Links der Woche, rechts der Welt 12/18

Die ham die Hoffnung noch

Leander F. Badura analysiert im Freitag die ästhetischen, politischen und psychologischen Grundlagen des Neo-Dadaismus, dessen sich die zwischen 1982 und 2004 geborenen „Millenials“ in Form von Insiderwitzen, Internetmoden und Memes zur Bewältigung ihres Elends befleißigen. (19.03.18)

 

Rousseau als Populist, Voltaire als StartUp-Hipster

In der WELT beschäftigt sich Sarah Pines mit dem Verhältnis der Aufklärer Rousseau und Voltaire zum Islam. Erster war so vom Orient fasziniert, wie es erst in der folgenden Romantik en vogue wurde. Letzterer sah in der Religion allgemein und im Islam ganz besonders das antiaufklärerische Feindbild schlechthin. (20.03.18)

 

Mit Pensionsanspruch in die Gefahr

Es ist wieder soweit: Die alljährliche Debatte über die Rolle des Intellektuellen in der Öffentlichkeit versucht Hans Ulrich Gumbrecht in der NZZ anzustoßen. Vorbei die Zeiten, in denen die Voltaires und Zolas „‚wie mit einer Fackel in der Nacht‘ den Weg in die Zukunft“ wiesen. Schuld sind akademisches Fachidiotentum und moralisierte Diskurse. (21.03.18)

 

Finis Austria“

Für die WELT schreibt abermals Sarah Pines mit recht lebhafter Phantasie und Anteilnahme über Sigmund Freuds letztes Lebensjahr, das er krebskrank im Londoner Exil damit verbrachte, auf die Machtübernahme der Nazis in Österreich und das Ende des kosmpolitischen Wiens zurückzublicken. (21.03.18)

 

Si tacuisses

Schweigen ist vieldeutig und will gelernt sein, weshalb der Rhetorik die Sigetik zur Seite gestellt ist. Iso Camartin bemerkt in der NZZ eine Renaissance des antiken Lobs aufs Maulhalten, das in Schweigeklöstern und existentialistischen Werken widerhallt, denn manches am Menschsein übersteigt einfach die Möglichkeiten der Sprache. (24.03.18)

 

Bücher

Lichtwolf Nr. 61 (Milchmädchen)

Die NZZ ist sehr begeistert von Stephen Greenblatts Buch „Die Geschichte von Adam und Eva“, das die Menschheitserzählungen von der Ehe, dem Bösen und der Spezies selbst über die Jahrtausende nachzeichnet. +++ Auch die ZEIT zeigt sich mind-blown von „Die Wurzeln der Welt“, worin Emanuele Coccia sich augenöffnende Gedanken über Pflanzen macht, „die noch nie jemand aufgeschrieben hat“. +++ Die SZ sieht Anatol Stefanowitsch mit seiner Verteidigung einer politisch korrekten Sprache (nämlich als moralisches Handeln) in die Repro-Falle laufen, die dieses Thema bereit hält. +++ Dem Freitag kommt Michael Butters Buch über Verschwörungstheorien seit der frühen Neuzeit nicht grundlos wie eine allzu akademische Fleißarbeit vor. +++ Die FAZ runzelt die Stirn über Raoul Schrotts von Heiligem und Holocaust schwadronierenden Essayband „Politiken & Ideen“. +++ Rolf Zimmermann beschreibt laut ZEIT, wie Nietzsche durch Thomas Mann entgiftet und demokratisiert wurde. +++ Der Freitag stellt Kathrin Hartmanns Buch „Die grüne Lüge“ und den dazu passenden Film vor, die zeigen, wie Konzerne uns mittels Greenwashing vormachen, unser Konsumverhalten wäre supernachhaltig. +++ Es gibt übrigens einen neuen Lichtwolf, diesmal zum herrenmagazinigen Thema „Milchmädchen“…

 

Radio

Darüber, was den Mensch zum Menschen macht, diskutieren Wolfram Eilenberger und Jürgen Wiebicke im Philosophischen Radio des WDR 5. Morgen früh bei Essay und Diskurs im DLF sprechen Thomas Kretschmer und der Politikwissenschaftler Yascha Mounk darüber, ob die Demokratie ernsthaft vom Populismus bedroht ist. Später geht es bei Sein und Streit um Opfer und Gerechtigkeit, zu Gast ist u.a. Harald Welzer.

 

Künstliche Intelligenz am Steuer

In Arizona hat diese Woche ein selbstfahrendes Uber-Taxi eine Radfahrerin getötet (die nicht Sarah Connor hieß). Niklas Maak erinnert in der FAZ an die einstige Idee, Autos mit Kernenergie zu betreiben, und kann über die heutige ebenso verantwortungslose Euphorie über das autonome Fahren nur den Kopf schütteln. Susanne Päch glaubt in den Scilogs nicht an garantierte Sicherheit im halbautonomen Straßenverkehr (Störfaktor Mensch!) und zählt die philosophisch-ethischen Fragen auf, die in Code gefasst werden müssten. Gunter Laßmann dagegen zählt bei Telepolis die Fragen auf, die gesellschaftlich diskutiert werden müssten, ehe man überhaupt fragen kann, ob wir autonome Fahrzeuge auf den Straßen haben wollen.

Für die NZZ hat sich René Scheu mit zwei Wissenschaftlern über ihr Verhältnis zu KI und Philosophie unterhalten: Robert Harrison könnte sich gerade in digitalen Zeiten regen Interesses an seinen Vorlesungen über Dante erfreuen, wenn die Studis nicht so von posthumanistischer Hybris durchdrungen wären. Der 20-jährige Sam Ginn ist Wunderkind, Heidegger-Experte und seltsam optimistischer Computerlinguist, der das In-der-Welt-Sein als Schlüssel zu Künstlicher Intelligenz versteht.

(Photo: Lolame, pixabay.com, CC0)

Prometheische Scham auch in der Informationstechnik: Cambridge Analytica machte vor gut einem Jahr von sich reden mit der Behauptung, via Big Data zu den Wahlsiegen der Brexit- und Trump-Kampagnen beigetragen zu haben. Nun ist die Firma erneut in den Schlagzeilen u.a. wegen der halbunerlaubten Verwendung von Millionen von Facebook-Profilen. Jürgen Hermes wägt bei Spektrum die Möglichkeiten und Grenzen der passgenauen Beeinflussung großer Bevölkerungsgruppen“ ab, die Cambridge Analytica zu leisten verspricht. Colin Koopman sieht in der New York Times die Demokratie von Big Data bedroht, solange letzterer keine ethischen Grenzen aufgezeigt werden, was aber nicht besonders attraktiv ist.

 

Das Weitere und Engere

Die NZZ erklärt, woher „Esoterik“ kommt und was das Wort bedeutet. +++ Die ZEIT denkt diese Woche über Konservatismus nach und wenn das das Niveau von Jens Jessens Turnübung mit den Begriffen konservativ, reaktionär und rechts hat, kann man sich das schenken. +++ Eine Studie, über die die FR berichtet, hat untersucht, wie sich Emoticons in der Schriftsprache am Arbeitsplatz auswirken. Zwinkersmiley! +++ In der SZ erklärt Kardinal Reinhard Marx, wo sein Trierer Namensvetter in Sachen Kapitalismus Recht hat und warum die christliche Soziallehre trotzdem besser als Kommunismus ist. +++ Die FAZ wiederum erklärt, warum ein Tintenkiller nur bei blauer Tinte funktioniert. (Weiß überhaupt noch jemand, wovon die Rede ist?)

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