Niemand hat sich der Illusion hingegeben, Schulschließungen in der Pandemie würden spurlos an Kindern und Jugendlichen vorbeigehen. Christian Heinrich rekapituliert bei Spektrum erste Untersuchungen, die nachhaltige Entwicklungsschäden prophezeien und Alternativen zu einem erneuten Lockdown vorschlagen. (03.08.20)
Bücher
Die Risikoethiker Nikil Mukerji und Adriano Mannino empfehlen in ihrem bei Spektrum rezensierten Buch „philosophische Hamsterkäufe“ für die nächste Pandemie. +++ Vielleicht hilft es: Der Meteorologe Mojib Latif hat in einem Büchlein aufgeschrieben, was wir über die Erderwärmung wissen, warum uns Klimaschutz so schwerfällt und was zu tun ist – Spektrum stellt es vor. +++ Raul Zelik übertreibt es dem Freitag fast mit den Zombies, wenn er in seinem neuen Buch für einen ökologischen Sozialismus plädiert. +++ Weitere Buchbesprechung bei Spektrum: Der weiße Evangelikalismus hat Trump zum US-Präsidenten gemacht und wird vom Religionssoziologen Philip Gorski vor allem fürs dortige Publikum analysiert. +++ Der Standard stellt Katharina Nocuns und Pia Lambertys Buch darüber vor, was hinter der engen Stirn von Verschwörungsgläubigen los ist. +++ Inga Markovits hat ein Buch über DDR-Juristen geschrieben, die sich irgendwie zwischen Recht und Partei einpendeln mussten, und für die FAZ kommt sie zu einem fairen Urteil. +++ Die NZZ ist nicht zufrieden mit Klaus Theweleits jüngstem Buch über autoritäre Gewaltverhältnisse. +++ Das prachtvolle „Wörterbuch der Gegenwart“ reicht von „Angst“ bis „Zeit“, doch die FR konzentriert sich auf die Begriffe, die darin auffällig fehlen, und auch der neue Duden sorgt für gelinde Unruhe.
Radio
Prost: Der DLF feiert Charles Bukowski zum 100. Geburtstag mit einer Langen Nacht. Bei Essay und Diskurs kommt morgen Teil 3 der Reihe übers Fahrradfahren und Sein und Streit widmet sich u.a. dem Konservatismus und Rosa Luxemburg. Über persönliche Liebeserfahrungen und Liebesbeziehungen der großen Denkenden sprechen Manfred Geier und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5.
Berichte aus der Akademie
Zur Tragik der Pandemie gehört auch das einsame Sterben in Krankenhäusern und Pflegeheimen, das Telepolis nach einem neuen gesellschaftlichen Umgang mit dem Lebensende rufen lässt. +++ Die Digitalisierung auch im Gesundheitssystem hat in der Pandemie bereits einen Schub erlebt und die FAZ zählt auf, welche Bevölkerungsgruppen davon profitieren und welche nicht; außerdem freut man sich in Frankfurt über die Risikobetrachtungen, die das Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung in einem Corona-Blog versammelt und die Systemrelevanz des Denkens betont. +++ Noch so ein Nebeneffekt: Je nach Art und Ausmaß des Lockdowns hat sich auch das lokale Verbrechen verändert, was Kriminologen frohlocken lässt, wie Telepolis berichtet. +++ Spektrum unterhält sich mit der Neurowissenschaftlerin Anke Hammerschlag über die biologischen Grundlagen psychischer Störungen. +++ Über die vernichtenden Ergebnisse der Untersuchung der Plagiatsvorwürfe gegen die Soziologin Cornelia Koppetsch berichtet die FAZ. +++ Kennen Sie Karl-Theodor zu Guttenberg noch? Der will jetzt laut ZEIT ernsthaft promoviert haben. In Philosophie. Über das „Korrespondenzbankwesen“. Als wäre das noch nicht seltsam genug, hat sein Doktorvater einen rechtspopulistischen Medienhintergrund, wie der Tagesspiegel schreibt. +++ Die FAZ berichtet außerdem über eine schwierige Studie aus Österreich zur Frage, wie religiöse Menschen zu den Anhängern anderer Religionen stehen.
Die Unordnung der Dinge
Beziehungen, in denen nur einer gibt oder nimmt, sind ungerecht, aber auch Stützen der Gesellschaft, wie die FAZ nach der Relektüre von Gouldner und Luhmann weiß. +++ Marode Infrastruktur, soziale Ungerechtigkeit, Rassismus: Der Freitag unterhält sich mit Silvia Federici über das Elend der USA und die Wiederverzauberung der Welt von unten. +++ Die SZ blickt nach Afrika, wo sich die Erderwärmung bereits katastrophal auswirkt und Klimaschutz-Aktivisten tapfer auf verlorenem Posten kämpfen. +++ Kann man sich Verschwörungsglauben mit Claude Lévi-Strauss als wildes Denken vorstellen, das in die Lücken stößt, die die linke, postmoderne, akademische Theorie nicht füllt? Telepolis kann. +++ Der Kabarettist Florian Schroeder wird nicht nur von der ZEIT für seinen entlarvenden Versuch gelobt, mit „Corona-Rebellen“ über Meinungsfreiheit und Hegel zu diskutieren; den gegen Infektionsschutz demonstrierenden „Querdenkern“ und ihrem selbstgefälligen Nonkonformismus hat die ZEIT auch ein eigens Stück gewidmet. +++ Derzeit werden ja viele Künstler eingeladen, ausgeladen und wieder eingeladen und ebenso dicke wie langweilige Feu-Stücke darüber verfasst. Das notorische Peng!-Kollektiv hat seine geplante Antifa-Ausstellung in Chemnitz abgesagt und dann die Absage abgesagt, worüber die SZ berichtet.
Trotz Philosophie
Über die verschiedenen Arten, einen Satz zu verneinen, denkt Matthias Warkus mit Frege und Wittgenstein in seiner Kolumne bei Spektrum nach. +++ Kübra Gümüşay und Peter Sloterdijk haben unter dem freien Himmel des Literaturfestivals LIT:potsdam zum Thema Sprache und Wahrheit eindrucksvoll aneinander vorbei geredet, wie die taz meldet. +++ Neben der Philosophie droht auch die liberale Demokratie zwischen Irrationalismus und empirischer Objektivitätsmaskerade zerrieben zu werden, wie in der FR gewarnt wird. +++ Ob es jemandem etwas ausmacht, die eigene Stimme zu hören, ist eine Frage des Selbstbilds und der Generation, räsoniert die ZEIT. +++ Der Tagesspiegel ruft dem technik- und medienkritischen Kulturpessimisten Bernard Stiegler nach, der sich mit 68 das Leben genommen hat. +++ Auch der Standard blickt nach Perpignan, wo sich Walter Benjamin das Leben nahm und der neue rechtsextreme Bürgermeister sich mit Gedenkgesten zu entdämonisieren versucht. +++ Die ZEIT hat eine Karte mit den Geburtsorten wichtiger Philosophen angelegt, was eine Ehrenrettung der Provinz ergibt, und die FR denkt albern über die Bedeutung der schwäbischen Mentalität für Hegels Dialektik nach. +++ Lichtwolf gefällig?