Links der Woche, rechts der Welt 15/18

Diebstahl und Denkkraft

So leicht es ist, sich im Studium mit einem Plagiat durchzumogeln, so einfach ist es auch, dem geistigen Diebstahl auf die Schliche zu kommen, wie Philipp Frohn im Blogseminar der FAZ schreibt. Wer auf Nummer sicher gehen will, bezahlt professionelle Ghostwriter – oder schreibt seine Arbeiten halt selbst. (10.04.18)

 

Künstlerische Intelligenz kränkt

Neuronale Netze sind der Hoffnungsträger bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz in Form von selbstlernenden Maschinen und Algorithmen. Tobias Landwehr beschreibt bei Spektrum, über welche künstlerisch-kreativen Fähigkeiten die Prototypen bereits verfügen und warum Malen und Komponieren so gutes Training für neuronale Netze sind. (10.04.18)

 

Digitale Frankensteins

Klügere Tech-Experten befolgen die Dealer-Maxime, die Finger vom Stoff zu lassen, den man vertickt, und wenden sich vom digitalen Dauerfeuer ab, dem jeder Einzelne und die Gesellschaft ohnmächtig ausgeliefert sind. Paul Lewis schildert im Freitag Reue, Skepsis und Verdruss der Technologen über ihre Technologie. (10.04.18)

 

Kommen die Neo-Ludditen?

Die Ludditen im 19. Jahrhundert wehrten sich mittels Maschinensturm dagegen, durch Technologie überflüssig zu werden, und Jamie Bartlett fragt sich im Freitag, ob die Bewegung angesichts des Überdrusses mit der Digitalisierung und Automatisierung (s.o.) eine Renaissance erlebt und womöglich gar ein neuer Unabomber dräut. (11.04.18)

 

Ich will, dass das aufhört.“

„Es gibt heute mehr Sklaven als zur Zeit des Sklavenhandels“, sagt Kathrin Hartmann, die Autorin des Buchs „Die Grüne Lüge“ im SZ-Interview. Ethischer oder „nachhaltiger“ Konsum ändern nichts am großen Elend, solange die Politik eine ökologisch und sozial verantwortungslose Wirtschaftsweise befördert und die Wählerin das zulässt. (13.04.18)

 

Der affektive Kick kommt vor dem Fall

Bei Spektrum beschäftigt sich Theodor Schaarschmidt vorrangig psychologisch und weniger ethisch mit dem Stolz. So kann dieser „hetero-induziert“ sein (analog zum Fremdschämen), allerhand auch körperliche Ausdrucksformen annehmen und sowohl prosozial als auch hochmütig daherkommen, je nach Stolzquelle. (13.04.18)

 

Der Philosoph denkt ohne Fußnote

Agnes Heller spricht mit Michael Hesse in der FR über das Sinnangebot der Philosophie, deren Schulstreitereien (hier ist es vor allem die analytische Philosophie mit ihrer Problemlösekompetenz, mit der Heller nichts anfangen kann) und das aussterbende philosophische Tier, das unsere Zeit in ihre Gedanken fasst. (13.04.18)

 

Engagement als Konstante

Für die NZZ unterhält sich Claudia Mäder mit François Ewald, dem langjährigen Assistenten und heutigen Herausgeber Michel Foucaults. Es geht um die anhaltende Faszination und Aktualität von Foucaults Denken, die postmoderne Wahrheit und die revolutionäre Haltung damaliger Intellektueller, die heute nur noch moralisieren. (14.04.18)

Ein Hund. (Photo: lutz6078, pixabay.com, CC0)

Bücher

Die FAZ zeigt sich enttäuscht von der falsch verstandenen Pflichtethik, mit der Barbara Bleisch in ihrem Buch erklärt, „Warum wir unseren Eltern nichts schulden“ (so der Titel). +++ Ebenfalls nicht ganz zufrieden mit dem Verhältnis zwischen steilen Thesen und deren Begründung ist die FAZ im Falle von Sandra Konrads Buch über weibliche Sexualität, „Das beherrschte Geschlecht“. +++ Die NZZ weist auf das Buch des Hirnforschers Gerald Hüther hin, der die Menschenwürde „als eine Art neurobiologisch angelegten Kompass“ versteht. +++ Auch die ZEIT bespricht Michael Butters Buch über Verschwörungstheorien mit dem Titel „Nichts ist, wie es scheint“.

 

Radio

Gutes Radioprogramm diese Woche!

