Links der Woche, rechts der Welt 05/18

Geteiltes Leid

Die NZZ bringt einen Dialog zwischen der Natur und einem Unzufriedenen aus der Feder Hans Magnus Enzensbergers. Darin beschwert sich das Mängelwesen bei der Rabenmutter, die ihn ganz cool in das Geheimnis einweiht, wieso der Mensch es trotzallem so weit gebracht hat: das Böse, Ungleichheit und Arbeitsteilung! (28.01.18)

 

Mundus vult decipi

Der Turing-Test galt lange als die Messlatte für Künstliche Intelligenz, belegt aber vor allem die Bereitschaft von Menschen, Maschinen für intelligent zu halten, wie Boris Hänssler in der SZ schreibt und zusammenfasst, was KI kann, woran sie krachend scheitert, welche angemesseneren Testverfahren gerade entwickelt werden und warum das nicht die Hauptfrage ist. (28.01.18)

 

Ernsthaftes Probieren

Tom Mueller schreibt in der taz über die beiden aktuellen Literaturskandälchen um Eugen Gomringers Fassadengedicht (siehe letzte Woche) und Simon Straußens Lobgesang auf die Romantik, der als rechtslastig gilt. Mueller als der verantwortliche Lektor wehrt sich dagegen, der Literatur die Ambivalenz auszutreiben, da „sich in der kollektiven Exegese die Gesellschaft selbst den Spiegel vorhält“. (28.01.18)

 

Kausale Emergenz oder emergente Kausalität

Letzte Woche ging es hier schon um den Versuch der Physikerin Hedda Hassel Mørch, das Geist-Materie-Problem von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Natalie Wolchover zeichnet bei Spektrum in einem recht anspruchsvollen Text die Entwicklung der Theorie nach, die den klassischen Reduktionismus umdreht: makroskopische Zustände des Bewusstseins haben Auswirkungen auf physikalischer Systeme. (29.01.18)

 

Ich sehe was, was du nicht siehst

Für die FAZ unterhält sich Till Hein mit dem Psychologen Christoph Witzel über die Wunderlichkeiten und Tücken menschlicher Farbwahrnehmung. Rot macht Männer geil, blau kühlt ab, braun ist eklig, zu Homers oder Goethes Zeiten waren die Farben noch einmal ganz anders und Synästhesien sowie optische Täuschungen sind häufiger als man denkt. (30.01.18)

 

Schuld und Scham

Von der Wiege bis zur Bahre begleitet uns das schlechte Gewissen, dem Christian Schwägerl in der ZEIT auf den Grund der Diskrepanz zwischen Überzeugungen und Handlungen geht. Dazu besucht er Psychotherapeuten, die das Gewissen zwischen Persönlichkeitsstörung und sozialem Kitt verorten. Philosophinnen oder Theologinnen kommen nicht vor. (31.01.18)

 

Religiosität ohne Religion

Das Silicon Valley gibt der Welt den Takt vor und drum ist es interessant, wie man es dort mit der Religion hält. Adrian Daub betrachtet für die NZZ die Spiritualität technischer Heilsversprechen und Eschatologien sowie das Interieur der „Gebetsräume“ bei Google und Facebook. (31.01.18)

 

Lichtspiele

Im ausgewählten Kino ist der Dokumentarfilm „Free Lunch Society“ zu sehen, in dem Christian Tod zeigt, wie sich die Arbeitswelt verändert hat und erst recht verändern würde, gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen:

Danach ab ins Theater: Mit der Oper „Die Banalität der Liebe“ der israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff bringt das Theater Regensburg das deutsch-jüdische Verhältnis ebenso wie das zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger auf die Bühne, wie die FAZ schreibt.

 

Radio

Thomas Meyer und Jürgen Wiebicke unterhalten sich beim Philosophischen Radio des WDR 5 über die Freiheit, frei zu sein. Bei Sein und Streit im DLF geht es morgen Mittag um Tierversuche und Foucault, zuvor beschäftigen sich Markus Metz und Georg Seeßlen bei Essay und Diskurs mit dem Fortschritt.

 

Bücher

Alex Rühle wundert sich in der SZ über die epistemologische Krise, die das neueste Aluhut-Buch Gerhard Wisnewskis vom Kopp-Verlag auf Platz 3 der Spiegel-Bestsellerliste befördert hat. +++ Mladen Gladić hat sich für den Freitag mit dem gegen Simon Strauß gehegten Verdacht auseinandergesetzt, ein Rechter zu sein. +++ Die FAZ weist auf Michael Blumes Buch „Islam in der Krise“ hin, das eine „Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug“ (so der Untertitel) analysiert. +++ Bei Getidan wird Achim Szepanskis „Kapital und Macht im 21. Jahrhundert“ besprochen.

 

Kunstfreiheit

Der letzte noch erhaltene Merzbau des Dadaisten Kurt Schwitters wird mangels Fördergeldern auf dem nordenglischen Immobilienmarkt verhökert, wie der Freitag meldet. +++ Die Manchester Art Gallery hat das Gemälde „Hylas und die Nymphen“ von John William Waterhouse wegen der Darstellung von Frauen vorübergehend aus ihrer Ausstellung entfernt und lädt dazu ein, die eigene Meinung dazu mittels Post-it an die Leerstelle zu kleben, wie die taz meldet.

John William Waterhouse: Hylas und die Nymphen (1896), Manchester Art Gallery (derzeit nicht).

Natürlich kann man viel besser über Nymphendarstellungen diskutieren, wenn man sie auch sieht. Noch nicht sehen kann man die Illustrationen der nächsten Lichtwolf-Ausgabe, aber da diese das Titelthema „Milchmädchen“ hat, sind Diskussionen schon absehbar. Kündigen Sie Ihr Abo besser jetzt als zum Frühlingsbeginn!

 

Das Weitere und Engere

Wacht auf, Verdammte dieser Erde: Georg Seeßlen fragt sich bei Getidan, was wäre, wenn sich das Prekariat seiner Stärke bewusst würde und nicht mehr von Populismus und Verblödungsindustrie verarschen ließe. +++ Die Geschlechterordnung ist ins Wanken gekommen und Donald Trump das letzte Aufbäumen einer vormodernen, gewalttätigen Männlichkeit, wie Hedwig Richter in der SZ analysiert. +++ Marcus Klöckner unterhält sich bei Telepolis mit Georg Toepfer über die Herkunft und tiefere Bedeutung der Wörter, die unseren Alltagsdiskurs prägen. +++ Matthias Warkus hält es bei Spektrum für möglich, das magische Denken von Reichsbürgern mittels Philosophie als solches aufzuzeigen. +++ Die Digitalisierung ist eine Herausforderung auch für die Metaphysik: Die NZZ versammelt die Antworten, die die im Cybersalon edge.org versammelten Wissenschaftlerinnen und Schriftsteller auf die Frage gaben, was ihre letzte Frage sei. +++ Der Umsatz deutscher Brauereien ist im vergangenen Jahr stark zurückgegangen und nun drohen Bierpreiserhöhungen, wie die FR meldet. Sie wissen, was zu tun ist! +++ Und noch jemand kann Ihre Unterstützung vertragen: Seit letzter Woche ist es möglich, Mäzen des Lichtwolf zu werden. Wenn Ihnen zum Beispiel die Links der Woche gefallen, Sie kein Abo haben wollen oder einen Euro oder zwei übrig haben, können Sie via Flattr (falls das noch jemand benutzt), Patreon oder Steady spenden.

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