Links der Woche, rechts der Welt 23/18

Was tun, wenns brennt?

Katastrophenschutz arbeitet heute vor allem mit Computermodellen, wie Mitchell Waldrop in der SZ beschreibt. Weil jeder Mensch anders auf einen großen Notstand reagiert, sind die Modelle über ihr Massenverhalten sehr komplex und rechenintensiv, taugen darum aber auch für Soziologinnen, Städtebauer, Migrationsforscherinnen und Epidemiologen. (01.06.18)

 

Der Philosoph der Pflanzen

Marc Zollinger trifft sich für die NZZ mit Emanuele Coccia, der erst Agrarwissenschaften studieren musste, bevor er sich der Philosophie zuwenden konnte und jüngst eine bemerkenswerte Metaphysik der Pflanzen verfasste, die den für Naturromantik empfindlichen Nerv der Zeit trifft. (02.06.18)

 

Post-Work, Post-Gender, Post-Humanismus

Helen Hester hat am „Xenofeministischen Manifest“ mitgeschrieben und sieht in der Entfremdung durch Technik eine Befreiung von der biologischen Unmittelbarkeit. Tobias Haberkorn unterhält sich für die ZEIT mit ihr darüber, wie Roboter die schlecht bis gar nicht bezahlte Sorgearbeit übernehmen können und so den neoliberalen Konsens erschüttern. (03.06.18)

 

Amazon, Smartphone und Kommodifizierung

Allem Geburtstagsrummel zum Trotz gilt Marx als widerlegt. Frank Jödicke zeigt bei Telepolis dagegen auf, wie Marx und Engels im 19. Jahrhundert mit Vereinzelung, Paranoia und Fetisch die drei psychologischen Phänomene beschrieben, von denen sich unsere heutige Gesellschaft prägen lässt, obschon sie es besser wissen könnte. (03.06.18)

 

Nichts Neues in fremder Zunge

Eine lingua franca der Wissenschaft gab es schon einmal und manch hiesiger Bildungspolitiker träumt von Exzellenz durch Englischsprachigkeit. Winfried Thielmann zeigt in der FAZ an einigen Beispielen, warum es sich im Englischen anders denkt als im Deutschen und eine Anglophonizierung der europäischen Wissenschaft in eine neue Scholastik führt. (04.06.18)

 

Hegel nach Paris bringen

In der WELT erinnert Wolf Lepenies an den vor 50 Jahren verstorbenen Alexandre Kojève, der eine Gangsterjugend in Moskau hatte und in den Käse „La Vache qui rit“ investierte. Kojève gab Hegel-Vorlesungen, die die französische Philosophie bis heute beeinflussen, und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen politischen Strippenzieher. (05.06.18)

 

Intelligenz und Werktätige

Ganz so groß ist die Fremdheit zwischen protestierenden Studenten und streikenden Arbeitern weder 1968 noch 2018, wie Ulrike Baureithel im Freitag über ein politisches Verhältnis schreibt, das in Frankreich und Italien mehr Früchte trug als in Deutschland. (07.06.18)

 

Biogehacktes

Max Rauner portraitiert für die ZEIT ausführlichst den Transhumanisten und Bodyhacker Rich Lee, der sich im Selbstversuch ohne Rücksicht auf Verluste mittels Implantaten und Genmanipulation zum Übermenschen aufpimpt. Die Technik ist bereit, nur Ethik und Gesellschaft stehen staunend bis angewidert davor. (07.06.18)

(Photo: TheDigitalArtist,
Pete Linforth, pixabay.com, CC0)

Kritisches Denken lernen

Neben dem Abendland ist auch das Gymnasium bedroht, zumindest in der Schweiz, weshalb Michael Schoenenberger in der NZZ für den Erhalt dieser humanistischen Bildungsanstalt plädiert, die besser (und nützlicher) ist als man in Zeiten wirtschaftsfreundlicher Bildungsreformerei „denkt“. (08.06.18)

 

Für Ihre weitere berufliche Zukunft…“

Man schreibt Bewerbungen und erhält Absagen aus Textbausteinen, aus denen nicht abzulesen ist, was man beim nächsten Mal besser machen könnte. Nora Zacharias studiert Kommunikationswissenschaft und ist so frustriert über das ausbleibende Feedback, dass sie ihre ungewürdigte Bewerbungsreportage ins Blogseminar der FAZ hebt. (07.06.18)

 

Zivilisierte Stressbewältigung

Der Klimawandel ist auch eine sicherheitspolitische Herausforderung, wie Harald Welzer in der SZ schreibt. Längst ist der Zusammenhang von Klimaveränderungen, gewalttätigen Konflikten und Fluchtbewegungen erkennbar, die wohlhabende Welt schottet sich jedoch lieber ab statt Verantwortung zu übernehmen. (08.06.18)

 

Fussball stellt das Drama des Lebens nach.“

Demnächst ist Fußball-WM und zu diesem Anlass darf Paul Hoyningen-Huene in der NZZ über den Zusammenhang von Philosophie und Rasenballsport nachdenken. Fußball ist demnach eine schlichte Illustration des Lebens voller Absichten, Widerstreit und Zufall. (09.06.18)

 

Bücher

Zwar ist Jaron Laniers Manifest gegen die sozialen Medien vor dem Facebook-Skandal und der DSGVO entstanden, die FAZ empfiehlt es dennoch wegen seiner Utopie von einem menschlicheren Internet. +++ Die SZ hat einige Neuerscheinungen durchgesehen, darunter auch eine Neuübersetzung von David Humes Essay über den Selbstmord. +++ In den letzten fünf Jahren haben sich über sechs Millionen Deutsche endgültig vom Buch abgewandt und verrieten dem Börsenverein, woran es lag, was Sandra Kegel im FAZ-Feuilleton wiederum kommentiert. +++ Sollten Sie nicht zu denen gehören, die vorm Eskapismus ins Gedruckte zurückschrecken, gibt es für Sie in knapp zwei Wochen den nächsten Lichtwolf zum Thema „Zeichen & Wunder“ – mit Abonnement direkt in Ihren Briefkasten.

 

Radio

Kann die Wissenschaft die Religion vollends verdrängen? Darüber diskutieren Hans Joas und Jürgen Wiebicke diese Woche im Philosophischen Radio des WDR 5. Morgen früh unterhalten sich Christina von Hodenberg und Barbara Schäfer bei Essay und Diskurs im DLF über die weiblichen Akteure von 1968 und mittags geht es bei Sein und Streit u.a. um Framing, Fußball und Postfaktizität.

 

Das Weitere und Engere

Der Tagesspiegel portraitiert Michael Sandel, dessen Onlinevorlesungen zur Ethik im Kapitalismus ähnlichen Suchtcharakter ausüben wie eine Netflix-Serie. +++ Bernard-Henri Lévy hat erfolglos versucht, den Briten Europa mit einem Theaterabend schmackhaft zu machen, wie die WELT berichtet. +++ In Berlin wurde über den Begriff „Anthropozän“ diskutiert und ob das gegenwärtige Erdzeitalter ihn verdient hat, wie der Tagesspiegel berichtet. +++ Matthias Warkus fragt in seiner Spektrum-Kolumne diese Woche nach Bewusstsein und Verantwortung. +++ Die NZZ freut sich auf die diesjährige phil.cologne in, klar: Köln.

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