Alte Berufe: Leuchtturmwärter

von Michael Helming

Eine meist bärtige Kreuzung aus Seemann und Hausmeister war der Leuchtturmwärter. Er lebte und arbeitete nicht allein auf Leuchttürmen, sondern mitunter auch auf so genannten Feuerschiffen, die im Prinzip nichts anderes als schwimmende Leuchttürme waren. Stand sein Turm an der Küste, kam er zuweilen unter Leute; war sein Leuchtfeuer hingegen auf eine winzige Insel oder gar mitten ins Meer gestellt, blieb er manchmal Wochenlang mit sich allein. Zu seinen Aufgaben gehörte vor allem die Wartung, sei es an Lampen und Technik, sei es am Gebäude selbst, welches durch Entrosten und Malen – Konservierung genannt – vor dem Einfluss des Meerwassers zu schützen war. Letztendlich betreute er die Signalanlage, sammelte zudem Wetterdaten, erfüllte Aufgaben im Funkverkehr und konnte Schiffen in Seenot hilfreich sein. Die meiste Zeit verbrachte der kauzige Lampendochtöler und Nebelhornputzer allerdings wohl mit Abwarten und Teetrinken.

Lichtwolf Nr. 59 („Alte Berufe“)

Seit moderne Anlagen wartungsarm geworden sind, gibt es keine bemannten Leuchttürme mehr, was aus einer Vielzahl von Gründen bedauerlich ist. Beispielsweise entfällt dadurch ein komplettes heterotopisches Biotop und folglich ein philosophisches wie soziologisches Versuchsfeld. Allerdings ist eine Trendwende greifbar, denn die CDU-Sozialausschüsse (CDA) in Niedersachsen forderten jüngst ein Pilotprojekt für die Wiederbemannung von zunächst neunzehn Seezeichenanlagen an der Deutschen Nordseeküste. Sinn und Zweck des Projekts sei es angeblich, Langzeitarbeitslose mit diagnostizierter Sozialphobie wieder in sinnvolle Beschäftigung zu bringen. – Das leuchtet ein!

 

Lesung

Dieser Text ist die unveränderte Fassung des Beitrags „Leuchtturmwärter“ aus LW59 und wurde von Michael Helming auf der Lichtwolf-Lesung am 10.04.2018 vorgetragen:

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