Links der Woche, rechts der Welt 20/19

Die bessere Seele ist künstlich

Der Transhumanismus lebt von der uralten Sehnsucht nach ewigem, leidlosen Leben und greift nun – getrieben von prometheischem Schamgefühl – auch nach der menschlichen Seele, wie Valentin Widmann bei Telepolis schreibt und die transhumanistische Leib-Seele-Konzeption nebst ihrer Widersprüchlichkeiten darstellt. (05.05.19)

 

Der wissenschaftliche Preis der Anpassung

Natur- und Geisteswissenschaften leben nicht mehr in verschiedenen Welten, wie es C. P. Snow noch vor 60 Jahren kritisierte. Jan Söffner rekapituliert in der NZZ, welche Seite sich seither an die andere angepasst hat und was dabei verloren ging und von der anderen Seite nun schmerzlich vermisst wird. (06.05.19)

 

Wir sind schon im Übergang

Ludger Eversmann nimmt bei Telepolis Ereignisse wie das „Philosophenduell“ zwischen Jordan Peterson und Slavoj Žižek als Beleg für ein erwachtes Interesse an einer Welt jenseits des Kapitalismus. Denn linke Utopisten wie Marcuse, Adorno und Marx könnten Recht damit gehabt haben, dass es so nicht ewig weitergehen wird. (08.05.19)

 

Aufgehoben zwischen Utopie und Dystopie

Die ungarische Philosophin Ágnes Heller wird 90 und in der ZEIT widmet ihr Elisabeth von Thadden ein ausführliches Portrait, das zeigt, wie ungewöhnlich sich das totalitäre 20. Jahrhundert auf Hellers Leben und Denken auswirkte. (08.05.19)

 

Sich sicher sein können

Die Faszination der Logik besteht in der Hoffnung, Systeme aus gewiss wahren Aussagen errichten zu können, schreibt Josef Honerkamp in seinem Scilog. Eben drum war die Mathematik stets methodisches Vorbild aller nicht nur empirischen Wissenschaft seit Galilei. (12.05.19)

 

Antifaschismus im 21. Jahrhundert

Paul Mason hat eine „radikale Verteidigung des Humanismus“ in Buchform geschrieben und macht im Freitag sechs Vorschläge, wie sich der Faschismus aufhalten lässt, der sich weltweit in Gestalt des datengestützten autoritären Neoliberalismus ausbreitet und uns den moralischen und physischen Kampf für ein gutes Leben aufzwingt. (12.05.19)

 

Moralische Instinkte in emotionaler Form

Über Impfungen wird emotional bis hysterisch debattiert und Jakob Simmank fragt sich in der ZEIT, warum das so ist. Moralpsychologische Studien legen nahe, dass tief verankerte Reinheits- und Natürlichkeitsvorstellungen die Haltung gegenüber dem Impfen unbewusst beeinflussen. (14.05.19)

(Photo: Markus Spiske, pixabay.com, CC0)

Bücher

Telepolis bringt einen weiteren Auszug aus dem Buch „Die Wiederentdeckung des Menschen“, worin Andreas von Westphalen dem kapitalistischen homo oeconomicus eine instinktiven Sinn für Fairness gegenüberstellt. +++ Die FR unterhält sich mit Albert Kitzler anlässlich seines Buchs „Vom Glück des Wanderns“ über die Philosophie auf Beinen. +++ Philipp Hübl hat die Polarisierung der Gesellschaften moralpsychologisch untersucht und die FAZ staunt, wie sehr politische Orientierung von biologischen und ökologischen Faktoren bedingt zu sein scheint. ++++ Der Standard stellt drei Bücher von Helmut Höge, Ernst Molden und Peter Iwaniewicz über das Verhältnis des Menschen zum Tier vor.

 

Aus den Wissenschaften

Alexander Reutlinger nimmt in der FAZ den „March for Science“, der dieses Jahr zum dritten Mal stattfand, gegen Kritik am propagierten naiven Wissenschaftsbild mit wissenschaftstheoretischen Argumenten in Schutz. +++ Immer mehr Universitäten bieten Kombinationsstudiengänge von Ökonomie und Philosophie an, wie – laut Standard „für Querdenker“ – nun auch die Uni Wien. +++ Während Künstliche Intelligenz immer größer wird, geht in Berlin ein interdisziplinärer „Exzellenzcluster“ der unbeachteten Frage nach, was Intelligenz eigentlich ist, meldet der Tagesspiegel. +++ Brauchen Sie Portraits ohne Persönlichkeitsrechte? Telepolis berichtet über den selbstlernenden Algorithmus StyleGAN, der Gesichter von Menschen erstellt, die es nicht gibt.

 

Die Unordnung der Dinge

Die digitale Revolution läuft der demokratischen Politik nicht nur davon, sie überhitzt und überflutet diese, wie Adrian Lobe in der SZ beklagt. +++ Wolfgang Kubicki scheint unter die Antinatalisten gegangen zu sein und plädiert in der WELT für eine Drosselung des Bevölkerungswachstums statt Flugreisen- und Strohhalmverbot. +++ Micha Brumlik denkt in der taz darüber nach, ob es in diesem Deutschland einen europäischen Verfassungspatriotismus geben kann. +++ Svenja Flaßpöhler denkt in der ZEIT über das Elend der Reproduktion nach, wie bereits Bernhard Horwatitsch im aktuellen LW65 die skandalöse gesellschaftliche Missachtung der unabdingbaren Care-Arbeit beschrieben hat.

 

Trotz Philosophie

Der Tagesspiegel stellt das Berliner „Bard College“ vor, in dem Schicksale der Verfolgten des Dritten Reiches und der Geflüchteten von heute im Geiste Hannah Arendts zusammenlaufen. +++ Auch die FAZ würdigt Ágnes Heller zu ihrem 90. Geburtstag mit einem Portrait ihres beeindruckenden Lebens und Denkens. +++ Ein Juso-Vorsitzender wagte jüngst eine Debatte über Eigentum anzustoßen, was Matthias Warkus in seiner Spektrum-Kolumne zum Anlass nimmt, die philosophische Ideen- und Begriffsgeschichte des Eigentums zu skizzieren. +++ In den USA wird Philosophie immer beliebter, im Silicon Valley stellen IT-Konzerne gar Philosophinnen ausdrücklich fürs Denken des Denkens ein, meldet der Standard. +++ Willi Winkler rekapituliert in der SZ Heideggers Verachtung für den Zeitungsjournalismus anhand seiner Notizen in den Schwarzen Heften.

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