Nacht über die literarische Welt der italienischen Renaissance. Peter Adamson macht fetzige Philosophie-Vorlesungen (und natürlich Podcasts), weshalb die SZ ihm ein Portrait widmet, in dem es vor allem um sein Spezialgebiet geht, die Verbindungen zwischen abendländischer und orientalischer Philosophie:

 

Wundertüte Natur

Einige Produktempfehlungen – neben Büchern auch ein Computerspiel und ein Meteorit – zum Thema „Natur“ im weitesten Sinne gibt der Freitag. Ebendort fragt Michael Angele, ob man noch ganz naiv über die Natur im Allgemeinen und Bäume im Besonderen sprechen könne, und Eva von Redecker lehnt das ebd. unausgesprochen ab, indem sie Parallelen zwischen unserem vernutzten Bezug zur Zeit und dem zur Natur beobachtet. Wiebke Hüster schließlich portraitiert in der FAZ den Fuchs – der kam noch nicht als Viehlosovieh vor, passt aber ausgezeichnet zum Haushuhn aus dem aktuellen Lichtwolf.

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