Links der Woche, rechts der Welt 11/18

Im Osten scheint das Licht

Bei Telepolis unterhält sich Ramon Schack mit Rainer Zitelmann – einem Betroffenen – darüber, warum so viele 68er begeisterte Mao-Anhänger waren (oder gar für die Roten Khmer spendeten) und heute den Kapitalismus ganz dufte finden: China war damals einfach exotisch und ist heute „erfolgreich“ genug. (10.03.18)

 

Wirklich Lehrer werden?

Im Uniblog der FAZ berichtet Lehramtsstudent Philipp Frohn von seinem Praxissemester in der Schule, das ihn kurz vorm Eintritt ins Referendariat mit Schülern und der Frage konfrontiert, ob man sich das wirklich antun will. Denn nicht die Kinderchen, sondern die Strukturen sind das größte Problem. (13.03.18)

 

Von Galileis Todestag bis zum Pi-Tag

Diese Woche ist Stephen Hawking verstorben und unter den vielen Nachrufen sei hier derjenige von Holger Kreitling und Norbert Lossau in der WELT herausgegriffen, nicht wegen des nervigen Autplay-Videos am Anfang, sondern wegen der Würdigung des Genies als Superstar und Apokalyptiker. (14.03.18)

 

Hoffnung auf eine andere Zukunft

Der Freitag bringt die Langfassung eines Essays von Georg Seeßlen, der angesichts des Triumphs von Zerfall und Regression „in einer Kultur, die Mangel und Überfluss zugleich produziert“, für Kosmopolitismus, Solidarisierung und Kreolisierung plädiert, um eine Gesellschaft zu errichten, die nicht fortwährend ihre eigenen Monster produziert. (17.03.18)

 

Radio

Anlässlich des Todes von Stephen Hawking beschäftigt sich Das Philosophische Radio bei WDR 5 diese Woche mit Hawkings These, die Philosophie sei nutzlos und erledigt. Im Deutschlandfunk kommt heute ab 23:05 Uhr die Lange Nacht über Laurence Sterne, dem wir den modernen Roman verdanken. Morgen früh gibt es bei Essay und Diskurs ein Interview mit Kenneth Goldsmith über „unkreatives Schreiben“ und mittags kommt Sein und Streit live von der Leipziger Buchmesse, die hier eigentlich kein einziges Mal erwähnt werden sollte.

 

Bücher

Mit der neuen zweisprachigen Aristophanes-Ausgabe von Peter Rau liegen nun alle erhaltenen antiken Komödien vor, wie sich die NZZ freut. +++ Die NZZ lobt auch den Prosaerstling „Gerade gestern“ ihres früheren Feuilletonchefs Martin Meyer, der in philosophiegesättigten Miniaturen „Vom allmählichen Verschwinden des Gewohnten“ erzählt. +++ Dagegen findet die NZZ Claudia Opitz-Belakhals Essaysammlung über Hexenverfolgung und Dämonologie der frühen Neuzeit etwas „betulich“. +++ Micha Brumlik zeigt sich in der taz schwer begeistert von Wolfram Eilenbergers „Zeit der Zauberer“, das Heidegger, Benjamin, Cassirer und Wittgenstein portraitiert. +++ Die FAZ stellt das aktuelle „Kursbuch“ vor, das sich der Ökonomisierung der Bildung und ihren Folgen widmet. +++ Die SZ empfiehlt Emanuele Coccias „Die Wurzeln der Welt“, weil es nur auf den ersten Blick im Trend der Naturbücher liegt, tatsächlich aber eine Metaphysik ausgehend von Überlegungen über Pflanzen aufmacht. +++ Bei Glanz & Elend bespricht Jürgen Nielsen-Sikora Bernhard Pörksens Buch über die Empörungsdemokratie und den Weg aus der kollektiven Erregung. +++ Bersarin fühlt sich in seinem Blog von Heinz Budes 68er-Zeitgeiststudie und Linkenkritik „Adorno für Ruinenkinder“ gut unterhalten. +++ Die WELT vermutet, Michael Butters Buch „Nichts ist, wie es scheint“ über Verschwörungstheorien und Populismus könnte „das Buch des Jahrzehnts“ sein. +++ Die WELT weist außerdem auf die Broschüre „Christliches in der AfD“ hin, die aus 32 überwiegend leeren Seiten besteht. +++ Dieter Thomä hat ein Buch über den Außenseiter und Störenfried geschrieben und erklärt im Tagesspiegel-Interview, wie man sich diesen Ehrentitel verdient.

