Links der Woche, rechts der Welt 35/19

Weltrettung mit Enttäuschungspotential

Thomas E. Schmidt macht in der ZEIT seinem Argwohn über die einhellige (?) Begeisterung für Klimaschutz Luft. So wird zu wenig von den notwendigen Ausmaßen an asketischer Beschränkung und ihre gesellschaftlichen und politischen Folgen gesprochen, zu denen die Gefahr einer kryptoreligiösen Unbedingtheit ohne Erlösung gehört. (21.08.19)

 

Abgründe moralischer Bauchgefühle

Philipp Hübl hat ein Buch über die politische Bedeutung von Gefühlen und Temperament geschrieben. Im ZEIT-Interview mit Jakob Simmank spekuliert er u.a. über den Aufstieg des Rechtspopulismus aus Ekelgefühlen heraus und über die „Big Five“ als psychologisch-politischen Fingerabdruck. (26.08.19)

 

Kritisches Bewusstsein beim Essen

In der ZEIT gesteht Nikola Richter ihre Herkunft aus einer Familie, die bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts ihre Ernährungsgewohnheiten und v.a. ihren Fleischkonsum hinterfragt. Strenge Ernährungsregeln sollten der Gesundheit und dem Geldbeutel dienen, machten aus dem Genuss aber auch harte Arbeit. (26.08.19)

 

Eine afrikanische Universität

25 Jahre liegt das Ende der Apartheid in Südafrika zurück, wo es erst jetzt die erste schwarze Rektorin gibt. Linda Tutmann widmet Mamokgethi Phakeng in der taz ein ausführliches Portrait, das zeigt, welche ungeheuren Hürden die Mathematikerin zu überwinden hatte und immer noch vor sich hat. (27.08.19)

 

Der unfertige Liberalismus

Mark R. Reiff war zunächst Rechtsanwalt und wurde dann Philosoph. Für die ZEIT unterhält sich Niklas Dummer mit ihm über das Gerede vom Sozialismus, das vom wahren Konflikt nicht nur in den USA ablenkt: dem zwischen liberalem und autoritärem Kapitalismus. Visionen könnten helfen. (27.08.19)

 

Was die Griechen über Populisten wussten

Begriffe wie Demagogie und Populismus stammen aus der Antike, woran Christoph Riedweg in der NZZ erinnert. Denn die gute alte politische Theorie und Praxis hat Erhellendes für die Gegenwart zu bieten, wie er an diversen Beispielen (und besonders an Platons Kulturpessimismus) zeigt.(29.08.19)

 

Ewige Spuren im Gestein

Der Freitag bringt einen Text von Nicola Davison aus dem Guardian, der die wissenschaftliche Debatte um den Begriff des Anthropozäns nachzeichnet. Dieser beruht auf einer Eingebung, wird von einer überwältigenden Flut an Empirie unterstützt und leuchtet eben doch nicht jedem ein. (30.08.19)

 

Wer ist Gott und wozu?

Der größte unter den alltäglichen schwer definierbaren Begriffen ist „Gott“. Friedrich Wilhelm Graf fragt in der NZZ mit dem Kant-Nachfolger Wilhelm Traugott Krug nach den gelehrten Versuchen, die Existenz und vor allem das Wesen Gottes zu ergründen. Das nämlich ist eine weder triviale noch folgenlose Beschäftigung. (31.08.19)

(Photo: WikiImages, pixabay.com, CC0)

