Links der Woche, rechts der Welt 50/19

Das Leben im Buchregal

Bibliomanie wird selten behandelt, gilt sie doch als honorige Geisteskrankheit, deren Symptome Einlass ins Feuilleton gewähren. Der Betroffene Alain Claude Sulzer schreibt in der NZZ über Bücher als Verwandte und Grabsteine und die Chancen sowie Schwierigkeiten der Sortierung und Aufbewahrung. (10.12.19)

 

Bücher

Nicht ganz zufrieden mit dem Begriffsgebrauch zeigt sich der Tagesspiegel bei Dieter Thomäs Schrift „Warum Demokratien Helden brauchen“. +++ Peter Trawny hat eine umfassende „Philosophie der Liebe“ vorgelegt, die auch historische Liebespaare, die nach heutigem Maß als pädophil gelten, und Pornographie behandelt und bei Glanz & Elend wärmstens empfohlen wird. +++ Über Sex denkt Alenka Zupančič in ihrem Buch nach, das den vielversprechenden Untertitel „Psychoanalyse und Ontologie“ trägt und in der taz vorgestellt wird. +++ Stuart Jeffries launige Gruppenbiographie der Frankfurter Schule wurde weithin gelobt, Wolfgang Bock zeigt bei Glanz & Elend allerdings ausführlich, warum Grandhotel Abgrund“ voller Fehler und Quatsch ist. +++ Die WELT freut sich, dass Walter Benjamins Essay „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ als Faksimile der Erstausgabe von 1928 wiederaufgelegt wurde. +++ Ottmar Ette hat mit „Mobile Preußen“ eine Studie über Migration, Globalisierung und verschüttete Traditionen Preußens vorgelegt, die den Tagesspiegel träumen lässt. +++ Die NZZ bespricht einen von Angelika Dörfler-Dierken herausgegebenen Sammelband, der nach dem ethischen Einfluss der Reformation auf das Militär fragt. +++ Außerdem ist die NZZ froh, dass sich der Ökonom Branko Milanovic in seiner Studie der beiden Spielarten des Kapitalismus im Westen und in China der Systemfrage enthält. +++ David Wallace-Wells blickt unter dem Titel „Die unbewohnbare Erde“ auf das Leben nach der Erderwärmung und im Freitag ist zu lesen, wie hoffnungslos die Aussichten wirklich sind. +++ Die FR stellt anhand einige Beispiele die Reclam-Essayreihe „Was bedeutet das alles?“ vor, aus der man jeden einzelnen Band empfehlen könne.

(Photo: JayMantri, pixabay.com, CC0)

Radio

Im DLF kommt heute die Lange Nacht über Spielzeug, die „Gefährten der Kindheit“. Morgen gibt es bei Essay und Diskurs den zweiten Teil des hörenswerten essayistischen Jahresrückblicks von Mathias Greffrath und bei Sein und Streit geht es u.a. um Roboter, Androide und Menschmaschinen. Herr Meier und Frau Lenk unterhalten sich derweil weiter übers Internet, diesmal über r/SkincareAddiction, „routine“ und „shelfies“:

 

Die Unordnung der Dinge

Nützt ja nix: Die ZEIT hat zwölf Phrasen versammelt, mit denen man sich gern vor mehr Klimaschutz drückt, und jeder ihre fundierte Widerlegung beigegeben. +++ Das Holocaust-Gedenken muss sich auf das Verstummen der Zeitzeugen, Rechtspopulisten in Kulturausschüssen und eine neue Generation einstellen, die v.a. nach vorn auf die Klimakatastrophe blickt; das NS-Dokumentationszentrum München stellt sich der Herausforderung mit einer Kunstausstellung, die der Freitag durchaus lobt und auch der Standard ist vom Mut der Macher überzeugt. +++ Nach den Gründen, warum Kinder und Jugendliche in Deutschland deutlich häufiger an Depressionen und Angststörungen erkranken als anderswo, sucht die FAZ, während es bei Telepolis um das digitale Erschöpfungssyndrom der Generation Smartphone geht. +++ Frankreich streikt und demonstriert gern. Die SZ blickt auf einige intellektuelle Analysen der möglicherweise vorrevolutionären Lage im Generalstreik links des Rheins. +++ Ist die AfD noch rechtspopulistisch oder schon rechtsextrem? Floris Biskamp denkt in der taz über die politikwissenschaftliche Terminologie nach. +++ In der „Art Basel“ hat ein Performance-Künstler eine für 120.000 Dollar gehandelte Kunstinstallation aufgegessen (und alle halten ihr Smartphone drauf…). Für Rainer Schreiber bei Telepolis ein Anlass klarzustellen, was Kunst ist und was Publikumsverarsche bzw. Spekulationsirrsinn bleibt. +++ Michael Arndt hat nach 21 Jahren wieder eine Ausgabe seines ZAP-Musikmagazins herausgebracht, wie die ZEIT staunt und auf das Goldene Zeitalter dieser Fanzines zurückblickt. Sie hätte aber auch mal ins nächste Viertel radeln können und im Nachladen staunen, wie viele Fanzines es immer noch und immer wieder gibt.

 

Berichte aus der Akademie

Der südkoreanische Go-Meister Lee Sedol hat nach seiner Niederlage gegen das Computerprogramm AlphaGo seinen Rückzug in prometheischer Scham angekündigt, was die SZ fragen lässt, wer denn nun wirklich von KI ersetzt werden wird. +++ Wie wäre es mit einer Ausbildung statt einem Studium? Die SZ unterhält sich mit dem Berufsberater Harald Brandmaier u.a. über die überschätzten Abgangszeugnisse der philosophischen Fakultäten. +++ Matthias Warkus demonstriert in seiner Spektrum-Kolumne an drei Beispielen, was analytische, synthetische und kontingente Urteile sind.

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