Links der Woche, rechts der Welt 20/20

Lets talk abouth death, baby

Der pandemisch bedingte Ausnahmezustand war und ist auch ein epistemischer, wie Valentin Widmann bei Telepolis schreibt: Auch den Nochgesunden drängt sich ihre Sterblichkeit auf. Er rät dazu, sich auf die „Intensität der ‚neuen‘ Todes-Phänomenologie“ einzulassen und wieder sterben zu lernen. (10.05.20)

 

Das Böse lauert überall

Anselm Neft hört auch im Bekanntenkreis Verschwörungstheorien und überlegt in der ZEIT, ob das alles psychotischer Quatsch ist oder nicht eher eine Art von wildem Glauben. Als Religionswissenschaftler verfügt Neft über das methodische Rüstzeug und stellt einige Theorien zum Verschwörungsglauben vor. (13.05.20)

 

Der Körper des Volkes

Nils Markwardt blickt in der ZEIT auf die demonstrierende „Anti-Infektionsschutz-Querfront“ und die Frage, die der Umgang mit ihnen stellt: Was bedeutet Versammlungsfreiheit für die Demokratie, wenn – nach Arendt und Butler – die massenhafte Anwesenheit von Körpern als „Drehscheibe für Viren“ eingeschränkt wird? (16.05.20)

 

Bücher

Nikil Mukerji und Adriano Mannino trauen sich „Philosophie in Echtzeit“ und haben ohne große Distanz ein Buch über die Corona-Krise geschrieben, was bei der SZ einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. +++ Die Geburt der Ökologie aus dem Geiste der romantischen Literatur verfolgt Heinrich Detering in seinem neuen Buch „Menschen im Weltgarten“, von dem die SZ beinahe schon schwärmt. +++ Andrea Büchler und Barbara Bleisch sprechen im NZZ-Interview über ihr Buch „Kinder wollen“ und den Menschen im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit bzw. Verhütbarkeit. +++ Über die Schwierigkeiten von Personen und Organisationen, sich auf Worst-Case-Szenarien einzustellen, hat die Soziologin Karen Cerulo 2008 ein Buch geschrieben, das die FAZ empfiehlt, während die ZEIT noch tiefer ins Regal greift und Kropotkins „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“ von 1902 als „Gegenentwurf zum Darwinismus“ und Buch der Stunde würdigt.

 

Radio

Ab ins Innere: Im DLF kommt heute Abend die Lange Nacht der Träume. Bei Essay und Diskurs geht es morgen früh um das Recht auf selbstbestimmtes Sterben und bei Sein und Streit u.a. um Infektionsschutz, Freiheit und Autoritarismus. Über Arbeit, Industrie und Erfolg unterhalten sich Michael Andrick und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5.

(Photo: fietzfotos, Albrecht Fietz, pixabay.com, CC0)

Berichte aus der Akademie

Spätestens seit Aristoteles ist der Regenbogen auch Gegenstand der Philosophie, und zwar zu Recht, wie man nach Silke Webers faszinierendem Text in der ZEIT sagen muss. +++ Zehn Psychologinnen und -Psychologen brechen ein Tabu und sprechen öffentlich über Scheitern und Selbstzweifel; Spektrum erklärt, was der Sinn der Übung ist. +++ Platz gibt es in Deutschland genug für Wölfe, nur fehlt noch das Bewusstsein: Spektrum berichtet über den aktuellen Stand des „Wolfsmonitoring“.

 

Die Unordnung der Dinge

Lars Jaeger macht bei Telepolis eine Inventur der Esoteriker, Corona-Skeptiker und Verschwörungsgläubigen, die von der Pandemie profitiert haben. +++ Vor 50 Jahren begann mit der Gefangenenbefreiung Andreas Baaders die Geschichte der RAF im Untergrund, an die der Tagesspiegel erinnert.

 

Weiteres zu Mbembe

Jürgen Kaube reagiert in der FAZ auf die Verteidigung Achille Mbembes gegen den Vorwurf des Antisemitismus mit einer „Klarstellung“, nämlich dass Mbembe und die Seinen längst maßlos um sich schlagen. Die taz übersetzt derweil eine Facebook-Nachricht Mbembes, in der er seine Beschuldiger angreift (und auf die sich Kaube bezieht), und bringt einen „Brief an die Deutschen“, in dem er denen, denen sein Werk nur teilweise übersetzt vorliegt, erklärt, worum es darin geht (nicht um Israel oder Juden). Charlotte Wiedemann vermutet ebenfalls in der taz hinter den Vorwürfen den Reflex, sich nicht von einem Afrikaner in die deutsche Gedenkkultur reinreden lassen zu wollen, Thomas Assheuer spekuliert in der ZEIT über den Einfluss der dominikanischen Erziehung auf Mbembe und Claus Leggewie versucht in der FR mit Hannah Arendt zwischen den Lagern in der Debatte zu moderieren.

 

Ex Corona Lux

Frankreich ist „am Rande des Nervenzusammenbruchs“ und das glaubt man gern, liest man in der FAZ, wie bei unseren Nachbarn Virologen, Philosophen und Politiker über Pandemie und Infektionsschutz streiten. Die FR führt ein angenehm unaufgeregtes Gespräch mit Reinhard Merkel über die Ethiken der Güterabwägung in der Corona-Pandemie. Dazu passend empfiehlt die FAZ einen Fachartikel über die „Triage“ mit Beispielen, wie über die Behandlung von Patienten entschieden werden kann. Die ZEIT derweil bringt das von vielen Intellektuellen unterstützte Manifest zur Zukunft der Arbeit (die der sozialdemokratischen Vergangenheit ähnelt) nach der Pandemie und vorm Klimakollaps, auf den Frank Adloff im Freitag blickt, wenn er klarstellt, dass Covid-19 nur einen Vorgeschmack auf die kommenden Herausforderungen bot. Dazu passend gibt Jens Soentgen in der ZEIT einige Tipps, wie man aus Angst und Erstarrung heraus und zu einer greifbaren Klimaschutzpolitik kommt.

 

Trotz Philosophie

Über Transhumanismus und Posthumanismus wird Otfried Höffe zu wenig diskutiert, weshalb er in der FR deren Grundlagen, Unterschiede und Alternativen referiert – ohne auf die einschlägigen Publikationen LW39 und LW69 hinzuweisen, was hiermit nachgeholt sei. +++ Die taz war in der Berliner Hannah-Arendt-Ausstellung und nimmt das zum Anlass für eine Würdigung des Denkens und Lebens der Intellektuellen. +++ Nach der Hotline kommt die Ausstellung: Wuppertal, Engels, 200 Jahre. +++ Die SZ empfiehlt das Philosophie-Blog „Praefaktisch“ von Gottfried Schweiger und Norbert Paulo, die ZEIT dagegen ist überschwänglich begeistert von der ersten Ausgabe des deutschen Jacobin-Magazins.

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