Lang ist‘s her, dass Nietzsche zum amor fati aufrufen konnte, heute gilt Fatalismus als unschicklich und das ist das Gesprächsthema von Matthias Drobinski und Jürgen Wiebicke diese Woche im Philosophischen Radio des WDR 5.

Auch das sollte man sich anhören: Heute Abend gibt es ab 23:05 Uhr im DLF die Lange Nacht über Jean-Paul Sartre und Albert Camus, morgen früh bei Essay und Diskurs unterhalten sich Daniel Cohn-Bendit und Claus Leggewie über 1968 und mittags geht es bei Sein und Streit u.a. um Datenschutz und Ambivalenz.

 

The Sound of AI

In der NZZ kommentiert Manuel Müller den theologischen Grundbass der Verheißungen rund um Künstliche Intelligenz: Ein allwissendes, unergründliches Wesen soll einen Körper bekommen, d.h. niederkommen auf die Welt. Einen ganz anderen Sound vernimmt Nils Markwardt, der in der ZEIT über die Parallelen zwischen dem Transhumanismus des Silicon Valley und 100 Jahre alten kommunistischen Utopien schreibt und interessante Portraits der damaligen Vordenker heutiger Investoren in Todesangst liefert.

Nachdem eine Frau kürzlich von einem selbstfahrenden Auto getötet wurde, entspann sich eine Debatte, deren Ton die auch geistige Verdrängung des Menschen und des Menschlichen durch die Maschine und den Fortschritt verriet, wie Ortwin Rosner in seinem Essay für den Standard schreibt.

 

Der totale Marx

In Teil 3 von Bernhard Wiens‘ Marx-Lexikon bei Telepolis geht es ums Lumpenproletariat und den Bonapartismus, in Teil 4 u.a. um die Judenfrage und Philosophie. Bei der SZ kann man sich angucken, wie die von China gestiftete Karl-Marx-Statue in Trier aufgestellt wird, wogegen sich bei der CDU einiger Unmut regt, wie der Standard meldet. Bei der SZ wiederum erfährt man auch, wie der Sessel, auf dem Marx gestorben ist, riecht.

 

Das Weitere und Engere

Timothy Snyder hat in Berlin sein neues Buch vorgestellt, das die Gegenwart analysiert, als sei sie schon Geschichte – und zwar mit großer Ähnlichkeit zu den 1930ern, wie in der WELT zu lesen ist. +++ Die ZEIT berichtet von einer (mauen) Diskussion zwischen Didier Eribon, Geoffroy de Lagasnerie und Katja Kipping über die Aufgabe des Intellektuellen im Neoliberalismus. +++ Beim heutigen zweiten March for Science wird weniger los sein als vor einem Jahr, was Alexander Mäder bei Spektrum der Verunsicherung in der Wissenschaftsgemeinde zuschreibt. +++ Jean-Marcel Bouguereau erinnert sich in der taz an Rudi Dutschke, auf den vor 50 Jahren von einem BILD-Leser das Attentat verübt wurde, an dem er elf Jahre später starb. +++ Im Blogseminar der FAZ geht es diese Woche auch um das schwierige Studieren mit Depressionen. +++ In Frankreich protestieren Studis gegen geplante Einschränkungen beim Hochschulzugang und werden dafür von der Polizei verprügelt, wie die FAZ berichtet. +++ Das Komitee zur Vergabe des Literaturnobelpreises steht am Abgrund. Die SZ rekapituliert, wie sich die Institution in den letzten Tagen zerlegt hat. +++ Die FAZ berichtet von Michael Sandels Auftritt in Berlin, seinen äußerst populären Seminaren über Gerechtigkeit und seiner Erklärung für Trumps Wahlsieg. +++ Martin Eimermacher fragt sich in der ZEIT, was die Solidarisierungswelle mit dem Kampfhund Chico über den Verfallsgrad unserer Zivilisation verrät. +++ Die FR weist auf Christian Tods Dokumentarfilm „Komm, komm, Grundeinkommen“ hin, der in der arte-Mediathek noch nachgeguckt werden kann. +++ Vor einem Weilchen wurden Vorwürfe laut, Julia Kristeva habe für den bulgarischen Geheimdienst gearbeitet. Sie und ihr Mann Philippe Sollers weisen die Dokumente empört als Fälschungen zurück, wie die FAZ meldet. +++ Besser allein: Die SZ berichtet von einer Studie, derzufolge die Freude am Schönen kleiner ist, wenn man sie mit anderen teilt. +++ Außerdem vermeldet die SZ, dass der Walden Pond durch den Urin von Thoreau-Pilgermassen bedroht ist.

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