Bücher

Soziologie lebt von Statistik und diese von Daten, die mit jeder Regung produziert werden. Drum schwankt Armin Nassehi in seinem neuen Buch über digitale Ökonomie und Muster im komplexen Sozialgewusel zwischen Faszination und Schrecken, wie in der FAZ zu lesen ist und auch die WELT ist angetan von Nassehis Soziologie der digitalen Gegenwart. +++ Spektrum weist ganz kurz auf Kieran Setiyas philosophischen Ratgeber für die Midlife-Crisis hin. +++ Robert Macfarlane macht „nature writing“ und geht nun in den Untergrund: Seine Buch über Keller, Schächte und Tunnel wird im Freitag rezensiert. +++ Christian Neuhäuser geht in seinem Buch der Frage nach, die im Titel steht („Wie reich darf man sein?“), und die ZEIT findet das kurz und gut. +++ 1938 wurde auf dem „Walter-Lippmann-Kolloquium“ der ziemliche soziale Neoliberalismus erfunden. Wie das kam und was daraus wurde, haben Serge Audier und Jurgen Reinhoudt in ihrem Buch nachgezeichnet, das von der SZ besprochen wird. +++ Der Tagesspiegel freut sich, dass Yuval Noah Hararis „geschichtsphilosophischer“ Bestseller „21 Lektionen“ nun auch als Taschenbuch zu haben ist. +++ Catherine Nixey macht in ihrem Buch die Christen für den Untergang Roms verantwortlich, kann den Rezensenten bei Spektrum jedoch nicht überzeugen. +++ Die SZ stellt Frank Witzels uneigentlich-metaphysisches Tagebuch einer Suche nach dem Ich vor. +++ Michael Hirsch hat einen Aphorismenband vorgelegt, der sich in die Tradition der Minima Moralia stellt und der taz Lust und Mut macht, in dunklen Zeiten das Unmögliche zu denken.

 

Bild und Ton

Die SZ freut sich über den feministischen Zombie-Film „Endzeit“, der im ehemaligen Zentrum des deutschen Idealismus spielt.

Apropos Endzeit: Im DLF kommt heute Abend die Lange Nacht über Musik im Zweiten Weltkrieg. Morgen früh geht es bei Essay und Diskurs im zweiten Teil des Radioessays „Recht statt Krieg“ um den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der Regenwald, die Zeit und die Aby-Warburg-Bibliothek sind einige der Themen morgen bei Sein und Streit. Und was bedeutet Design philosophisch betrachtet? Darüber denken Daniel Martin Feige und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5 nach.

 

Berichte aus der Akademie

Die FAZ blickt auf Schwierigkeiten und Hilfsangebote für Kinder aus Arbeiterfamilien an der Universität. +++ Zwei Frankfurter Studenten sehen im Journalismus die/ihre Zukunft und haben eine Onlinezeitung gegründet, wie die FR meldet. +++ Ebenda erfahren wir auch, dass der Anteil von Studentinnen im Fachbereich Philosophie unter 40 Prozent liegt, was atmosphärische Auswirkungen hat. +++ Die Fachzeitschrift „Das Historisch-Politische Buch“ bringt zum Entsetzen der Verantwortlichen eine Rezension, die voller rechtsradikaler Mythen ist, wie die FAZ berichtet. +++ Die jüngsten Durchbrüche bei Gehirn-Computer-Schnittstellen lassen den Medienethiker Alexander Filipović in der SZ eine Zukunft erahnen, in der Maschinen unsere Gedanken lesen.

 

Trotz Philosophie

Nils Markwardt blickt im Freitag auf Vorurteile, Fallstricke und Missverständnisse in der Kontroverse um die Identitätspolitik. +++ Allen, die Adornos 1967 gehaltenen Vortrag über den Rechtsradikalismus für aktueller denn je halten, wirft Magnus Klaue in der FAZ vor, den zeitgeschichtlichen Hintergrund zu ignorieren und Adorno damit keinen Gefallen zu tun. +++ Slavoj Žižek denkt in der NZZ angesichts der Beliebtheit von Serien über die Freude am Beobachten des Leidens anderer nach (nebst Trump-Exkurs). +++ In seiner Spektrum-Kolumne fragt Matthias Warkus, wie die Menschheit damit umginge, stünde ihr der Gesamtuntergang bevor. (Darum übrigens und um weitere Todesarten geht es im nächsten Lichtwolf, der am 20. September in die Briefkästen kommt.)

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