 

Philosophie am Arsch

Vor gut zwei Wochen bereitete Wolfram Eilenberger seine jüngste Bucherscheinung (s.o.) professionell vor, indem er in der ZEIT eine Debatte über den Zustand der akademischen Philosophie lostrat. Eilenbergers Klage über die Kluft zwischen Quantität und Qualität zeitgenössischer, durchökonomisierter, von Frankfurter Schule und Poststrukturalisten beherrschter Philosophie ist seit dieser Woche online zu lesen. Denn Wolfgang Spohn antwortet, gibt Eilenberger in weiten Teilen Recht und stellt dann drei Missverständnisse über die akademische Philosophie klar. Auch Denis Walter hat in seinem Hypotheses-Blog als Philosophiehistoriker und Nachwuchswissenschaftler etwas Spitzes auf Eilenbergers Vorwürfe zu entgegnen.

 

Dichter und Denker heute

Stephen Bannon riet Europas Rechtspopulisten, das Verdikt der Fremdenfeindlichkeit als Auszeichnung zu verstehen; Jason Stanley schreibt in seiner New-York-Times-Kolumne auf, wieso ihm der neurechte Versuch der Sprachmanipulation so bekannt vorkommt.

Für die ZEIT hat Thomas Assheuer noch einmal im Werk von Uwe Tellkamp (dem PEGIDA-Versteher) nachgelesen, wie dieser sich seinen neurechten Fankreis erschrieben hat. Auch Thilo hat für sein Mathlog in Tellkamps „Eisvogel“ geguckt und wundert sich vor allem über die Passagen bzgl. Mathematik und Logik. Der Deutsche Nationalpreis 2018 im Übrigen geht an Rüdiger Safranski, der laut WELT von „islamischer Masseneinwanderung“, „riesigen Migrantenströmen“ und „Denkfaulheit“ spricht und auch sehr, sehr unterdrückt wird.

Hieronymus Bosch: Der Gaukler (um 1502)

Das Weitere und Engere

Der Bundesgerichtshof urteilte diese Woche, Kundinnen müssten sich auch als Kunden angesprochen fühlen. André Brodocz kommentiert im theorieblog den performativen Selbstwiderspruch des Urteils. +++ Im Wirtschaftsteil der SZ macht sich Christoph Behrens anhand von Bitcoins und u.a. Platon Gedanken darüber, ob man einander vertrauen kann, sollte oder gar muss. +++ Jürgen Müller denkt in der FAZ über Hieronymus Boschs Tafel „Der Gaukler“ nach und findet darin eine platonische Meditation über Kunst als Täuschung mit den Mitteln der Kunst vor. +++ Modernste Forschung bestätigt 2.000 Jahre alte stoische Ethik: Wer nach Glück strebt, wird unglücklich, rapportiert die SZ jüngste Studienergebnisse. +++ In der NZZ würdigt Hans Magnus Enzensberger Pierre Fauchard, der in den 1720ern den Beruf des Zahnarztes erfand und uns Spätgeborenen damit einiges ersparte. +++ Ernst Peter Fischer hat bei den Scilogs ein Zitat George Orwells aus dem Jahr 1947 über den alten Hut „Fake News“ ausgegraben. +++ Wörter klingen komisch, wenn man sie oft genug wiederholt, und das liegt an der semantischen Sättigung, wie bei Spektrum erklärt wird. +++ Telepolis gratuliert dem „Anarcho-Comic-Zeichner“ Gerhard Seyfried zum 70. Geburtstag. +++ Die SZ stellt die griechische Designerin Katerina Kamprani vor, deren ostentativ nutzlose Objekte Sie in Lichtwolf Nr. 60 oder auf Kampranis Homepage bewundern können.

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