Milchmädchenrechnungen – Bonusmaterial II

Weitere Outtakes, die keine Aufnahme in den aktuellen Lichtwolf mit dem Titelthema „Milchmädchen“ fanden und die Rechenkunst junger Molkereifachangestellter umkreisen.

 

Zeitreise

Onkel Hubert hatte immer schon seltsame Ideen gehabt, aber er war ja auch Erfinder und da durfte man Ideen haben und sogar seltsam sein. Obendrein war Onkel Hubert auch gar nicht mein leiblicher Onkel, er gehörte nicht einmal zur Familie, nur in die Nachbarschaft. Er wohnte jahrzehntelang drei Häuser weiter und seine Doppelgarage war sein Labor.

Eigentlich war er über dreißig Jahre Postbeamter im gehobenen Dienst gewesen und wie man sich so erzählte, soll er als Kind eine chronische Krankheit gehabt haben, wegen der er viele Jahre seiner Jugend in Kliniken und Sanatorien zubringen musste. Dabei war ihm einiges an Lebenszeit verloren gegangen, die er im Alter zurückhaben wollte, weshalb er sich daran gemacht hatte, die erste voll funktionsfähige Zeitmaschine zu entwickeln. Sein großer Traum war es, ins alte Rom zu reisen und die „Helden aus seinem Lateinunterricht“ zu treffen. Onkel Hubert berichtete gern übern Gartenzaun von seinen Fortschritten und schließlich kam er seinem großen Ziel, der ersten voll funktionsfähigen Zeitmaschine der Welt, immer näher. Das Prinzip seiner Maschine fußte auf komplizierter Quantenmechanik und als Treibstoff diente Flüssigstickstoff, den er in Riesentanks in seiner Garage lagerte, bis es zum großen Knall kam.

Nach der Explosion sahen alle Nachbarn zu, wie die Feuerwehr Onkel Hubert aus den Trümmern seiner Garage trug. Es gab Verständigungsprobleme, weil der Brandmeister unserer Ortsfeuerwehr kein Latein sprach. Noch im Krankenhaus glaubte Onkel Hubert, er sei nach Pompeji gereist und wäre versehentlich in den berühmten Vulkanausbruch geraten.

– Filbinger

Preisrakete (Text: Rüdiger Spiegel, Illu: Georg Frost)

 

Zeit ist Begrenzung

Zeit und Druck. Das ist nicht uninteressant, das zu untersuchen. Zeit selbst ist eine begrenzte Ressource und verursacht dadurch Druck. Durch das Nadelöhr der Zeit geht nicht viel durch. Man muss sich begrenzen, kastrieren. Seine eigene Ganzheit aufgeben um nicht auf der Strecke zu bleiben. Das Problem ist also die Strecke. Bewegung und Geschwindigkeit werden von zwei Punkten begrenzt. Geburt und Tod. Laut Zenon ist es nicht möglich, einen Raum von A nach B (Geburt bis Tod) bis zum Ende zu durchschreiten. Und er führt daher einen Beweis an, dass nur Sein ist und nichts nicht ist. Ebenso widerlegt er die Verschiedenheit des Seins. Alles ist eins. Wenn man also nun einen Raum durchschreiten will, so muss man –nach Zenon – erst die erste Hälfte durchqueren um in die andere Hälfte des Raumes zu gelangen. Um aber in der zweiten Hälfte auch dort weiter zu kommen in dessen nächste Hälfte, muss man auch die Hälfte dieser Hälfte durchqueren. Auf diese Weise wird man zwar immer näher an B herankommen, aber nie ganz, da der Raum immer weiter teilbar bleibt. Bewegung ist also eine Illusion. Für eine endliche Strecke gibt es keine endliche Zahl. Zenon konnte erst von Aristoteles widerlegt werden. Aristoteles stellte fest, dass Zenon in seinen Teilungsparadoxien den Raum als etwas Zusammengesetztes sah. Der Raum ist aber etwas Zusammenhängendes. Nur ein Toter kann das widerlegen. Aber die quatschen nicht. Fehlt ihnen die nötige Zeit?

Bernhard Horwatitsch

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